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Gesundheit: Der Stopp als Schock

Eine komplette Zulassungssperre ist rechtlich unhaltbar – aber die Humboldt-Universität verspricht sich was davon

Von Amory Burchard

und Uwe Schlicht

Totaler Zulassungs- und Einstellungsstopp an der Humboldt-Universität, flächendeckender Numerus Clausus an Freier und Technischer Universität: Berlins Hochschulen haben in einer konzertierten Aktion scharf gegen die Sparszenarien des Berliner Senats geschossen. Wie berichtet, drohten die Uni-Präsidenten am Mittwoch auch damit, die Verhandlungen über die Hochschulverträge 2006 bis 2009 abzubrechen, wenn die Landeszuschüsse zu ihren Etats um weitere 200 Millionen Euro jährlich gesenkt werden sollten. Zumindest der krassesten Drohung, an der Humboldt-Universität keine neuen Studenten mehr zu immatrikulieren, wurde gestern bereits die Spitze genommen.

Wissenschafts-Staatsekretär Peer Pasternack nahm im Kuratorium der FU dazu Stellung: Seine Verwaltung werde fachaufsichtlich gegen den entsprechenden Beschluss des Akademischen Senats der Humboldt-Universität (HU) vorgehen. Damit werde der Zulassungsstopp keinen Bestand haben. Dem Wissenschaftssenator stehen zwei Wege offen: Er kann im Wege der Rechtsaufsicht den Beschluss des Akademischen Senats aufheben, oder er kann von der Universität verlangen, für jedes einzelne Fach den Nachweis zu liefern, dass die Aufnahmekapazität erschöpft ist. Die Folge wäre dann kein Zulassungsstopp, sondern allenfalls ein flächendeckender Numerus Clausus wie an der FU oder TU.

Hat die Humboldt-Universität nicht gewusst, was sie tat, als sie den Zulassungsstopp beschloss? Oh doch, sagt der Vizepräsident für Lehre und Forschung, Heinz Elmar Tenorth. „Die Rechtslage ist uns natürlich bekannt.“ Tenorth gibt zu, dass der Immatrikulationsstopp „auf Schockwirkung abzielt“ – vor allem aber auf das fachaufsichtliche Einschreiten des Wissenschaftssenators. Wenn Thomas Flierl (PDS) die Universität nämlich zwänge, weiterhin Studenten aufzunehmen, „würde er damit die Verantwortung übernehmen, die Lehre aufrecht zu erhalten“, sagt Tenorth. Die HU wolle Flierl dazu bringen, die Zahl der Studienplätze – offiziell sind es 21 000, auf denen aber 37 000 Studenten sitzen – „zu garantieren“.

Benneter versteht die Unis

Beim nächsten Treffen werde man dem Senator vorrechnen, für welchen Zeitraum wie viel Personal erforderlich sei, um die im kommenden Wintersemester zwangsweise neu aufgenommenen Studenten auszubilden. Tenorth lehnt das von den Präsidenten angedrohte Aus der Vertragsverhandlungen mit dem Senat jedoch ab. „Sie haben nur dann keinen Sinn, wenn die Zahlen des Finanzsenators Verhandlungsgegenstand werden.“ Mit ihren Drohungen wollen die Universitäten eben dies verhindern – vor der Senatsklausur zu den Hochschulen am 19. Mai.

Verständnis für die Universitäten zeigt der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Uwe Benneter: „Finanzsenator Thilo Sarrazin knebelt die Unis so sehr, dass die Giftpfeile aussenden.“ Tatsächlich habe der Sarrazinsche Sparkurs „nichts mehr mit seriöser Politikgestaltung zu tun“, sagt Benneter, der bis 2002 im Berliner Abgeordnetenhaus saß.

Die Studentenvertretung der Humboldt-Universität dagegen reagiert scharf ablehnend gegen die angedrohte Notbremsung. Die Sprecherin für Hochschulpolitik des gewählten ReferentInnenrats (Refrat), Anne Ware, kritisiert den auf „Schockwirkung“ abzielenden Immastopp. Damit wolle die Unileitung offenbar auch Studentenproteste gegen den Finanzsenator mobilisieren – ohne allerdings mit dem Refrat zu kooperieren. Aber Proteste, so Ware, werden trotzdem vorbereitet. In der kommenden Woche wolle der Refrat in einer „Vollversammlung“ über die Situation aufklären. „Ein Streik ist nicht ausgeschlossen“, sagt die Studentenvertreterin. Das gelte auch, wenn die HU statt des „juristisch unhaltbaren“ Zulassungsstopps einen flächendeckenden Numerus Clausus verhängen würde – wie die Freie und die Technische Universität.

Mit dem flächendeckenden NC sind FU und TU rechtlich gesehen in einer günstigeren Lage. Wegen der überragenden politischen Bedeutung der Versorgung der nachwachsenden Generation mit Studienplätzen hat zwar auch in diesem Fall der Wissenschaftssenator das letzte Wort. Der Senator kann jedoch von den NC-Beschlüssen einer Universität nicht unbegrenzt abweichen.

„Super Aussichten“ versperrt

Als Regel gilt, dass die Hochschulen in NC-Fächern eine 20-prozentige Überlast hinnehmen müssen. Würde ein Wissenschaftssenator oder -minister eine Hochschule zwingen, eine noch größere Überlast hinzunehmen, hat die Uni vor den Verwaltungsgerichten gute Karten. Sie kann darauf pochen, dass sie nicht nur die Qualität der StudentenAusbildung zu gewährleisten hat. Sie muss auch die zentralen Aufgaben der Forschung erfüllen und dem wissenschaftlichen Nachwuchs Berufschancen geben. Keine Hochschule kann von einem Senator oder Minister gezwungen werden, so viele Studenten zu akzeptieren, dass sie in der Lehre erstickt.

Andererseits werden bei einem flächendeckenden NC für jeden Studiengang zwar Höchstzahlen festgesetzt, aber immer noch müssen mehrere Tausend Studienanfänger zugelassen werden. Und NC müssen gerichtsfest begründet werden, denn jeder abgewiesene Studienbewerber hat die Chance, sich auf einen Studienplatz einzuklagen.

Ein Befreiungsschlag für die Universitäten sind die angedrohten Zulassungsbeschränkungen also nicht. In der Wissenschaftsverwaltung nimmt man sie ohnehin nicht ernst. Und was sagt die Humboldt-Universität den Gymnasiasten, die sie jetzt ganz herzlich zu ihrer Informationswoche vom 19. bis 23. Mai eingeladen hat? Das launige Motto der Infoveranstaltungen für potenzielle Erstsemester lautet „Suche: Studienplatz in bester Lage mit super Aussichten“. Zulassungsstopp würde bedeuten: „Wir wollen euch gar nicht.“ Bei flächendeckendem NC müsste es heißen: „Wir nehmen nur die Elite, keine Chance also für die meisten Berliner Abiturienten.“ Super Aussichten, versperrt.

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