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Gesundheit: Der unaufhaltsame Aufstieg der Dinosaurier

Wie die Schreckensechsen für 165 Millionen Jahre die erfolgreichsten Tiere der Evolution wurden

Ihr Auftritt und Abgang auf der Bühne des Lebens gleicht einer theatralischen Inszenierung. Das Schicksal kaum einer anderen Tiergruppe ist derart vom Phänomen regelmäßiger Massensterben auf der Erde geprägt worden wie das der Dinosaurier. Während aber bislang meist der Untergang vor 65 Millionen Jahren im Mittelpunkt des Interesses auch der Forscher stand, ist jetzt vor allem ihr Ursprung in den Blick gerückt.

Ähnlich wie ihren Untergang am Ende der Kreidezeit verdanken die Dinosaurier ihr Erscheinen zu Beginn des Erdmittelalters vor etwa 250 Millionen Jahren wahrscheinlich einem Massensterben der Tier- und Pflanzenwelt. Damals, am Übergang vom Erdzeitalter des Perm zur Trias, durchlief die Evolution eine ihrer folgenschwersten Krisen. Es kam zum Aussterben von neun Zehnteln aller damals lebenden Tier- und Pflanzenarten. Nie zuvor und nie danach, davon sind Paläontologen mittlerweile überzeugt, war das irdische Leben dem Untergang so nah.

Saurier auf Madagaskar

Was dieses größte Sterben aller Zeiten auslöste und damit offenbar auch den Weg für die Dinosaurier frei machte, ist im Einzelnen noch umstritten. Während einige Forscher einen Meteoriteneinschlag und dessen Folgen als Verursacher bemühen, favorisieren andere abwechselnd globale Erwärmung, vergiftete Meere oder massenhafte Vulkanausbrüche.

Neues Licht auf die Entwicklung des Tierreiches während der Trias werfen nun überraschende Funde aus Madagaskar. Anfangs glaubten selbst die beiden Paläontologen vom Naturkundemusum in Chicago, John Flynn und André Wyss, noch an einen Irrtum, als sie die erste Handvoll steinalter Überreste von saurierähnlichen Lebewesen im ziegelroten Lateritboden der Tropeninsel entdeckten.

Während ihrer Expeditionen seit Ende der 1990er-Jahre durch den trockenen Westen Madagaskars fanden die beiden Forscher Fossilien von Prosauropoden. Diese fossilen Riesenechsen waren langhalsige, über sechs Meter große Pflanzenfresser, die vor 230 Millionen Jahren lebten. Damit sind sie die ältesten Vegetarier und zugleich frühesten Zeugnisse der Schreckensechsen.

Aus ihnen haben sich die Sauropoden oder Elefantenfuß-Dinosaurier des Oberjura entwickelt. Zu diesen pflanzenfressenden Giganten des Erdmittelalters zählen etwa Apatosaurus und Seismosaurus in Nordamerika oder der knapp 23 Meter lange und bis zu zwölf Meter große Brachiosaurus brancei aus Ostafrika, der heute im Berliner Naturkundemuseum zu bewundern ist.

Mit den Prosauropoden der Trias begann die knapp 165 Millionen Jahre währende Herrschaft der Dinosaurier. Bis zu den jüngsten Funden hatten Forscher lange angenommen, dass die Vorfahren der Dinosaurier, die Thecodontier, erst am Ende der Trias vor etwa 215 Millionen Jahren auftraten.

Einen echten Knochen-Beleg vorjurassischer Sauropoden entdeckten unlängst französische Forscher im Nordosten Thailands, wo vor 210 Millionen Jahren der mehr als sechs Meter große Pflanzenfresser Isanosaurus attavipachi lebte (veröffentlicht im Fachblatt „Nature“). Zuvor waren mit den Fossilien etwa von Herrerasaurus auch in Argentinien ebenfalls recht große, in diesem Fall räuberische Saurier-Urahnen gefunden worden.

Mit den Fossilien aus der mittleren Trias vor 230 Millionen Jahren aber haben Flynn und Wyss auch andere lieb gewonnene Vorstellungen zur frühen Evolution der Landtiere auf den Kopf gestellt. Zum einen machen ihre Funde deutlich, dass die Entwicklung der Dinosaurier bereits am Ende der Trias voll in Gange war. Offenbar durch entsprechende Anpassungen vor allem in ihren Kauapparaten hatten sich längst verschiedene räuberische wie auch pflanzenfressende Saurierformen entwickelt.

Neben den Prosauropoden zählten dazu etwa die gepanzerten pflanzenfressenden Aetiosaurier sowie die 1991 in Argentinien entdeckten ältesten Raubsaurier Eoraptor und Herrerasaurus. Beide waren auf den Hinterbeinen laufende geschickte Räuber, wenngleich noch mit vergleichsweise ursprünglichem Knochenbau, die ihre Beute mit spitzen Zähnen und den gekrümmten Zehen der kurzen Vorderbeine zerrissen.

Die Fossilfunde auf Madagaskar bieten indes noch eine weitere Überraschung. Denn zusammen mit Prosauropoden waren vor 230 Millionen Jahren auch die ersten Vorfahren der Säugetiere erschienen. Unter den säugerähnlichen Reptilien gab es ebenfalls Pflanzenfresser wie die Traversodontier (oder „Querzahnsaurier“), aber auch Fleischfresser wie die Chiniquodontier, aus denen sich dann später die echten Säugetiere entwickelten.

Bislang hatten Wissenschaftler meist angenommen, dass sich die Säugetiere erst entfalteten, als die Dinosaurier am Ende der Kreidezeit gleichsam die ökologische Bühne freimachten. Tatsächlich aber standen die frühesten Säugerahnen bereits während der mittleren Trias mit den Dinosauriern im ökologischen Wettstreit.

Warum die erste Runde dieser Auseinandersetzung zu Gunsten der Riesenechsen ausging und sie die Säugetiere während des gesamten Erdmittelalters buchstäblich in ihren Schatten stellten, ist weiterhin ein Rätsel. Erst nach dem Aussterben der Dinosaurier sollten die Säuger eine zweite Chance bekommen.

Keine kaltblütigen Killer

Zunächst aber überlebten die Dinos. Mit Beginn der Kreidezeit vor rund 135 Millionen Jahren könnten sie von der sich aufblühenden botanischen Vielfalt profitiert haben. Die plötzlich massenhaft wachsenden Blütenpflanzen haben einer sich immer weiter auffächernden Vielfalt an Dinosauriern den Tisch gedeckt, die ihrerseits reiche Beute für räuberische Saurier wurden.

Beinahe unbemerkt, trotz der durch „Jurassic Park“ ausgelösten Dino-Mania, hat sich während des letzten Jahrzehnts so etwas wie eine stille Revolution in der Dinosaurier- Forschung ereignet. Während die Schreckensechsen früher als tölpelhafte Tier-Titanen galten, die außer Fressen und Umbringen nichts konnten, ist die Hundertschaft der Dinosaurier-Forscher, die es weltweit gibt, mittlerweile überzeugt, dass ihre Steckenpferde weder dämlich noch behäbig-kaltblütige Reptilien waren.

Vielmehr sehen sie auch jene Riesenechsen als von jeher in deren jeweilige Umwelt eingepasste Lebewesen – nicht umsonst haben die Dinosaurier die Erde 165 Millionen Jahre lang dominiert.

Matthias Glaubrecht

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