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Gesundheit: Die Liebe ist auch nach 75 Jahren ungebrochen - Moderne japanische Kameras erweisen dem Klassiker Reverenz

Manchmal hat körperliche Gebrechlichkeit auch ihr Gutes. Hätte der Feinmechaniker Oskar Barnack (1879 bis 1936) eine kräftigere Konstitution besessen, wäre er vielleicht nicht auf die Idee verfallen, eine kompakte Kamera für die Jackentasche zu entwickeln.

Manchmal hat körperliche Gebrechlichkeit auch ihr Gutes. Hätte der Feinmechaniker Oskar Barnack (1879 bis 1936) eine kräftigere Konstitution besessen, wäre er vielleicht nicht auf die Idee verfallen, eine kompakte Kamera für die Jackentasche zu entwickeln. So aber suchte er als passionierter Hobby-Fotograf nach einer Möglichkeit, wie er auf seinen ausgedehnten Spaziergängen das Schleppen einer schweren Plattenkamera vermeiden konnte.

Das Ergebnis seiner Bemühungen kam im März vor 75 Jahren, zur Leipziger Frühlingsmesse 1925, auf den Markt. Es trug den Namen Leica, gebildet aus den Worten Leitz und Camera. Zuerst hatte das neuartige Produkt Leca heißen sollen. Doch nachdem bereits erstes Werbematerial verschickt war, beschloss der Hersteller Leitz, seiner ersten Kamera auch noch das i aus dem Firmennamen zu spendieren.

Bis dahin war das Wetzlarer Unternehmen vor allem für seine Mikroskope bekannt gewesen. Das sollte sich nun ändern. Die Leica revolutionierte die Firma, die Fotografie - und den Journalismus gleich mit. Dank ihrer Schnelligkeit und Diskretion wurde sie zur Geburtshelferin der modernen Fotoreportage. Wer sie bei sich trug, war Teil des Geschehens, nicht mehr unbeweglicher Beobachter.

Schnell entdeckten die Fotografen ihre Liebe zur Leica - und bekannten sich häufig auch noch dazu, als die Welt seit den fünfziger Jahren mit Spiegelreflexkameras aus Japan überschwemmt wurde. Die Liste ihrer Besitzer verzeichnet große Namen wie Gisèle Freund, Henri Cartier-Bresson oder Robert Capa. Manchmal freilich wurde das Bild berühmter als sein Urheber wie im Fall des kubanischen Fotografen Alberto Diaz Gutierrez Korda, dessen Portrait von Che Guevara zur Ikone der sechziger Jahren aufstieg. Auch dass es mit einer Leica geschossen wurde, erfuhren die meisten erst durch die Werbekampagne, die der Hersteller im vergangenen Jahr mit dem Motiv startete.

Da inzwischen die meisten Pressefotografen doch auf die schnellere Autofocus-Technik umgeschwenkt sind, registriert man es bei Leica mit Genugtuung, dass auch die Gegenwart noch Lorbeeren abwirft: Pünktlich zum Jubiläumsjahr erhielt der dänische Leica-Fotograf Claus Björn Larsen für sein Foto aus dem Kosovo-Krieg die Auszeichnung für das internationale Pressefoto des Jahres.

Film im "Leica-Format"

Schon vor dem Ersten Weltkrieg, zwischen 1913 und 1914 baute Barnack den ersten Prototypen, der alle technischen Besonderheiten des Serienmodells aufwies: Metallgehäuse, versenkbares Objektiv, Verschlussspannung mit gleichzeitigem Filmtransport - und vor allem das neue Filmformat von 24 mal 36 Millimetern. Es ergab sich aus einer Verdoppelung der Bild-Abmessungen beim Kinofilm, dessen vergleichsweise feines Korn sich Barnack bei seiner Entwicklung zu Nutze machte.

Eine wichtige technische Innovation wurde indessen erst einige Jahre nach dem Verkaufsstart verwirklicht: Erst mit Einführung von Wechselobjektiven 1930 und des Schraubgewindes ein Jahr darauf entwickelte sich die Leica zur Systemkamera. 1954 wurde das Schraubgewinde durch ein erheblich schnelleres Bajonett mit hörbarem Einrasten ersetzt. Gleichzeitig erhielt die grundlegend modifizierte Baureihe das Kürzel, das sie noch heute in sechster Generation trägt: M wie Messsucherkamera.

Von der aktuellen M6 hat das inzwischen nach Solms bei Wetzlar umgezogene Unternehmen zum 75. Leica-Geburtstag ein Sondermodell auf den Markt gebracht, das dem ohnehin nostalgischen Erscheinungsbild mit einer schwarzen Lackierung im Stil der frühen Jahre die Krone aufsetzt. Die auf 2000 Exemplare limitierte Sonderserie sei nach einer Woche ausverkauft gewesen, so Leica-Sprecher Gero Furchheim.

Die Spiegelreflex geht nicht so gut

Da gleichzeitig die Spiegelreflex-Baureihe mit dem voluminösen Spitzenmodell R8 ein wenig schwächelt, hat sich der Klassiker zur wichtigsten Säule des Leica-Programms zurückentwickelt: Rund 15 000 Stück wurden von ihm 1999 verkauft. Folgerichtig werden bei dem zuletzt in die Krise geratenen Unternehmen Überlegungen angestellt, die M6 zum Mittelpunkt einer Produktfamilie zu machen.

Jenseits der Nostalgie gibt es handfeste Vorteile, die Fotografen unverdrossen zur Leica greifen lässt: Sie funktioniert auch ohne Batterien, verfügt über einen extrem leisen Auslöser, hat Anschluss an eine Palette hervorragender Objektive und gilt überhaupt als unverwüstlich. Ihre treuesten Freunde fassen die Leica indessen nur mit Glacéhandschuhen an: die Sammler. Rund 3000 gebe es davon weltweit, schätzt Leica-Händler Lars Netopil aus Wetzlar. Vor allem bei Feinmechanik-Fans in Fernost genießt die Leica Kultstatus.

Das drückt sich auch darin aus, dass jüngst zwei japanische Sucherkameras auf den Markt gekommen sind, die dem deutschen Klassiker optisch und technisch Reverenz erweisen: So ist die Konica Hexar RF mit dem M-Bajonett kompatibel, die bei Cosina produzierte Voigtländer Bessa R kann mit alten Schraubgewinde-Objektiven benutzt werden. "In Japan gilt es als große Ehre, wenn ein Produkt von anderen Herstellern nachempfunden wird", sagt Furchheim.

Mit Kopien hat die Firma Erfahrung. So bauten die russischen Hersteller Fed und Zorki in den fünfziger Jahren Leica-Modelle aus der Vorkriegszeit nach. Sie sind heute zu Preisen um die 200 Mark auf Flohmarkt-Ständen osteuropäischer Händler anzutreffen. Viele tragen darüber hinaus Fantasie-Inschriften, die sie als Stücke aus deutschen Wehrmachtsbeständen ausweisen. Aber Fälschungen sind für den Kenner schnell auszumachen.

Tobias Wiethoff

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