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Gesundheit: Die Macht der Meditation

Was bewirkt die fernöstliche Entspannungstechnik? Studien zeigen: Sie kann nicht nur die Psyche, sondern auch den Körper stärken

Lassen Sie los. Lassen Sie Ihre Gedanken gehen. Hören Sie auf, sie kontrollieren zu wollen. Lassen Sie sie einfach an sich vorbeiziehen – „als würden Sie auf einen vorbeiströmenden Fluss sehen“, wie es der Dalai Lama formuliert.

Vergessen Sie gestern und morgen.

Achten Sie auf Ihre Atmung.

Es gibt nur noch Gegenwart.

Ruhe.

Sie meditieren, omm ...

„Was soll das?“, hätten Sie vor wenigen Jahren vielleicht an dieser Stelle gefragt. Meditation – das galt lange als exotische, um nicht zu sagen esoterisch angehauchte Beschäftigung für Liebhaber fernöstlicher Philosophien.

Doch einst fremde Trance-Techniken sind vielen von uns vertraut geworden, mehr noch: Sie werden zum Trend. „Die Leute entdecken die eigene Seele als Ort der Entspannung“, stellt etwa Michael Utsch fest. Der Psychologe beobachtet an der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin die alternativen Psychoheilmethoden im Lande. „Es ist erstaunlich, wie stark ihre Popularität zugenommen hat.“ Beispiel Meditation:

Anfang der 70er Jahre gab es gerade mal 15 buddhistische Gemeinschaften in Deutschland. Jetzt sind es mehr als 600.

Ende der 80er Jahren bewertete nur ein Drittel der Deutschen die Meditation als Entspannungsmethode positiv, wie eine Allensbacher Umfrage ergab – 2002 war es bereits die Hälfte.

Meditation, autogenes Training, Biofeedback, Gestalt-, Musik-, Urschreitherapie, Schamanismus – an Angeboten, unserer stressgeplagten Seele zu helfen, fehlt es nicht. Doch was taugen die Techniken?

Zunächst gilt: Wenn die Seele leidet, ist es ratsam, einen konventionellen Experten zu Rate zu ziehen, „einen Arzt oder Psychotherapeuten“, sagt der Psychologe Hansjörg Hemminger, Weltanschauungsbeauftragter der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Entspannungsmethoden, wie die Meditation, wurden nämlich nicht als Heilverfahren entwickelt. „Sie sind keine Medizin, sondern Teil einer Weltanschauung.“

Und doch können auch sie eine heilsame Wirkung auf Seele und Körper entfalten – ein Schluss, zu dem neuerdings sogar die Wissenschaft kommt. Am besten untersucht sind die Meditation und die Hypnose.

Vor wenigen Monaten etwa wies der US-Psychologe Richard Davidson von der Universität von Wisconsin in einer Aufsehen erregenden Studie die Heilkraft der fernöstlichen Entspannungstechnik nach. Der Forscher verordnete 25 Angestellten einer Biotech-Firma acht Wochen lang ein Meditationsprogramm. Danach maß er die Hirnaktivität seiner Versuchskaninchen. Zusätzlich bekamen alle eine Grippe-Impfung.

Ergebnis: Diejenigen, die meditiert hatten, zeigten – im Vergleich zu einer Kontrollgruppe – eine deutlich erhöhte Aktivität ihrer linken Hirnhälfte. Wie man aus anderen Studien weiß, geht Erregung im linken Stirnhirn mit seelischer Ausgewogenheit und Glücksgefühlen einher. So ließ Davidson auch einen tibetischen Mönch aus Asien einfliegen, der mehr als 10000 Meditationsstunden hinter sich hatte. Als er die Hirnströme des Mannes testete, machte der Wissenschaftler eine Entdeckung, die selbst ihn verblüffte: In zwei Jahrzehnten seiner Forschung hatte er noch nie eine derart hohe Aktivität im linken Stirnhirn gemessen. Eine stärkere Erregung in diesem Hirnbereich führt dazu, dass wir negative Gefühle, wie Angst und Ärger, besser in Schach halten können. Die mentale Abwehrkraft steigt.

Und mit ihr die körperliche, wie Davidson beobachtete. Als der Wissenschaftler seinen Probanden wenige Wochen nach der Impfung eine Blutprobe entnahm, stellte er fest, dass bei den Meditierenden die Impfung besser angeschlagen hatte: Im Vergleich zur Kontrollgruppe hatten sie eine höhere Zahl von Antikörpern. „Unsere Befunde zeigen, dass selbst ein kurzes Meditationsprogramm nachweisbare Effekte auf Gehirn und Immunsystem hat“, so das Fazit des Forschers.

Nicht nur die Meditation, auch die Hypnose wird heute von der Forschung unter die Lupe genommen. Hypnose ist das älteste Verfahren der Psychotherapie. Von Schulmedizinern lange als Hokuspokus abgetan, findet sie nun in Arztpraxen und Kliniken immer mehr Beachtung – etwa als Ergänzung der Anästhesie. „Wenn es der Patient wünscht, verzichten wir nicht nur bei ausgedehnten Kieferbehandlungen auf eine Vollnarkose“, sagt der Chirurg Dirk Hermes von der Universität Lübeck. „Auch Tumoroperationen und wiederherstellende Eingriffe im Gesicht können in örtlicher Betäubung unter Hypnose durchgeführt werden.“ Mit einer ruhigen Stimme und Musik lässt sich die überwiegende Mehrzahl der Patienten in Trance versetzen. Die Wahrnehmung verändert sich, es kommt zu einer „völligen Umdeutung der Situation“, wie Hermes sagt. „Ein Patient, dem wir 17 Zähne gezogen haben, war in der Hypnose so mit seinem Türkeiurlaub beschäftigt, dass er nicht bemerkte, wie wir mit Zangen und Fräsen in seinem Mund gearbeitet haben.“

Wie ist das möglich? Forscher der Universität Jena sind dem Rätsel der Hypnose auf die Schliche gekommen. In einem Versuch gaben sie Probanden mit einem Laser Reize auf die Hand und fragten sie, wie schmerzhaft sie diese empfanden. Zugleich registrierten sie die Hirnströme ihrer Versuchspersonen. Einige der Probanden wurden mit einem Kriminalhörspiel vom Schmerz abgelenkt, andere hypnotisiert. Es zeigte sich: Sowohl die Ablenkung als auch die Hypnose verringerten den Schmerz. Während aber das Schmerzsignal im Hirn bei denen, die mit dem Krimi abgelenkt wurden, verringert war, war es bei den Hypnotisierten so groß wie sonst auch. „Dafür war bei ihnen die Kommunikation zwischen bestimmten Hirnteilen unterbrochen“, sagt der Studienleiter Wolfgang Miltner. Es ist, als würde unter Hypnose das Schmerzsignal zwar noch registriert. Es wird aber nicht mehr als schmerzhaft eingestuft.

Biofeedback eignet sich für die Behandlung von Migräne, autogenes Training hilft bei Schlafstörungen, Massagen lindern Depressionen (siehe Texte rechts). Immer mehr stellen sich alternative Techniken als sinnvolle Ergänzung zur „Schulmedizin“ dar. So wächst zusammen, was zusammengehört.

Die nächste Folge zum Thema „Kneipps Erben“ erscheint am Mittwoch, den 31. März.

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