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Gesundheit: Die Studentenfilmtage zeigen 148 Filme von Nachwuchsregisseuren

Der Zuschauer wird von der ersten Sekunde an in die Geschichte hineingezogen. "Hartes Brot" von Nathalie Percillier ist ein Film, an dessen Schnitten man nicht hängenbleibt.

Der Zuschauer wird von der ersten Sekunde an in die Geschichte hineingezogen. "Hartes Brot" von Nathalie Percillier ist ein Film, an dessen Schnitten man nicht hängenbleibt. Ein Film, der gleichmäßig fließt. Er zeigt die letzten Arbeitsminuten einer Frau in einer Großbäckerei bis zur Entlassung. Und man kann annehmen, dass es zugleich ihre ersten sind - jedenfalls kennt sie sich noch nicht aus in der riesigen Halle. Kennt sich nicht aus mit der Brotbackmaschine und kann auch nicht mit den grimmigen Gesichtern ihrer Kolleginnen umgehen. Sie backt ein hartes Brot, ein Brot, mit dem man einen Menschen erschlagen könnte. Ab zur Chefin. Kündigung. Und doch klimpert sie am Ende glücklich mit den Äugelein, weil auch der Lohnautomat nicht ganz richtig tickt ...

"Hartes Brot", Percilliers Abschlussfilm an der Deutschen Film- und Fernsehakademie, ist ein Beispiel für das handwerklich gut gemachte Kino auf den am Donnerstag beginnenden "Sehsüchten". Die Französin will weder provozieren noch strapazieren, sondern die Aufmerksamkeit des Zuschauers mit einer gut erzählten Geschichte fesseln. Dieser Sieben-Minuten-Film mit Hang zum Absurden wurde bereits auf einigen Festivals gezeigt, auch auf der diesjährigen Berlinale, und errang mehrere Preise. Auf den "SehSüchten" läuft der Film in der Reihe "Viel Erfolg!", Freitag, 18 -20 Uhr.

Man hat erwartet, dass das digitale Kino, nach den Erfolgen der Dogma-Filmer, sich gerade in der Nachwuchsszene rasant ausbreiten würde. Das Programm der "SehSüchte" zeigt jedoch, dass nach wie vor am liebsten zum 35-mm-Material gegriffen wird. Tillmann Allmer, einer der Festival-Veranstalter, findet es "ziemlich erstaunlich, dass die Nachwuchsfilmer ein solch geringes Interesse an der neuen Digitaltechnik zeigen". Ganze zwei Filme wurden mit der Digitalkamera gedreht. Die klassische Aufnahmetechnik stehe also weiterhin hoch im Kurs - ebenso die "konventionellen Genres".

Im Block "Volljährig" (Donnerstag, 18-20 Uhr) geht es um Probleme des Älterwerdens. Hier läuft auch der sehr gut gedachte, doch nicht ganz so gut gemachte Dokumentarfilm "How time flies" von Sigrun Köhler und Wiltrud Baier über einen fast 100jährigen Bauern, der auf dem Küchentisch Fliegen erschlägt, während er über den Tod nachdenkt ("Wenn man früh stirbt, wird man nicht so alt"). Auch der Kriminalfilm ist ungewöhnlich stark vertreten, so dass die Veranstalter ihm einen eigenen Block widmen ("Tatort", Freitag 22-24 Uhr). Science-Fiction-Freunde kommen in der Reihe "Captain Future" (Donnerstag 20-22 Uhr) auf ihre Kosten. Komödienzeit ist bei "Wilde Herzen", Sonntag 18-20 Uhr.

Doch Genrefilme sind nicht alles. Ein Filmfestival will auch Experimente ins Licht stellen, will an unseren Augen und Sehgewohnheiten kratzen. Und deshalb zeigt es uns auch diesen hier. "Der letzte Pionierauftrag." Regisseur Sebastian Geschwandtner, der Germanistik studiert, ist filmischer Autodidakt. Er ist mit seinem Experimentalfilm auch deswegen ein Außenseiter, weil er sich eines politischen Themas annimmt. "Ein Pionier ist immer stark, allzeit bereit, zu allem bereit". Die Erzählerstimme aus dem Off zitiert Selbsthymnen aus dem Handbuch für Pioniere, dazu Gedichte, Kommentare. Ein fortlaufender Text wie eine innere Stimme, die den Pionier in der LPG "Sonnenschein" an den Rand des Wahnsinns treibt. Immer nur helfen, bereit sein. Will er das wirklich? Bei der Suche nach Antwort geht es blutig zur Sache; die Schlachtung eines Schweins ist zugleich Schock- und Wendepunkt. Rot wie das spritzende Blut ist schließlich der Mercedes, in dem der Held ins neue System fährt.

"Es ist natürlich auch ein bisschen Ostverarbeitung", sagt der Regisseur über seinen 25-minütigen Film, der auf Super-8 gedreht, auf Video überspielt und nachträglich digital bearbeitet wurde. Es soll aber "keine Ost-Verurteilung" sein. Ihm geht es um ein "generelles Problem". Inwieweit ist uneigennütziges Tun im Menschen angelegt? Ist Solidarität gar ein Selbstbetrug? Darüber - und über weitere Filme des "Zündstoff"-Blockes (Sonntag, 12 Uhr 30 im fx-Center) - wird um 15 Uhr das "Cineastische Quartett" diskutieren, eine Kritikerrunde mit Michael Strauven (SFB) und Anke Leweke (ORB). Das Publikum darf sich bestätigen, aufregen oder einfach unterhalten lassen.

Die Film-Blöcke im Studiokino beginnen, Donnerstag bis Sonntag, jeweils um 13, 15, 18, 20 und 22 Uhr. Einzelkarte 8 (ermäßigt 6) Mark, Tageskarte 20 (15) Mark, Dauerkarte 70 (50) Mark. Täglich ab 22 Uhr wird getanzt. Das Studiogelände Babelsberg erreicht man mit dem Bus 696 ab S-Bahn Griebnitzsee. Infos, auch zu den Fachdiskussionen (wie über den neuen Berlin-Film oder das Leid von Drehbuchautoren), unter www.sehsuechte.de

Tom Heithoff

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