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Gesundheit: Die studentischen Hilfkräfte führen in Grundbegriffe ihrer Fächer ein und helfen bei Studienproblemen

"Auch wenn du denkst, es ist völliger Unsinn - lass deine Phantasie spielen und sei mutig," sagt Jens. Die Tafel ist voller Formeln und Kurven.

"Auch wenn du denkst, es ist völliger Unsinn - lass deine Phantasie spielen und sei mutig," sagt Jens. Die Tafel ist voller Formeln und Kurven. Davor steht Andreas und grübelt. "Schön wäre es, wenn du dir beim nächsten Mal die Tafel besser einteilst. Du verlierst dann nicht so schnell den Überblick", sagt Jens. Er ist Tutor für Mathematik an der Freien Universität Berlin. Dreimal in der Woche bespricht er mit elf Studenten aus dem Grundstudium die Übungszettel, die sein Professor in der Vorlesung austeilt. Heute geht es um die Interpretation der "Dynamischen Systeme", mit deren Hilfe erfahrene Rechenkünstler zum Beispiel Temperaturentwicklungen in Reaktoren voraussagen können. Kunst kommt von Können!

In der Hochschule der Künste sitzt Christopher zwischen Instrumenten und wartet. Nach einer Viertelstunde sagt er resigniert: "Für die Übung gibt es keinen Schein. Wenn die Studenten am Ende des Semsters zuviel zu tun haben, springen sie ab." Seit einem halben Jahr unterrichtet er Klavierimprovisation im Studiengang Musiktherapie. "Wir machen hier ganz einfache Musik, eine Art meditatives Klavierspielen", erklärt er. "Zum Beispiel nur auf den weißen oder den schwarzen Tasten." Seine Chefin, Professor Mechthild Jahn-Langenberg, betont den hohen Schwierigkeitsgrad der Aufgabe: "Er soll grundlegende Techniken der Improvisation vermitteln. Diese Fertigkeiten brauchen die zukünftigen Musiktherapeuten, um Patienten mit verschiedenen Instrumenten anzuleiten." Christopher unterrichtet in einem Weiterbildungsstudiengang. So stammen seine "Schüler" aus unterschiedlichen Fachgebieten und sind zwischen 25 und 50 Jahren alt. Das erfordert Einfühlungsvermögen und Flexibilität. Er muss sowohl Musikern als auch Medizinern, die zum ersten Mal am Klavier sitzen, Lust aufs Üben machen.

Jens und Christopher sind zwei von rund 3000 Tutoren an den Berliner Hochschulen. Christopher kam dabei ohne lange Bewerbungsverfahren zu seinem Job. "Einer meiner Professoren hat mich empfohlen", erzählt er. Wie in seinem Fall werden viele freie Stellen unter der Hand vergeben, die Professoren suchen sich ihre Lieblingsstudenten schon vor den offiziellen Bewerbungsrunden aus. Christopher resümiert nach einem halben Jahr: "Der Job macht mir Spaß, vor allem wenn ich merke, dass die Studenten vorankommen. Auf Dauer wäre es mir aber zu einseitig, nur Klavierlehrer zu sein. Auf jeden Fall bringt es mir mehr, als irgendein Büro-Job."

Eine Tätigkeit als Tutor bietet handfeste Vorteile, die das eigene Studium erleichtern. Wissenschaftliche Arbeitsmethoden wie Literaturrecherche, Bibliographieren oder das Anfertigen von Exzerpten gehören zum Arbeitsalltag. Auch auf inhaltlicher Ebene profitieren sie von dem Job. "Ich habe gelernt, meine Gedanken klarer zu strukturieren und zu formulieren. Und ich habe erkannt, dass viele Studenten die gleichen Schwierigkeiten haben, die ich damals hatte", sagt Sibylle Salewski, Tutorin für Erkenntistheorie im Fach Philosophie. Sie begreift ihr Tutorium als Gedankenaustausch, als "sokratischen Dialog" zwischen Studierenden. "Ich bin nun eher so etwas wie eine Moderatorin, die zwischen dem Professor und den Studenten vermittelt." Ansonsten reicht das Aufgabengebiet vom Abtippen von Literaturlisten bis zu anspruchsvoller Lehrtätigkeit. Aber gegen Ende des Studiums kann der zeitintensive Job zur Überforderung führen - wie im Fall von Jens. Er klagt: "Manchmal denke ich, ich kümmere mich nicht genug um die Studenten. Aber ich schreibe gerade meine Diplomarbeit und habe mit dem Job eine stressige Doppelbelastung."

Damit der Job nicht in ungeahnte Dimensionen ausufert, sollten Interessenten beim Abschluss der Arbeitsverträge aufpassen. Matthias Jähne von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft beklagt eine allgemeine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. An der Medizinischen Fakultäten der HU und FU würden zum Teil Halbjahres-Verträge über 20 Stunden geschlossen, obwohl klar sei, dass das Arbeitsaufkommen mehr Zeit beanspruche. Es komme auch vor, dass Studenten ganz ohne Vertrag arbeiten. Gute Chancen auf einen Tutoren-Job haben vor allem Studierende aus den Fachbereichen Informatik und Betriebswirtschaft, wie Karin Hille vom Personalrat der TU erklärt. "Gerade Informatik-Studenten verdienen in der freien Wirtschaft bis zu 70 Mark pro Stunde", sagt sie. Allen übrigen bleibt der Trost: Berliner Tutoren verdienen pro Stunde rund doppelt soviel wie ihre Münchner Kollegen und etwa 30 Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt.

Sonja Kastner

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