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Gesundheit: Die Universität kommt in die Volkshochschule

Weiterbildungs-Institute wollen attraktiver werden

Der Brandenburgische Bildungsminister Holger Rupprecht hat die Volkshochschulen (VHS) gegen sich aufgebracht. Für die deutlich zurückgegangenen Teilnehmerzahlen an VHS-Kursen in seinem Land hatte Rupprecht kürzlich die sinkende Bereitschaft der Menschen verantwortlich gemacht, in ihre Fortbildung zu investieren. Die Volkshochschulen beriefen sich auf sinkende Landeszuschüsse, die zu weniger Anmeldungen geführt hätten. Ministeriumssprecher Thomas Hainz stimmt der Kritik nur teilweise zu: Durch die Kürzungen hätten zwar die Teilnehmerbeiträge erhöht werden müssen. Aber das nachlassende Interesse an den VHS-Angeboten sei auch damit zu erklären, dass „die Volkshochschulen auch lange gebraucht haben, sich von einem etwas angestaubten Image zu befreien“.

Auch in Berlin gehen die Teilnehmerzahlen zurück, allerdings weniger dramatisch als in Brandenburg. Eine sinkende Nachfrage hat Bernd Hölters, Leiter der VHS im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, nicht festgestellt, im Gegenteil: „Wenn uns weniger Geld zur Verfügung steht, können wir weniger Kurse anbieten. Sinkende Teilnehmerzahlen sind dann eine logische Folge.“ Das Problem sei dem Berliner Senat bekannt, sagt Peter Scholz vom Referat für Weiterbildung und Lebenslanges Lernen. Die Brandenburger Sichtweise teile er daher nicht: „Wenn man das Angebot stark zurückfährt, darf man sich über sinkende Teilnehmerzahlen nicht wundern.“

Bundesweit leiden die VHS unter Finanzproblemen. Seit Jahren steige der Anteil der Teilnehmerbeiträge an der Gesamtfinanzierung, erklärt Bernd Passens vom Deutschen Volkshochschul-Verband (DVV). Viele VHS-Direktoren berichten von Arbeitslosen, die sich wegen der Kosten gegen einen Kurs entscheiden. Aber auch die Volkshochschule in einer wirtschaftlich starken Region wie Böblingen-Sindelfingen muss seit 2003 sinkende Teilnehmerzahlen hinnehmen. „Die Leute wollen heute viel genauer wissen, was sie aus den Kursen mitnehmen“, hat Direktor Christian Fiebig beobachtet. Einen deutlichen Rückgang gab es bei den EDV-Kursen, hier gebe es wohl kaum noch Nachholbedarf.

Wie stellen sich die Volkshochschulen auf aktuelle Anforderungen ein? Man wolle die enge Definition von beruflicher Bildung aufgeben, sagt Bernd Hölters. Sprachen oder neuere Computeranwendungen wie Linux gehören für ihn auf jeden Fall zur beruflich relevanten Weiterbildung, auch ohne direkten Bezug zur Arbeitswelt des Teilnehmers. Häufig geforderte soft skills wie Kommunikationsfähigkeit, Kreativität oder Gruppenkompetenzen könnten die Teilnehmer aus fast allen Kursen mitnehmen, sagt Bernd Passens, beim Volkshochschul-Verband Referent für den Bereich berufliche Weiterbildung.

Grundsätzlich scheint es in Deutschland an einer Weiterbildungskultur zu mangeln. Vor allem die Männer sind wahre Fortbildungs-Muffel. In Böblingen-Sindelfingen etwa stellen sie nur dreißig Prozent der Kurs-Teilnehmer. „Der Gedanke vom lebenslangen Lernen ist bei uns noch nicht weit verbreitet“, stellt Direktor Christian Fiebig fest. Eine Antwort darauf will die „VHS-Universität“ geben, an der sich die Böblinger beteiligen. An den teilnehmenden Volkshochschulen werden Uni-Vorlesungen live übertragen. Das Angebot kommt vor allem bei älteren Leuten gut an, neben Geistes- und Literaturwissenschaften sind auch Naturwissenschaften und Technik gefragt.

„Am schwierigsten zu erreichen sind für uns bildungsferne Schichten“, sagt Christian Fiebig. Dazu gehörten in vielen Fällen auch Langzeitarbeitslose. Über Teilnehmer aus vom Arbeitsamt finanzierten Kursen seien die Volkshochschulen auch nicht immer glücklich, gibt Barbara Reiche zu, Leiterin der Volkshochschule Ücker-Randow in Mecklenburg Vorpommern. Sie seien oft unmotiviert.

Um ihre Teilnehmerzahlen müsse sie sich allerdings keine Sorgen machen, sagt Reiche. Sehr gefragt seien Polnisch-Kurse – vom Grundkurs bis zum Wirtschaftspolnisch. Durch die Grenzlage zu Polen kommt die VHS in den Genuss von EU-Fördermitteln für die Sprache der Nachbarn.

Polnischkenntnisse garantieren keinen Arbeitsplatz, erweitern aber in jedem Fall den Horizont der Teilnehmer – ein grundsätzliches Anliegen der Volkshochschulen. Das bundesweite Programm „Profil-Pass“, an dem unter anderem auch Sport-Vereine teilnehmen, soll den Teilnehmern ihren Horizont bewusst machen. Dabei geht es auch darum, soft skills zu dokumentieren, die bei den Unternehmen gefragt sind.

Volkshochschulen müssten aber darauf achten, nicht zu große Hoffnungen auf einen unmittelbaren Erfolg auf dem Arbeitsmarkt zu wecken, warnt Bernd Hölters von der VHS in Friedrichshain-Kreuzberg. Das könne zu einer Resignation der Teilnehmer führen. Stattdessen sei es wichtig, Aspekte wie Teamgeist oder Kreativität zu betonen. „Lebensbegleitende Weiterbildung“ müsse das Ziel sein.

Ohnehin sollten sich die VHS nicht auf eine Rolle als Dienstleister für berufliche Bildung einschränken lassen, sagt Bernd Passens vom DVV: „Wir sind in allen Bereichen vertreten und wollen auch unser kulturelles Profil betonen.“

Simon Wolf

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