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Gesundheit: Die Vorläufer der Technischen Universität mitgerechnet, kann die Hochschule 100 Jahre Promotionsrecht zelebrieren

Genau 200 Jahre Bauakademie und 100 Jahre Promotionsrecht: Die Technische Universität (TU) Berlin hat allen Grund zu feiern. "Mit unseren Vorläufern sind wir die älteste Universität in Berlin", meinte TU-Präsident Hans-Jürgen Ewers auf dem Festakt im Audimax.

Genau 200 Jahre Bauakademie und 100 Jahre Promotionsrecht: Die Technische Universität (TU) Berlin hat allen Grund zu feiern. "Mit unseren Vorläufern sind wir die älteste Universität in Berlin", meinte TU-Präsident Hans-Jürgen Ewers auf dem Festakt im Audimax. "Doch die Geschichte allein reicht nicht. Ohne Vision für die Zukunft werden wir im internationalen Wettbewerb nicht bestehen." 1799 war die Königliche Bauakademie gegründet worden, die 80 Jahre später zusammen mit der Königlichen Gewerbeschule zur Königlich Technischen Hochschule (TH) Charlottenburg vereinigt wurde.

Anlässlich der Hundertjahrfeier der TH im Jahre 1899 hatte Kaiser Wilhelm II. den technischen Hochschulen Preußens das Promotionsrecht für Ingenieure verliehen. Präsident Ewers nutzte den Anlass, um ein Bild von der Zukunft der TU zu entwerfen. "Die Universitäten müssen sich wieder auf die wissenschaftlich-technische Elite besinnen", sagte er. "Die meisten Studenten werden künftig an Fachhochschulen studieren, das wird der Regelfall des Studiums." Derzeit bilden die deutschen Universitäten 70 Prozent aller Studenten aus, die Fachhochschulen steuern nur 30 Prozent der Absolventen bei. "Dieses Verhältnis müssen wir in absehbarer Zeit umkehren", erklärte Ewers. "Die Universität soll sich auf den wissenschaftlichen Nachwuchs konzentrieren."

Der für die Forschung zuständige TU-Vizepräsident Günter Abel assistierte: "Die Nachwuchskette darf trotz der angespannten Haushaltslage nicht abreissen. Unter Umständen müssen wir einige Professuren opfern, um Reserven für Nachwuchsstellen zu schaffen." Er kündigte an, dass die TU demnächst eine internationale Graduiertenschule für angewandte Technologien gründen will. Die sogenannte "International Graduate School for Advanced Technology" wird Absolventen verschiedener Studiengänge auf ihrem Weg zur Promotion mit fächerübergreifenden Angeboten aus dem Management und den neuesten Trends in der Hochtechnologie bieten. Dabei will die TU mit der Humboldt-Universität und der Freien Universität, mit mittelständischen Unternehmen, den freien Forschungsinstituten in der Stadt und dem TU-Gründerzentrum in Wedding kooperieren. Die Graduate School wird sich thematisch an den TU-Forschungsschwerpunkten Mikrotechnik, Optoelektronik, Biotechnologie, Medizintechnik und Werkstoffe orientieren.

Künftig will die TU auch stärker in der Bundespolitik mitmischen. "Die genannten Schwerpunkte bündeln wir in interdisziplinären Forschungszentren, an denen sowohl Techniker als auch Psychologen, Manager, Politikwissenschaftler und Wissenschaftstheoretiker gemeinsam forschen", sagte Hans-Jürgen Ewers. "Auch in der Ressourcenforschung, beispielsweise für Wasser, wollen wir unsere Stärken ausbauen. Zu brisanten Themen werden wir uns verstärkt in der Öffentlichkeit zu Wort melden und politische Entscheidungsträger beraten. Als technische Universität der neuen Bundeshauptstadt haben wir da eine wichtige Aufgabe." Auch im Studium schlägt die fachübergreifende Zusammenarbeit künftig stärker durch. Jürgen Sahm, der für Lehre und Studium zuständige Vizepräsident, stellte in Aussicht, dass in wenigen Wochen für alle TU-Studiengänge neue Leitlinien gelten sollen. So werden die Ingenieurstudenten bald mehr Philosophie, Kulturwissenschaft oder Geschichte hören. "Rund ein Fünftel des Studiums geht dann über das eigentliche Fach hinaus", prophezeite Sahm.

Rückenwind erhielt das TU-Präsidium von Hans-Peter Keitel, dem Festredner der Jubiläumsfeier. Keitel ist Vorstandsvorsitzender der Hochtief AG. "Wir müssen den jungen Bauingenieuren mehr beibringen als exzellente Technik", regte er an. "Die Dominanz der Technik verursacht die mangelnde Beweglichkeit deutscher Bauunternehmen auf den internationalen Märkten." Nur zehn Prozent aller deutschen Baubetriebe würden modernen Industriestandards entsprechen, die auch neue Wege der Herstellung und Vermarktung von Gebäuden umfassen. Keitel forderte ausdrücklich: "Wir brauchen politische Ingenieure. Je weiter wir uns in Wissenschaft und Technik bewegen, desto mehr haben Entscheidungen eine ethische Dimension. Diese Entscheidungen nimmt uns niemand ab." Aus aktuellem Anlass zog er eine historische Parallele: "Das erstaunliche Nichtwissen der Bauwirtschaft zum Thema Zwangsarbeit bedrückt."

Keitel unterstützte TU-Präsident Ewers zudem in seiner Forderung nach moderaten Studiengebühren. "Die gebührenfreie Massenuniversität ist unsozial", sagte er. "Die Folge sind unvertretbare Studiendauer und hohe Abbrecherquoten. Unsozial ist auch die mangelnde Ausbildung, die Hochbegabten nur den Weg ins Ausland offen lässt. Promotionen, die länger als vier Jahre brauchen, entziehen sich jeder wirtschaftlichen Rechtfertigung."

Zehn Prozent aller Doktor-Ingenieure sind Bauingenieure. 1997 promovierten bundesweit nur 32 Frauen in diesem Fach, eine weniger als in katholischer Theologie, der Männerdomäne schlechthin.

Anlässlich des Jubiläums brachte der Verlag für Bauwesen Berlin ein Buch heraus: "Die Technische Universität Berlin und ihre Bauten". (ISBN 3-345-00661-8, 280 Seiten, zahlr. Abb., 73 Mark). Die Autoren sind Christoph Brachmann und Robert Suckale.

Heiko Schwarzburger

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