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Gesundheit: Dissidenten der DDR-Geschichte: Bernd Rabehl moderierte an der Humboldt-Uni eine Diskussion zum Streit von Harich und Havemann

Robert Havemann und Wolfgang Harich sind die wohl zwei berühmtesten Dissidenten der DDR-Geschichte. Wenn zwei berühmte Dissidenten gegeneinander stänkern, wie der Historiker Siegfried Prokop die Diskussion am vergangenen Mittwochabend in der Humboldt-Universität ankündigte, dann ist das durchaus pikant und lässt reges Publikumsinteresse erwarten.

Robert Havemann und Wolfgang Harich sind die wohl zwei berühmtesten Dissidenten der DDR-Geschichte. Wenn zwei berühmte Dissidenten gegeneinander stänkern, wie der Historiker Siegfried Prokop die Diskussion am vergangenen Mittwochabend in der Humboldt-Universität ankündigte, dann ist das durchaus pikant und lässt reges Publikumsinteresse erwarten. Die Mischung der angekündigten Referenten versprach zusätzlichen Pepp: Neben dem Ost-Zeithistoriker Prokop, 1996 von der Humboldt-Uni geschasst (oder gemobbt, aus seinem Blickwinkel jedenfalls: "Jetzt sind ja nur noch Wessis da" - was übrigens nicht stimmt), moderierte Bernd Rabehl vom Otto-Suhr-Insitut der FU. Rabehl, einst enger Mitstreiter Rudi Dutschkes und Vorzeigelinker West-Berlins, hatte in letzter Zeit mit national-konservativen Äußerungen für Aufregung gesorgt.

Doch trotz der Doppelspitze Prokop/Rabehl kamen nur zwölf Zuhörer. Das an sich brisante Treffen ähnelt so eher einem historischen Kaffeekränzchen im Gedenken an frühere Zeiten ("Als ich 1959 Philosophie an der Humboldt-Uni studierte, habe ich Havemann noch Vorlesungen halten hören", so eine Zuhörerin). Prokop wies auf die Authentizität des Ganzen hin ("An diesen Tischen wurde der Ausschluss Havemanns aus der SED beschlossen") und auch Bernd Rabehl mochte sich nur mäßig kritisch über die damalige DDR-Intelligenz äußern: "Der Auftritt Havemanns 1958 auf der dritten Hochschulkonferenz war ganz jämmerlich."

Zehn Jahre Zuchthaus

Zu dem Zeitpunkt saß Harich, eine "etwas schillernde Persönlichkeit" (Günter Kunert), bereits mehr als ein Jahr im Zuchthaus - des Umsturzversuches angeklagt, war er 1956 zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Auf dem berühmten 20. Parteitag der KPdSU im Februar 1956 hatte Nikita Chruschtschow in einer Geheimrede, die dank westlicher Medien nicht lange geheim blieb, mit dem Stalinismus abgerechnet. Der Philosoph Harich forderte daraufhin für die DDR einen Bruch mit dem System Ulbricht und einen dritten Weg des DDR-Sozialismus. Vergebens, wie sich schnell herausstellte. In die unruhige Zeit des Jahres 1956 (auch der Ungarn-Aufstand erschüttert den kommunistischen Ostblock) fällt die Auseinandersetzung der beiden Dissidenten Harich und Havemann, von denen letzterer zu dem Zeitpunkt noch ganz auf SED-Linie lag, wie Prokop ausführte.

Der Streit entzündete sich an einer Polemik des Chemikers Havemann gegen das Fach Philosophie: Dieses sei im Dogmatismus erstarrt. Durch einen "freien wissenschaftlichen Meinungsstreit mit allen Ideen" müsse der Marxismus alte Kraft wiedergewinnen. Havemanns Ausführungen gipfelten in der Feststellung: "Die Philosophie ist überhaupt keine Wissenschaft mit einem bestimmten Gegenstand" - sprich: Gegenüber den Naturwissenschaften sei die Philosophie bestenfalls zweitklassig. Diese Ansicht hielt der Philosoph Harich naturgemäß für hanebüchen. Havemann legte nach und warf den Philosophen vor, sie hätten ihr Fach durch ihren Dogmatismus zu einer "Hauptverwaltung Ewige Wahrheiten" gemacht. Inhaltlich lagen die beiden damit durchaus auf einer Linie. Schließlich wollte auch Harich die dogmatische Erstarrung des Marxismus im stalinistischen Gewand überwinden. Der Unterschied: Während Harich bereits handelte und den Sturz Ulbrichts plante, blieb Havemann trotz aller Kritik auf SED-Linie. Polemiken gegen den Dogmatismus waren nach dem 20. Parteitag der KPdSU auch in der SED "geradezu obligat", wie Prokop betonte. Havemann machte da keine Ausnahme.

Späte Solidarität

Erst im Laufe des nächsten Jahres, als Harich bereits in Haft saß, begann Havemann, sich mit seinem Widersacher zu solidarisieren. Ironie der Geschichte: Aus dem Streit Harich - Havemann lernte vor allem die SED-Führung. Denn die Inhaftierung Harichs rief so heftige internationale Reaktionen hervor, dass Havemann nach seinem Parteiausschluss 1964 zunächst nicht inhaftiert wurde. Stattdessen belegte man ihn später mit Hausarrest. Die Beziehung zwischen den beiden Dissidenten war endgültig vergiftet. Noch Jahre später bezeichnete Harich Havemann als "Agent Provocateur der Stasi", der nur um des Ruhmes willen für soviel Wirbel gesorgt habe. Beweisen konnte Harich das zwar nicht, aber: "Das ist eine Wahrheit a prori." Da mussten alle Zuhörer, Prokop und Rabehl inklusive, schmunzeln.

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