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Gesundheit: Dresden in seinen Elementen

Die Elbmetropole gehört zu den größten Forschungszentren Deutschlands. Jetzt wird sie Stadt der Wissenschaft

Das Schloss August des Starken, der Fürstenzug, die Semperoper, der Zwinger und die Hofkirche: Das ist Dresden, wie es die meisten Touristen kennen. Seit diesem Jahr kommt die wieder erbaute Frauenkirche hinzu, deren gewaltige Kuppel die Silhouette von Elbflorenz überragt. Was die meisten kunstinteressierten Reisenden nicht wissen: In diesem Jahr präsentiert sich Dresden auch als „Stadt der Wissenschaft“, unterstützt vom Stifterverband der Deutschen Wissenschaft.

Schon im Vorjahr hatte sich die Stadt an der Ausschreibung beteiligt, doch der Zuschlag ging an Bremen. Aber Dresden arbeitete weiter an seinem Auftritt. Diese Beharrlichkeit hat die Juroren beim Stifterverband in Essen offenbar überzeugt. In der zweiten Auflage machte die Elbmetropole das Rennen.

Dresden ist für den Osten Deutschlands das, was Stuttgart für den Westen bedeutet: Das frühere „Tal der Ahnungslosen“ hat in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten allein neun Fraunhofer-Institute angezogen, dazu ein Forschungszentrum für Verarbeitungsmaschinen und Verpackungstechnik und ein Zentrum für Nanotechnologie. Die Max-Planck-Gesellschaft hat drei Institute angesiedelt: für molekulare Zellbiologie, Physik komplexer Systeme und für die chemische Physik fester Stoffe. Nur München und Berlin haben mehr Institute. Die Leibniz-Gemeinschaft ist viermal vertreten, wobei das Forschungszentrum in Rossendorf besonders heraussticht. Dort erforschen rund 550 Wissenschaftler die Struktur der Materie.

Der Stifterverband unterstützt das Programm der Wissenschaftsstadt mit 120 000 Euro. Außerdem bezuschusst er jeden Spendeneuro aus anderen Quellen mit 25 Cent. Das achtköpfige Organisationsteam Dresdens setzt nun ungezählte Ideen um. Mehr als 100 Institute, Unternehmen und andere Partner müssen unter einen Hut gebracht werden. Im Frühjahr wurden die Bürger aufgerufen, ihre Ängste, Hoffnungen und Kommentare zur Wissenschaft aufzuschreiben und in große Metallkörbe zu werfen, die im Stadtzentrum aufgestellt waren. Mehr als 2000 Botschaften kamen zusammen.

Jetzt im Sommer laufen vor allem abendliche Veranstaltungen oder Sonderschauen. Vor historischer Kulisse sind über 450 Veranstaltungen geplant, mit Quizshows und unterhaltsamen Experimenten auf den Elbwiesen. Das Motto dieses Marathons lautet: „Wo Elemente sich verbinden“. Alle Fächer sind vertreten. Wissenschaft und Hochtechnologie präsentieren sich in enger Verbindung zur barocken Architektur und den Kunstschätzen, mit denen die Stadt jedes Jahr Millionen Touristen anlockt. „Mit wenigen Schritten wechselt man hier die Jahrhunderte“, sagt Norman Glen, ein 70-jähriger Biologe aus Kanada. Er sitzt in einem Café am Altmarkt, um zu verschnaufen. „Ich wollte in Dresden eigentlich nur einen Zwischenstopp machen, denn eigentlich bin ich auf Rundreise durch die alten Universitäten in Leipzig, Prag und Krakau“, sagt er. Der Vater des Biologen hat während des Krieges in England als Ingenieur gearbeitet und die Bomber repariert, die aus Deutschland zurückkehrten. Glen hat seine Reisepläne jetzt geändert. Er will auch das Hygiene-Museum besuchen, in dem gerade eine Sonderausstellung zur „Evolution – Wege des Lebens“ läuft. Außerdem will er sich einen besonderen Mozart-Abend auf den Elbwiesen nicht entgehen lassen.

In der Dresdner Südstadt, wo das Elbtal steil ansteigt, bilden die alten und neuen Institute der Technischen Universität einen Campus, der in weiten Teilen noch die Züge der Gründerzeit trägt. Von Efeu umrankte Ziegelbauten wechseln sich mit modernen Glaskästen ab. Die TU ist seit der Wende enorm gewachsen: 35 000 Studenten. Rund 8000 Mitarbeiter und 440 Professoren erfüllen die alten Gemäuer mit Leben. Die vor wenigen Jahren erbaute Universitätsbibliothek ist ein architektonisches Kleinod, das schon Preise gewonnen hat. Ganz oben auf der Südhöhe residiert die Max-Planck-Gesellschaft in futuristischen Neubauten, mit herrlichem Blick über die Stadt.

Die TU Dresden war schon in der DDR die wichtigste Technologieschmiede im Osten Deutschlands. Der Computerhersteller Robotron unterhielt in der Stadt ein großes Werk. Manfred von Ardenne, der geniale Erfinder, hatte in Dresden ein eigenes Forschungsinstitut, das heute als Ardenne Anlagentechnik firmiert. Nach der Wende stiegen große Chiphersteller wie AMD oder Infineon in die Fußstapfen der Dresdner Mikroelektronik, denn neben öffentlicher Förderung durch den Freistaat fanden sie vor allem ein hohes Potenzial an qualifizierten Mitarbeitern.

Mittlerweile arbeiten in Dresden mehrere Tausend Menschen in der Produktion von Siliziumchips, das Elbtal gilt als „Silicon Saxony“. Nach dem Krieg gab es auch starke Forschergruppen zum Flugzeugbau und zur Fahrzeugtechnik. Heute baut Volkswagen hier die Luxuslimousine „Phaeton“. Der deutsch-französische EADS-Konzern rüstet Passagierjets zu Frachtern um und stellt faserverstärkte Sandwichbauteile für Airbus-Flugzeuge her.

Norman Glen wird sich den Weg zur TU sparen, so lange Spaziergänge – da machen die Beine nicht mehr mit. Er geht lieber ins Verkehrsmuseum, das in unmittelbarer Nachbarschaft zur Kirche steht. Bevor er aufbricht, sagt er noch: „Der Barock, das ist Dresdens Vergangenheit und der Glanz dieser Stadt. Aber die Wissenschaft, das ist ihre Zukunft.“

Heiko Schwarzburger

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