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Gesundheit: Ebola: Der richtige Immunstoff-Mix schützt vor Ebola

Am 4. Dezember hatte die gabunesische Regierung den möglichen Ausbruch einer Ebola-Epidemie gemeldet - sofort schrillten bei der Zentrale der Weltgesundheitsorganisation in Genf die Alarmglocken.

Am 4. Dezember hatte die gabunesische Regierung den möglichen Ausbruch einer Ebola-Epidemie gemeldet - sofort schrillten bei der Zentrale der Weltgesundheitsorganisation in Genf die Alarmglocken. Mehrere Teams, unter anderem das der belgischen Ärzte ohne Grenzen, eilten in die abgelegene Provinz Ogooué-Ivindo, im äußersten Westen des zentralafrikanischen Landes. Ihnen wurde schnell klar, dass die Befürchtungen berechtigt waren: Mittlerweile sind 14 Menschen an dem Fieber erkrankt, das unstillbare Blutungen verursacht. Zehn sind gestorben.

Dass die Epidemie noch weitere Kreise zieht (es handelt sich um den vierten Ausbruch seit 1994), ist nicht auszuschließen. Zwar betont das gabunesische Gesundheitsministerium, man habe die gesamte Provinz abgeriegelt. Experten bezweifeln aber, dass die Abschottung erfolgreich ist. Das abgelegene Gebiet ist von dichtem Regenwald bewachsen und die Provinz hat eine mehrere Hundert Kilometer lange, kaum zu kontrollierende Grenze mit Kamerun.

Da wirksame Medikamente nicht zur Verfügung stehen, ein unterschiedlicher Krankheitsverlauf also nicht durch unterschiedliche therapeutische Maßnahmen erklärt werden kann, stellt sich die Frage, warum stets ein nahezu konstanter Teil der Kranken die Infektion überlebt hat - unabhängig davon, ob das Virus im Sudan, Kongo, Gabun oder Uganda Angst und Schrecken verbreitete. Gibt es vielleicht körpereigene Faktoren, die den Ausgang der Erkrankung bestimmen, und die Ausgangspunkt einer Behandlungsstrategie sein könnten?

Dieser Hypothese ist eine Gruppe französisch-deutscher Wissenschaftler nachgegangen. Als Studienmaterial benutzten die Forscher Blutproben, die bei früheren Ebola-Epidemien im Gabun gewonnen worden waren. Zielgruppe waren 24 Personen, zumeist Angehörige von Ebola-Opfern, die die Patienten ohne jede Schutzmaßnahmen bis zu ihrem Tod betreut hatten, und die deshalb mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit infektiösen Körperflüssigkeiten - Blut, Speichel, Schweiß, oder Erbrochenem - in Kontakt gekommen waren.

Zellproben untersucht

Die über einem Zeitraum von drei Wochen gewonnenen Serum- und Zellproben wurden mit einem ganzen Arsenal moderner Labormethoden untersucht. Es stellte sich heraus, dass Personen, die selbst nicht am Ebola-Fieber erkrankten, ein charakteristisches Muster von Immunbotenstoffen aufwiesen.

Die entzündungsfördernden Zytokine Interleukin 1-beta, Interleukin 6 und Tumornekrosefaktor-alpha waren im Blut stark erhöht. Dies galt gleichermaßen für die Chemokine - sie locken bestimmte Immunzellen an den Ort der Infektion - MCP-1, MIP1-alpha und MIP1-beta.

Interessanterweise waren diese Botenstoffe in Blutproben verstorbener Patienten nicht vorhanden, im Blut von Ebola-Kranken, die die Infektion überlebt hatten, dagegen nur leicht erhöht.

Die entzündungsfördernden Botenstoffe kann man als eine Art immunologisches Frühwarnsystem betrachten. Sie setzen eine ganze Kette allgemeiner Abwehrmechanismen in Gang, die vermutlich die ungehemmte Vermehrung des Ebolavirus in Blut- und Gefäßwandzellen unterbinden. Zumindest so lange, bis gegen einzelne Viruseiweiße gerichtete Antikörper und Immunzellen auf den Plan treten.

Damit ist erstmals der Beweis geführt, dass das Ebola-Virus auch zu einer unterschwelligen Infektion führen kann, die der Betroffene selbst nicht bemerkt. Dies wiederum hat Konsequenzen für das Vorgehen bei Epidemien. Nicht erkannte Virusträger könnten andere Personen über Blut- oder Samenflüssigkeit anstecken und so einer unkontrollierten Ausbreitung Vorschub leisten. Klar ist aufgrund der Forschungsergebnisse aus dem Gabun auch, dass nicht veränderte Formen (Mutanten) des Virus für Tod oder Überleben ursächlich waren - das schlossen die Forscher durch geeignete Methoden aus -, sondern Unterschiede in der Art der Immunantwort der betroffenen Personen.

Doch was macht das Ebola-Virus so gefährlich, dass die körpereigenen Abwehrkräfte in der Mehrzahl der Fälle wie gegen Windmühlenflügel kämpfen? In Anbetracht der verhältnismäßig einfachen Struktur des Erregers - das Virus besteht aus gerade einmal acht verschiedenen Eiweißen, die einen einfachen Strang Erbsubstanz umhüllen - müsste dieses Problem für ausgebuffte Virologen eigentlich eine Fingerübung sein. Auch unterscheiden sich die verschiedenen Subtypen - Zaire, Sudan, Elfenbeinküste und Reston - des Ebola-Virus nur im minimalen Abschnitten der gerade mal 19 000 Basen-Buchstaben umfassenden Erbsubstanz, so dass Erkenntnisse, die bei einer Variante gewonnen werden, sich auf die anderen Spielarten übertragen lassen müssten.

In der Praxis ist die Frage ungleich schwieriger zu beantworten, gelten doch für den Umgang mit dem Erreger strengste Sicherheitsvorschriften (nur P4-Einrichtungen, Labors mit dem höchsten Sicherheitsstandard, dürfen mit den Erregern hantieren), und geeignete Versuchstiere sind nicht zur Hand. Ein Durchbruch konnte hier also nur erzielt werden, nachdem die komplette Erbsubstanz des Virus entziffert war, und man nun die verschiedenen Komponenten des Erregers quasi in der molekularbiologischen Retorte en masse herstellen kann. So berichtete ein amerikanisch-deutsches Forscherteam unter der Leitung von Christopher F. Basler von der Mount Sinai School of Medicine in New York kürzlich, dass das VP35-Protein des Erregers die Bildung von körpereigenem Interferon unterdrückt.

Gefäßwände durchlöchert

Doch offensichtlich legt das Ebola-Virus nicht nur bestimmte Komponenten der körpereigenen Abwehr lahm, es zerstört auch gezielt Zellen, die ihm als Hort der Vermehrung dienen. Dies gilt besonders für die Endothelzellen, die die Innenwände der Blutgefäße wie ein Flickenteppich auskleiden. Auslösender Faktor scheint ein Hüllprotein des Virus zu sein, das durch einen hohen Anteil von Zuckermolekülen gekennzeichnet ist. Dieses Glykoprotein bewirkt an der Gefäßwand eine Art Mottenfraß. Die Endothelzellen verändern ihre Oberfläche und verlieren die engen Bindungen an ihre Nachbarzellen. Der Flickenteppich bekommt Löcher, Blut sickert zwischen den Zellen hindurch in das umliegende Gewebe.

Im Sinne des Erregers ist die Schädigung der Endothelzellen ein offensichtlicher Vorteil. Die zerstörten Zellen setzen die darin enthaltenen Viruskopien frei, die "jungen" Viren können rasch neue Zellen befallen, und das Vermehrungskarussell dreht sich immer rascher.

Neue Erkenntnisse gibt es aber auch in Bezug auf die Behandlung: Bekommen Patienten in der akuten Phase einer Ebola-Infektion eine Bluttranfusion von Personen, die das Fieber lebend überstanden haben - medizinisch gesehen ein Rekonvaleszentenserum - so steigen deren Überlebenschancen beträchtlich: von 70 Prozent sank die Sterberate auf etwa zehn Prozent.

Hermann Feldmeier

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