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Gesundheit: Ein studentisches Theaterstück thematisiert den alltäglichen Dienstleistungsterror

Die Studiobühne der Freien Universität stellt ein neues "Theaterprojekt" auf die Bühne des Moabiter Theaterdocks. Es heißt "J.

Die Studiobühne der Freien Universität stellt ein neues "Theaterprojekt" auf die Bühne des Moabiter Theaterdocks. Es heißt "J.A.". Das klingt zunächst einmal positiv, optimistisch, ja geradezu einladend. Doch das reicht in einer Kultur-Metropole wie Berlin natürlich nicht, um die Theater-Hütte voll zu kriegen. Man schreibt also eine Pressemitteilung, um auf das Stück hinzuweisen. Wer diese Einladung zu lesen bekommt, verliert allerdings jegliche Lust, das angekündigte Theater zu besuchen. "Es wird super!", steht da in selbstbewusstem Ton. Oder: "Es lohnt sich garantiert." Beim Durchsehen der Pressemappe wünscht man "viel Spaß". Und man verabschiedet sich mit "lächelnden Grüßen". Kann so etwas wirklich ernst gemeint sein? Sollte man da hingehen oder nicht hingehen? Das waren hier die Fragen.

Nach der einstündigen Aufführung, die am vergangenen Freitag Premiere hatte, war klar, dass das Gesülze nicht ernst gemeint war. Es nahm vorweg, was in der Bühnen-Performance (Regie: Julia Heimerdinger und Rahel Leupin) verspottet wird. In zwölf Bildern führen fünf Schauspielerinnen die Strategien und Sprechblasen der modernen Dienstleistungsgesellschaft vor.

Das Thema ist also der alltägliche Dienstleistungsterror. Ist das nicht Wahnsinn? Oder ist es ein Wahn, dass man glaubt, sich Erfolg antrainieren zu können wie einen größeren Muskel. Für viel Geld besuchen Studenten Seminare, in denen sie lernen, sich über den Rest der Menschheit zu erheben. "Ich bin ok, Du bist ok, solange Du bezahlst", so spricht die Chefin. Der "Verein für optimiertes Alltagsdesign" schwört auf die sportliche Formel: "Eins, zwei, eins, zwei, und immer schön nach vorne marschieren." Ja, was soll man machen, wenn man sich Kreativität, Effektivität und eine "positive Grundeinstellung" wünscht... "Wie wird man so erfolgreich wie Sie?", fragt die Schüchterne. "Indem man hundert Masken trägt", sagt die Erfolgreiche. Doch das Herz kann sie nicht betrügen. Unter den Masken wird geweint.

Mit großer Spielfreude, einigen schön gesetzten Gesangseinlagen und leider auch mancher Albernheit schlagen Nathalie Bruggey, Evi Chantzi, Sarah Jurkiewicz, Stefanie Schroeder und Juliane Schwerdtner den Bogen von Bewerbungssituationen, über Kreativ-Management-Seminare bis hin zur aktuellen "Big Brother"-Auslese. Denn so weit liegt das alles nicht von einander entfernt. Alles ist Wettkampf. Der Kampf ums Dasein wird leicht ein Kampf ums Dableiben - wie im Big-Brother-Spielkasten, wo die großen Kinder stammeln ("äh", "also", "irgendwie") und sich erwachsen fühlen dürfen, weil sie einen Konkurrenten eliminieren dürfen. In diesen Szenen gelingt es der Aufführung durch die klar und kalt gesprochenen Rausschmiss-Begründungen zu zeigen, wie nah der Wille zur Macht der argumentativen Dummheit ist.

Die Theatermacher haben übrigens etwas getan, was junge Theatermacher nicht häufig tun. Sie haben auf die Uhr geschaut. Genau eine Stunde dauert ihr flottes Verspottungsspektakel. Jede weitere Minute wäre auch wirklich fürchterlich gewesen.Weitere Aufführungen von "J.A." am 10., 11., 12. und 13. Mai (20 Uhr 30) im Theaterdock in der Kulturfabrik, Lehrter Straße 35, Moabit. Die Karten kosten 16, ermäßigt 12 Mark. Reservierung werden unter der Telefonnummer 397 54 26 entgegengenommen.

Tom Heithoff

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