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Gesundheit: Eine Hand wäscht die andere leider nicht sehr oft

Das Problem liegt auf der Hand - im wahrsten Sinne des Wortes. Trotzdem scheinen Ärzte und Pflegekräfte es oft zu ignorieren.

Das Problem liegt auf der Hand - im wahrsten Sinne des Wortes. Trotzdem scheinen Ärzte und Pflegekräfte es oft zu ignorieren. Sind sie es doch, die Infektionen in Kliniken und Pflegeheimen häufig mit den Händen von Patient zu Patient weitergeben. Die Händedesinfektion wird noch immer vernachlässigt, mahnt der Berliner Hygienespezialist Henning Rüden. Gemeinsam mit seiner jetzt in Hannover lehrenden Kollegin Petra Gastmeier organisierte er vergangenes Wochenende den 6. Berliner Workshop für Krankenhaushygiene.

Auch Sebastian Lemmen, Hygieniker am Aachener Universitätsklinikum betont, dass die Hälfte aller Komplikationen einer stationären Behandlung noch immer auf Infektionen beruhen. Nach europäischen Studien treffe sie acht bis zehn Prozent aller Klinikpatienten, berichtete der englische Mikrobiologe Michael Emmerson (Nottingham).

Der Löwenanteil, etwa 80 Prozent, sind Wundinfektionen frisch Operierter, Harnwegsinfekte, Lungenentzündungen und Blutvergiftungen, gefördert durch Katheter. Das Spektrum zeigt: Sie können relativ harmlos sein und "nur" den Klinikaufenthalt verlängern - oder auch zum Tode führen.

Zu den wichtigsten Ursachen für schwere Infektionen, die man nicht in den Griff bekommt, gehört der ungezielte Gebrauch von Antibiotika. Je mehr davon angewendet werden, desto schneller werden die Bakterien dagegen resistent. Und immer mehr Krankheitserreger sind schon "multiresistent", widerstehen also gleich mehreren Substanzen. Sorgen macht den Wissenschaftlern vor allem ein Bakterium, das die Ursache für vielerlei im Krankenhaus erworbene eitrige Infektionen ist: der Methyzillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA), eine genetische Variante, die aus unbekannten Gründen im Süden Europas häufiger ist als im Norden.

Es gebe noch keine wissenschaftlich gesicherte Methode, um die Verbreitung dieses Keims zu verhindern, berichtete Andreas F. Widmer (Abteilung für Spitalhygiene des Kantonsspitals Basel). Die Isolierung der Betroffenen habe ebenso wenig genützt wie ein Berufsverbot für die von dem zähen Keim besiedelten Mitarbeiter. Eine der vielen noch offenen Fragen, die auf dieser Tagung aufgeworfen wurden. Die war im Wesentlichen eine kritische Bestandsaufnahme der Prävention von Krankenhausinfektionen sowie der Forschung und Lehre in der Krankenhaushygiene.

Dieses "Dienstleistungsfach" für die klinische Medizin hat sich wissenschaftlich rasch entwickelt, wie die Zahl der Lehrstühle, Forschungsprojekte und Publikationen zeigt. Die erarbeiteten Methoden zur systematischen Erfassung und Prävention von Infektionen sind jetzt aber auch in den alltäglichen Arbeitsablauf der Krankenhäuser eingefügt. Mehr oder weniger erfolgreich, je nachdem, wie gut es den Hygieneärzten und -fachschwestern gelingt, das Personal für die Infektionsverhütung zu motivieren und von Verfahren zu überzeugen, deren Nutzen wissenschaftlich belegt ist.

"Schreibtischtäter" sind für diesen Job unbrauchbar, zeigten die Vorträge dieser Tagung. Wie bringt man etwa die Klinikkollegen dazu, ein Beatmungssystem beim Patienten nicht mehr, wie gewohnt, täglich, sondern nur noch wöchentlich zu wechseln? Dieses von Petra Gastmeier (Hannover) genannte Beispiel steht zugleich für etwas anderes: Auf Grund ihrer Forschungsergebnisse stellen die Krankenhaushygieniker die Maßnahme direkt am Patienten immer mehr in den Mittelpunkt und lassen allgemeine Hygienevorschriften fallen, wenn sie sich als nutzlos erwiesen haben.

Diese Entwicklung einer wissenschaftlich fundierten Krankenhaushygiene hat Henning Rüden gemeinsam mit seinem Freiburger Kollegen Franz Daschner maßgebend vorgebracht. Die Tagung konnte also am Abend bruchlos in eine launige Laudatio übergehen. Rüden, der gerade sechzig wurde, ist nicht nur Forscher und Praktiker, sondern auch überzeugter und überzeugender Lehrer. Er lehrt außer am FU-Klinikum auch an den beiden anderen Berliner Universitäten - und wie! Zur Gaudi des Auditoriums projizierte sein Mitarbeiter Klaus Weist das handschriftliche Urteil eines Studenten über eine Lehrveranstaltung: "Coole Tutoren und Dozenten, endgeiler Prof."

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