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Gesundheit: Eine Riesenportion Prestige

Viel Druck, viel Ruhm: Ein Berliner Schüler hat einen Studienplatz in Yale ergattert

Er ist zu Besuch und wundert sich, wie entspannt es zugeht. Berlin ist so beschaulich, sagt Alexander Apostolopoulos, wenn er in die Wilmersdorfer Wohnung seiner Eltern sitzt. So ruhig. „Vielleicht liegt das daran, dass ich in Amerika immer Leistung bringen muss, und wenn ich hier bin, sind einfach Ferien“, sagt er. Oder Deutschland ist eben wirklich ein wenig Provinz, wenn man so wie der 19-jährige Alexander seit drei Jahren in den USA lebt, erst als Schüler, jetzt als Student an der berühmten Yale-Universität. „Ich weiß nicht“, sagt Alexander nur, wenn man ihn fragt, ob er jemals wieder zurückkehrt, „vielleicht werde ich mal Anwalt in den Staaten oder politischer Berater.“

Dabei sollte es eigentlich nur ein Jahr werden. Schulzeit in den USA. Den Horizont erweitern und eine Fremdsprache richtig gut beherrschen. Das war seinem Vater Nicolas wichtig, der aus Athen stammt, vor der Diktatur nach Deutschland geflohen ist und heute als Leiter des „E-Learning“ an der Freien Universität arbeitet. Also bewarb sich Alexander, damals in der 11. Klasse und 17 Jahre alt, an einer privaten Highschool in einer kleinen Stadt im westlichen Teil von Massachusetts. Eine gute Schule, auf die man nur mit Empfehlungsschreiben mehrerer Lehrer kommt. Der Beginn dort, im Herbst 2001, war schwierig, seine Mitschüler standen unter dem Schock des 11. September, einige hatten Angehörige unter den Opfern. Trotzdem fand Alexander an der Highschool schnell den Weg in den amerikanischen Schulalltag. Dank der Betreuung durch die „adviser“, persönliche Mentoren unter den Lehrern, die den Schülern mit Rat und Tat zur Seite standen und auch, weil es viele andere ausländische Schüler an der Schule gab, mit denen er sich austauschen konnte.

Alexander kam von einem humanistischen Gymnasium in Berlin, dem Evangelischen Gymnasium „Zum grauen Kloster“, war gut in Griechisch und Latein – altertümliches Wissen, das ihm in Amerika zunächst wenig nützte. Er musste sein Englisch vervollkommnen, um mit den amerikanischen Schülern konkurrieren zu können. Denn schon bald war klar: Er wollte bleiben. Wie die meisten seiner Mitschüler träumte er seine Highschool- Zeit lang davon, an einer der Universitäten der so genannten „Ivy League“ aufgenommen zu werden. Harvard, Yale, Princeton, Brown, Columbia, Cornell, Dartmouth oder die University of Pennsylvania sollten es schon sein. Wer es dahin schafft, hat sein Leben bereits mit einer Riesenportion Prestige begonnen. Und Aussichten auf eine berufliche Karriere, die die hohen Studiengebühren von 40000 Dollar pro Jahr – so viel ist es in Yale – bald wieder einspielen kann.

Deswegen verschulden sich amerikanische Studenten, wenn sie irgendwie können, für ein Studium an einer Elite-Universität, deswegen gibt es bereits im Vorfeld professionelle „College-Counselors“, die den gesamten Bewerbungsprozess begleiten, eine Art Image-Beratung für Schüler. Denn wichtig sind zwar die Schulnoten, und die Ergebnisse der allgemeinen akademischen Eignungstests, der so genannten SATs (Scholastic Aptitude Tests), an denen jährlich zwei Millionen amerikanische Schüler teilnehmen. Doch jede Universität kann sich ihre Studenten aus der Vielfalt der exzellenten Bewerber selbst aussuchen. Sportlichkeit, politisches Engagement, musikalische Begabung, kulturelle und familiäre Hintergründe – all das spielt eine Rolle, wenn in Harvard, Yale oder Princeton der nächste Studentenjahrgang zusammengestellt wird. Darum ist der erste Mai ein Tag voller Spannung in den USA, denn dann erst geben die Universitäten der Ivy League zeitgleich ihre Auswahl bekannt.

Von über 17000 Bewerbern an der Yale-Universität wird weniger als jeder Zehnte zugelassen. Alexander konnte sich freuen, er war einer von zwei Schülern seiner Highschool, die es an die Universität schafften, an der auch George Bush und John Kerry studiert haben. Er bekam sogar ein Stipendium, nicht für die ganzen 40000 Dollar, aber zumindest für einen Teil davon.

Nur wenige Deutsche bewerben sich bisher um einen regulären Studienplatz als „undergraduate“ an einer amerikanischen Elite-Universität, die meisten kommen über ein Austauschprogramm oder erst nach dem Examen in die USA. Im letzten Studienjahr gab es nur neun Deutsche College-Studenten in Yale, dafür etwa 140 höheren Semesters.

Für Griechisch, Latein, Alte Geschichte und Politik hat sich Alexander eingeschrieben, Cicero und Catull liest er wie andere Harry-Potter-Bücher. Die Professoren schätzen die humanistische Bildung, die er aus Deutschland mitgebracht hat. Doch eigentlich ist die College-Zeit ein Studium Generale, Kurse in Chemie und Religion gehören genauso dazu wie Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Und natürlich ein sehr großes Arbeitspensum: um Bildung, Leistung, Wettbewerb geht es nun einmal, täglich, stündlich. „Eigentlich sitze ich jede Nacht bis um zwei oder länger über den Büchern“, sagt Alexander. Am nächsten Morgen geht es um acht weiter. Für eine Freundin bleibt da keine Zeit. Dafür kann er seine Professoren, die zu den besten der Welt gehören, jederzeit anrufen. Oder ihnen mailen, und gleich eine Antwort bekommen, um Mitternacht ein Buch in der natürlich ausgezeichneten Bibliothek finden, er kann Sport machen oder Theater spielen.

Sonntag um halb eins treffen sich die Deutschen in Yale, die etwas Zeit haben, zum Brunch im „German Club“. Für eine Stunde lümmeln sie sich in Sesseln des „Calhoun College“, verspeisen Rühreier mit Speck, Waffeln mit Erdbeeren, reden über den letzten Ausflug nach New York. Bis der Erste unruhig wird. „Ich muss wieder an den Schreibtisch, drei Prüfungen diese Woche, das schaff ich nie.“ Aber irgendwie schafft man es dann doch, sagt Alexander. Einen kompletten Tag nur Ausruhen, das ginge gar nicht mehr. Und dann macht er sich auf, in die Bibliothek. Mit dem Ypsilon auf dem grauen T-Shirt und großen Plänen für die Zukunft.

Informationen im Internet: www.usembassy.de/austausch

www.yale.edu

Kirsten Wenzel

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