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Gesundheit: Elektronische Hände

Trotz Kritik: Wie Maschinen den OP-Saal erobern

Werden Maschinen den Chirurgen in Zukunft immer öfter das Messer aus der Hand nehmen? „Die Chirurgie der nächsten Jahrzehnte wird von computer- und roboterassistierten Verfahren beeinflusst sein“, schätzt Peter Schlag von der Robert- Rössle-Klinik in Berlin-Buch. Der Chirurg ist Vorsitzender der Sektion Computer- und Telematik-assistierte Chirurgie, die beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie in Berlin ein Symposium zum Thema ausrichtete.

Roboter im Operationssaal sind in Verruf geraten, seit bekannt wurde, dass Patienten nach der Einpflanzung künstlicher Hüftgelenke Muskel- und Nervenschäden davontrugen, für die ihr Anwalt einen Helfer mit dem hochgestochenen Namen „Robodoc“ verantwortlich macht.

Der Medizinische Dienst der Krankenkassen kam in einem Gutachten zu dem Schluss, die vollautomatische Fräsung sei weiterhin ein experimentelles Verfahren. Auch der Chirurg Schlag bemängelt, dass dem „Robodoc“ die wissenschaftliche Begleitung gefehlt habe. „Unser Ziel als Fachgesellschaft ist es, in Zukunft solche Fehler zu verhindern.“

Ohnehin wollen die Chirurgen keinesfalls die Hände in den Schoß legen. Ein Gebiet, auf dem es in den letzten Jahren schon beträchtliche Fortschritte gab, ist die Navigation. Markus Kleemann von der Universität Lübeck zum Beispiel lässt sich von einem Navigationssystem leiten, wenn er in der Leber Tumorgewebe entfernt.

„Wir Chirurgen stehen hier oft vor einem Eisberg: Wie die Strukturen in der Tiefe weitergehen, können wir nicht erkennen.“ Dreidimensionale, während des Eingriffs aktualisierte „Landkarten“ des Operationsgebiets sollen die Orientierung verbessern. Und damit die Chance, möglichst wenig körpereigene Strukturen zu verletzen – und das auch in der Tiefe. „Es genügt dafür nicht, wenn wir heute auf minimal-invasive Verfahren mit kleinen Schnitten setzen“, sagt Schlag.

Besonders wichtig ist Präzision in der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie. Bei diffizilen Operationen im Kopfbereich könne man dank der Navigationssysteme minimale Zugänge wählen, die „früher wegen fehlender Übersichtlichkeit nie in Frage gekommen wären“, erläuterte beim Kongress Stefan Hassfeld von der Universität Heidelberg. „Von der Planung bis zur individuellen Bohrschablone“ spiele der Computer auch bei Zahn-Implantaten eine wichtige Rolle. Überhaupt sei die Navigation bei Neurochirurgen, einer „traditionell technikverliebten“ Fachgruppe, inzwischen weltweit anerkannt.

In manchen Fällen könnten in Zukunft elektronische „Hände“ die lästigen Hilfsdienste verrichten, die im unsterilen Bereich anfallen. Thomas Horbach von der Universität Erlangen berichtete über Möglichkeiten, OP-Lampen oder -Tische mittels Sprachbefehlen zu verstellen.

Computer assistieren heute auch in der Ausbildung, sie werden ähnlich wie Flugsimulatoren für Piloten eingesetzt. Kai Lehmann vom Campus Benjamin Franklin der Charité hat so einen Simulator für eine pfiffige Studie zweckentfremdet: Er wollte ermitteln, wie gut Chirurgen noch operieren, wenn sie einen anstrengenden Nachtdienst hinter sich haben.

Das Ergebnis dürfte potenzielle Patienten beruhigen: Auch nach wenigen Stunden Nachtschlaf leisteten die Ärzte am OP-Simulator noch genauso viel wie ausgeschlafene Vergleichspersonen. Dabei gaben die Mediziner mehrheitlich zu Protokoll, sich nach dem Nachtdienst müde zu fühlen – auch das wird sie vom Kollegen Roboter immer unterscheiden.

Adelheid Müller-Lissner

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