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Gesundheit: Elite in Gefahr?

Zurück zur Gruppenuniversität: Die Absichten von SPD und Linkspartei stoßen an den Unis auf Kritik

Nach dem Urteil von Karlsruhe droht den Berliner Universitäten ein weiterer Rückschlag. SPD und Linkspartei planen, die bundesweit als vorbildlich geltenden Hochschulverfassungen der Berliner Universitäten wieder abzuschaffen und den Einfluss der Unipräsidenten und Professoren deutlich einzuschränken. Eine Änderung, die gravierende Folgen haben könnte – so befürchten die Unis, der Plan könne die Chancen Berlins im Elitewettbewerb erheblich senken.

Nach dem jetzigen Stand der Koalitionsverhandlungen fordert die Linkspartei die Einführung der Viertelparität in den satzunggebenden Gremien der Hochschulen. Die Universitätspräsidenten lehnen eine solche erweiterte Mitbestimmung strikt ab; auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hatte in der vergangenen Legislaturperiode die Viertelparität verhindert. Doch die SPD-Fraktion bietet jetzt als Ersatz für die Viertelparität die Einführung eines Kreuzwahlrechts an.

Das Kreuzwahlrecht, das nach den Vorstellungen der SPD für die wichtigsten Gremien der Selbstverwaltung wie Konzil, Akademischer Senat und Fachbereichsräte gelten soll, bedeutet Folgendes: Wissenschaftliche Mitarbeiter wählen ihre Vertreter in die Gremien allein. Ebenso wählen die Studenten und Dienstkräfte ihre Vertreter. Nur bei der Gruppe der Professoren soll dieser Grundsatz nicht mehr gelten. Die Hälfte der Hochschullehrer in den Gremien soll künftig von Studenten, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Dienstkräften mitgewählt werden. Auch die Viertelparität – die gleich starke Vertretung von Professoren, wissenschaftlichen Mitarbeitern, Studenten und Dienstkräften in den Gremien – soll im künftigen Hochschulgesetz verankert werden. Die Linkspartei/PDS denkt nach Auskunft ihres Hochschulexperten Benjamin Hoff darüber nach, wenigstens eine Öffnungsklausel einzuführen: Demnach solle jenen Hochschulen, die die Viertelparität ausprobieren wollen, das auch gestattet werden. Das neue Hochschulgesetz soll 2007 verabschiedet werden.

In den Unis stoßen die Pläne der rot-roten Koalition auf Entsetzen. Die Präsidenten Dieter Lenzen (FU) und Kurt Kutzler (TU) warnen, die Viertelparität und das Kreuzwahlrecht drohe die Effizienz in den Hochschulgremien zu gefährden. Die Chancen der Berliner Unis, in der zweiten Runde des Elitewettbewrbs den Elitestatus zu erhalten, würden rapide sinken. Denn für diesen Status werde eine langfristige und verlässliche Perspektive von den Hochschulen verlangt.

Tatsächlich hatten die internationalen Gutachter im Elitewettbewerb die Hochschulverfassung der Freien Universität sehr gelobt. „Eine Stärke der Universität stellt die überzeugende Leitungsstruktur dar, in der sich Bottom-up-Ansätze mit dem Prinzip einer führungsstarken Leitung verbinden“, urteilten sie über den Eliteantrag der FU, der schlussendlich allerdings nicht durchkam.

Auch mit dem Blick auf andere Bundesländer sei das Vorhaben von SPD und Linkspartei wenig nachvollziehbar, sagen Experten. So haben Nordrhein-Westfalen und Bayern ihren Unis erst vor kurzem neue Leitungsstrukturen gegeben – die denen gleichen, nach denen die Freie Universität und die Humboldt-Uni seit Jahren geführt werden und die die rot-rote Koalition jetzt wieder infrage stellt.

Für die SPD sei das Kreuzwahlrecht ein Anreiz, um die niedrige Wahlbeteiligung der Studenten zu überwinden, sagt Bert Flemming vom Parteivorstand der SPD. Diese habe bisher dazu geführt, dass in den Gremien häufig politisierte Studentenvertreter säßen, die möglicherweise ein anderes Verständnis der Interessenvertretung der Studenten hätten als die große Mehrheit, die sich nicht an den Wahlen beteiligt. Sollten die Studenten künftig nicht das Quorum von 25 Prozent Wahlbeteiligung erreichen, dann entfalle das Kreuzwahlrecht.

SPD und Linkspartei sind sich in einem Punkt einig: Wenn die Hochschulen im neuen Hochschulgesetz an Autonomie gewinnen wollen, dann müssten sie auch mehr innere Demokratie zulassen und ihre Legitimationsbasis vertiefen. Den Zuwachs an Autonomie verdanken die Hochschulen der Experimentierklausel von 1995, als 67 der wichtigsten Paragrafen des Hochschulgesetzes von 1990 den Hochschulen als Verfügungsgrundlage für eigene Regelungen freigegeben wurden. Diese Experimentierklausel soll mit dem neuen Gesetz entfallen.

Bei der Forderung nach mehr Legitimität geht es um Folgendes: Durch die Reformsatzungen sind die einstigen Kuratorien durch Hochschulräte ersetzt worden. Das hatte zur Folge, dass Parteienvertreter nicht mehr in den Hochschulen mitwirkten. Bei diesem Prinzip soll es auch im künftigen Hochschulgesetz bleiben. Aber die Linkspartei möchte, dass die Persönlichkeiten in den neuen Hochschulräten vorwiegend nicht „nach ihrer gesellschaftlichen Reputation für Werbefotos“ ausgesucht werden, sondern nach dem Grundsatz einer möglichst effizienten Hochschularbeit. Statt Bundespräsident oder Verfassungsrichter a. D. sollte mehr auf Experten gesetzt werden.

Außerdem sollen die Hochschulen zwar die Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Gesellschaft vorschlagen, diese werden dann aber vom Abgeordnetenhaus gewählt und nicht mehr von einem Hochschulgremium allein. Ähnliche Überlegungen gibt es in der SPD. Beide Parteien plädieren zwar für eine starke Führung durch die Unipräsidenten, aber sie wünschen keine Präsidenten, „die sich wie Könige aufführen“, sagt Bert Flemming. Auch die Hochschulpräsidenten sollen einer stärkeren Kontrolle durch die Gremien unterworfen werden. So sollen sie künftig die Hochschulverträge erst dann unterzeichnen dürfen, wenn sie vorher die Zustimmung ihrer Gremien eingeholt haben.

Uwe Schlicht

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