zum Hauptinhalt

Gesundheit: Energisch an die Spitze

Zum Streitgespräch beim „Treffpunkt Tagesspiegel“ kamen 250 Gäste ins Hotel Intercontinental

„Die Hochschulen brauchen mehr Wettbewerb und Autonomie“ Thomas Hertz, IHK Berlin, a.D.

„Die Wissenschaft muss der Gesellschaft nützen.“ Martina Dören, Medizin-Professorin

Braucht Deutschland Elite-Universitäten? Wie sollten diese aussehen? Oder lenkt die Debatte nur von der Misere an den deutschen Hochschulen ab? „Elite-Unis - Traum oder Trug?“ – darüber diskutierten beim „Treffpunkt Tagesspiegel“ am Dienstag im Hotel Intercontinental Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik mit über 250 Gästen.

Nur mit einem kleinen Wettbewerb, wie ihn die Bundesregierung plant, sind die Probleme der deutschen Hochschulen nicht zu lösen, meinten die meisten Teilnehmer auf dem Podium. Jörg Tauss, der bildungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, musste gleich zu Beginn der Diskussion viel Kritik an den Plänen seiner Partei einstecken. Jürgen Kocka, Präsident des Berliner Wissenschaftszentrum, begrüßte zwar, dass auch für Sozialdemokraten der Elite-Gedanken kein Tabu mehr darstellt: „Das Prinzip, Starke zu fördern, ist für sozialdemokratisches Denken keineswegs selbstverständlich.“ Dennoch drohe die Debatte um Elite-Unis von den wichtigen Problemen an den Hochschulen abzulenken. Vor allem die Unterfinanzierung der Hochschulen mache den Unis das Leben schwer: „Sie verhindern dadurch den Wettbewerb, den Sie wollen“, warf Kocka Tauss vor. Stanford mit seinen 14 000 Studierenden könne auf einen Jahresetat von über zwei Milliarden Dollar zurückgreifen. Die Freie Universität Berlin mit ihren über 40 000 Studierenden verfügt über einen Etat von 270 Millionen Euro – und der Berliner Senat spart weiter.

Eine „Mogelpackung“ und ein „Feigenblatt“ nannte gar Thomas Hertz die Elite-Uni-Pläne der Regierung: „Die Unis fühlen sich an der Nase herumgeführt, wenn ihnen erst die Budgets gekürzt werden und man ihnen dann vorwirft, nicht in der ersten Liga mitspielen zu können“, sagte der ehemalige Hauptgeschäftsführer der Berliner Industrie- und Handelskammer. Statt Elite-Unis „per Dekret von oben“ einzuführen, plädierte er für mehr Wettbewerb unter den Unis: „Die Hochschulen müssen endlich aus der staatlichen Gängelei entlassen werden.“

SPD-Vertreter Jörg Tauss spielte den Ball an den Wirtschaftsmann Hertz zurück. Die Wirtschaft müsse sich endlich stärker für die Hochschulen engagieren: „Das ist bisher ein Trauerspiel.“ Das provozierte zahlreiche Buhrufe im Publikum und einen Einwurf von Moderator George Turner. Der ehemalige Wissenschaftssenator wies darauf hin, dass Forschung und Lehre in vielen technischen Fächern ohne die Drittmittel von Unternehmen längst zusammengebrochen wären.

Mit Studiengebühren könnten die Universitäten zusätzliches Geld einnehmen. Jürgen Kocka forderte das ebenso wie IHK-Mann Thomas Hertz. Auch hier widersprach Sozialdemokrat Jörg Tauss energisch. „Sie wollen eine Studenten-Steuer, obwohl Sie Steuer-Erhöhungen ablehnen“, entgegnete er Hertz. Tauss verteidigte den Elite-Wettbewerb seiner Bildungsministerin. „Die deutschen Hochschulen werden international oft zu Unrecht nicht wahrgenommen. Das soll sich durch den Spitzen-Wettbewerb ändern.“

Was eine Elite-Uni von anderen Hochschulen eigentlich unterscheide, fragte Turner seine Gäste. Nachdenkliche Töne kamen von Martina Dören. Die Professorin für Frauengesundheit am Berliner Benjamin-Franklin-Klinikum vermisst in der Diskussion eine soziale Komponente. Oft würde Leistung an Unis nur über das Einwerben von Drittmitteln definiert. Anstatt nach der Verwertbarkeit von Forschungsergebnissen zu fragen, sollte man besser überlegen, ob „an Elite-Universitäten was rauskommt, was den meisten Menschen im Lande nützt.“ Das Publikum stimmte mit Applaus zu.

Bei allem Streit – in einem Punkt waren sich alle einig. „Das Thema Hochschulpolitik ist durch die Debatte endlich wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangt. Das war überfällig“, wie Jürgen Kocka sagte. Wie lange der Aufbau von Elite-Unis dauern wird, wollten viele Zuhörer wissen. „Deutschland steckt in der größten Bildungsreform seit dreißig Jahren“, sagte Tagesspiegel-Redakteurin Anja Kühne. Spürbare Erfolge werde man erst in 15 Jahren merken.

Tröstende Worte spendete am Schluss ein amerikanischer Zuhörer: „Die Lage in Deutschland ist nicht ganz so schlimm. Die Qualität der deutschen Unis ist immer noch vergleichbar mit der an den meisten amerikanischen Unis.“

„Wie erkennt man die besten Unis?“ George Turner, Berliner Wissenschaftssenator a.D.

„Hochschulen bringen den Regionen Aufschwung“ Jürgen Kocka, Historiker

„Wir wollen die Exzellenz bündeln.“ Jörg Tauss, Bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion

„Die große Bildungsreform braucht 15 Jahre.“ Anja Kühne, Tagesspiegel

DEUTSCHLAND STREITET ÜBER ELITE-UNIVERSITÄTEN

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false