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Gesundheit: Er kuschelt, strebt und zitiert Marx Der Student ist ein Chamäleon

Der Student ist ein Herdentier. Er tritt zumeist in Gruppen von 50 bis 200 Zweifüßlern auf und frisst in seinem Umfeld alles kahl: Frittenbuden, Mensatöpfe, Pizzerien.

Der Student ist ein Herdentier. Er tritt zumeist in Gruppen von 50 bis 200 Zweifüßlern auf und frisst in seinem Umfeld alles kahl: Frittenbuden, Mensatöpfe, Pizzerien. Dann lagert er auf dem Fußboden, eng aneinander gekuschelt mit seinem Nachbarn, und lässt sich von Worten berieseln, die er ohnehin kaum versteht. Akustisch, natürlich. Fast zwei Millionen Exemplare existieren hierzulande. Da gibt es die Namenlosen. Im Seminar heißen sie „Ja, bitte“, außerhalb der veranstalteten Wissensvermittlung sieht man sie nicht. Der Geist studiert – aber meistens weniger die Theorie als das Leben. Hierzu pflegt er mindestens zwei außeruniversitäre Identitäten, zum Beispiel als Bockwurstbrater oder Familienvater. Diese Transzendenz kann leicht in einen Zustand des so genannten UniKomas übergehen, auch bekannt als Karteileichenstarre. Nur wenige erwachen wieder aus dieser Ohnmacht, dann hetzen sie mit Bücherstapeln über den Campus und suchen händeringend ein Thema für die Abschlussarbeit. Im aktiven Modus nennt man sie Langzeitstudenten. Ein komfortabler Status, denn sie werden gesiezt, und junge Studentinnen halten ihnen die Tür auf. Es könnte ja der Herr Professor sein!

Die Primaballerina

Der größte Feind des ausschweifenden Genies ist der kleingeistige Streber. Der macht nämlich alles besser, flotter und hat zudem immer einen Sitzplatz mit Augenkontakt zum Dozenten. Dieser ist wichtig, damit die auf dem Tisch ausgelegte Deko-Lektüre, gerne ein Habermas oder Marx, die eigene Intellektualität passend orchestrieren kann. Wie eine Primaballerina dreht der ewige Besserwisser Pirouetten aus Fremdworten und schwelgt genüsslich in seinem eigenen Saft. Das reizt die Fraktion der taz-Leser, Radikalpazifisten und sonstigen Wertkonservativen, so dass sich stets eine angeregte Unterhaltung entspinnt. Meistens kommen sie ohnehin zu spät, um den Redefluss des Wise Guy durch Türengeklapper zu demontieren.

Wirklich hüten muss man sich aber vor dem Schmarotzer. Selbst der nette Nachbar kann sich plötzlich als solcher entpuppen. Ein erstes Indiz ist, wenn er nie Papier oder Stift dabei hat. Danach will er ein Taschentuch, dann die Käsestulle und plötzlich sitzt man mit dem gemeinsamen Referat alleine da. Der Parasit ist nimmersatt, er nimmt, was er kriegt. Meist ist er nach einer Weile sehr einsam und versucht, sich auf jede mögliche Weise anzunähern. Abblocken! Fliehen! Es gibt noch zwei Millionen andere Studenten.

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