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Gesundheit: Europa, ein Studentendorf

Studieren ohne Grenzen – bis 2010 sollen die bürokratischen Hürden in der EU gefallen sein

„Egal ob beim Auslandsstudium oder bei Ausbildungsverzögerungen durch eine Schwangerschaft: Du kannst ziemlich sicher sein, dass der Staat sich um seine Studenten kümmert“, berichtete die norwegische Studentin Lene Henriksen ihren Kommilitonen aus ganz Europa. Sie waren zu einer Tagung des Deutschen Studentenwerks am Dienstag und Mittwoch in die deutsche Hauptstadt gekommen, um ihre Forderungen an die europäischen Bildungsminister und deren große Regierungskonferenz zum Hochschulraum Europa Mitte September in Berlin zu formulieren.

Denn so gut wie in Norwegen geht es den Studenten in den anderen EU-Staaten nicht. Unterschiedliche Fördersysteme in Europa erschweren den Hochschulwechsel über nationale Grenzen. Doch bisher haben sich die Minister um diese Dimension des Themas kaum gekümmert, kritisieren die Studenten.

Die Zeit drängt: Bis zum Jahr 2010 soll der Traum vom Studieren ohne Grenzen Realität werden. Dann bilden die 4000 Hochschulen in den EU-Mitgliedsstaaten und Nachbarländern mit ihren 12,5 Millionen Studenten einen gemeinsamen Hochschulraum Europa – mit freiem Studienzugang und ohne Anerkennungsstreit um die Zeugnisse.

Wie groß die Unterschiede heute noch sind, zeigt der Vergleich zwischen der Norwegerin Lene und Daniel Mondekar aus Kroatien. Dort unterstützt der Staat seine Studenten hauptsächlich durch günstige Wohnheimplätze und bezuschusstes Essen. Bei einem Auslandsstudium kann man diese Vergünstigungen nicht mitnehmen. Die Folge: Ein Wechsel wird unproportional teuer. „Bisher können nur die staatlich Finanzierten gehen“, so Daniel. „Und Technologie-Studenten sind dabei offensichtlich eine bessere Investition als Geisteswissenschaftler.“ Ein großes Waffenverbots-Schild auf seinem T-Shirt erinnert an die Nachkriegssituation in seiner Heimat. Lene kann ihre monatliche Unterstützung dagegen ins EU-Ausland mitnehmen.

Sehr unterschiedlich ist auch geregelt, wie viele Studenten staatliche Förderung erhalten. Die Niederlande liegen dabei mit 90 Prozent an der EU-Spitze, berichtete Christoph Ehrenberg aus dem Bundesbildungsministerium. Es folgen Frankreich (45 Prozent) und Irland (40 Prozent) im Mittelfeld. Deutschland und Österreich erreichen noch 20 Prozent, die Schlusslichter Flandern und Italien zwölf Prozent. Allerdings überschreitet die Fördersumme nur in Deutschland und Österreich die 300 Euro-Grenze.

Zu den Hürden gehören die riesigen Unterschiede bei den Lebenshaltungskosten und Studiengebühren in einigen Mitgliedsstaaten. „Wollen wir einen europäischen Hochschulraum, in dem nur diejenigen mit den nötigen Mitteln im Ausland studieren können – oder diese Möglichkeit für alle Studenten?“, fragt der Student Bastian Baumann angesichts dieser Probleme. Als Mitglied der „National Union of Students in Europe“ setzt er sich für ein Studium ohne Grenzen ein. Und seine Zuhörer sahen das ähnlich. Zu einem sozialen Hochschulraum Europa gehören für sie alltägliche Dinge, wie ein ausreichendes Angebot an günstigem Wohnraum – in Hochschulstädten oft Mangelware – und günstiges Essen in den Mensen. Für eine ausreichende Studienfinanzierung soll das skandinavische Modell Vorbild sein. „Studiengebührenfreiheit in allen Teilnehmerstaaten“ ist den Studenten ein weiteres wichtiges Anliegen, „denn Studiengebühren verstärken nur soziale Ungleichheit“ und hemmten die Mobilität. Zulassungsschranken sollen fallen, um eine große Bildungsbeteiligung zu erreichen.

Wer die Berichte vom Irrweg durch den bürokratischen Dschungel fremder Länder gehört hat, wundert sich auch über die Forderung nach mehr Beratungs- und Betreuungsangeboten nicht. Sprachkurse sollen zudem das Ankommen in der Fremde erleichtern.

Vorbildliche Lösungen für einige dieser Fragen scheint der Internationale Club der Freien Universität Berlin gefunden zu haben. Dort werden etwa Partner für „Sprachtandems“ vermittelt, berichtete Maja Lapkiewicz aus Polen. Das Interesse der deutschen Studenten an den ausländischen Studienkollegen sei allerdings begrenzt. „Es kommen eigentlich nur diejenigen, die selbst schon im Ausland waren“, bedauerte Maja. Auch die Unterstützung durch die Hochschule selbst halte sich in Grenzen.

Wenn die Bildungsminister in Berlin beraten, planen die Studenten gleich zwei Gegenveranstaltungen. Diejenigen, die an den offiziellen Vorbereitungen beteiligt waren, haben eine Konferenz an der Europa-Universität Frankfurt (Oder) vorbereitet. Demonstrativ zum Gegengipfel hat eine ganze Gruppe von Studentenvertretungen zusammen mit „attac“ nach Berlin eingeladen.

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