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Gesundheit: Europäischer Teilchenbeschleuniger: Protonen in der Preisspirale

Der Preis für einen Blick ins Innerste der Materie ist über Nacht gestiegen. Die neue Experimentieranlage am internationalen Forschungszentrum Cern bei Genf, an der auch Deutschland beteiligt ist, wird wegen fehlerhafter Kalkulationen gut 700 Millionen Mark mehr kosten als erwartet.

Der Preis für einen Blick ins Innerste der Materie ist über Nacht gestiegen. Die neue Experimentieranlage am internationalen Forschungszentrum Cern bei Genf, an der auch Deutschland beteiligt ist, wird wegen fehlerhafter Kalkulationen gut 700 Millionen Mark mehr kosten als erwartet. Die Gesamtkosten für den soeben begonnenen Bau des Teilchenbeschleunigers ("Large Hadron Collider") steigen damit um 20 Prozent auf über vier Milliarden Mark.

Nach der bisherigen Planung soll der Teilchenbeschleuniger im Jahr 2006 in Betrieb gehen. Andere physikalische Projekte müssten nun möglicherweise gestrichen oder aufgeschoben, weitere Kredite aufgenommen werden, teilte das Cern mit. Dabei schien das Projekt trotz seiner Ausmaße durchaus überschaubar. Denn der neue Ringbeschleuniger ersetzt den alten an Ort und Stelle. Er wird in einem bereits vorhandenen, 27 Kilometer langen Tunnel installiert.

Statt Elektronen sollen bald ungleich schwerere Protonen, also Bestandteile der Atomkerne, darin kreisen und mit voller Wucht aufeinander prallen. Die Forscher hoffen, bei der dann zehnfach höheren Kollisionsenergie erstmals "Higgs"-Teilchen erzeugen zu können, jene bislang noch hypothetischen Partikel, die grundlegend für die Erklärung der Masse aller anderen Materiebausteine sein sollen.

Um die Protonen auf die gewünschte Kreisbahn zu zwingen, bedarf es kostspieliger Magnete. Für deren Herstellung wurde im 1996 errechneten Budget nicht genügend Geld veranschlagt. Zudem hat man am Cern die Personalkosten zu niedrig eingeschätzt. Und zu allem Übel stieß man an den vorgesehenen Standorten für neue Untergrundlabors auf Wasser und harten Fels.

Nun drohen die Physiker mit ihrem Kreisbeschleuniger in eine Kostenspirale zu kommen. Sie hätten gewarnt sein können. Der US-Kongress etwa kippte 1993 wegen astronomisch gestiegener Kosten den Bau des "Supercolliders", obwohl die beauftragten Firmen bereits einen 25 Kilometer langen Tunnel gegraben und schon mehr als zwei Milliarden Dollar ausgegeben hatten. Ein neuer Vorstoß amerikanischer Physiker für den Bau eines großen Teilchenbeschleunigers trifft bisher auf wenig Gegenliebe.

Auch in Deutschland wird man die Neuigkeiten vom Cern nicht gerne hören. Am Forschungszentrum Desy in Hamburg liegen die Pläne für einen neuen Beschleuniger bereits oben auf den Schreibtischen. In einem 33 Kilometer langen Tunnel zwischen Hamburg und Westerhorn sollen Elektronen mit ihren Antiteilchen kollidieren und ihre gesamte Energie zur Erzeugung neuer Partikel freigeben.

Die Anlage dürfte nach Desy-Kalkül etwa 7,6 Milliarden Mark kosten, ihr Bau acht Jahre dauern. Noch hat der Wissenschaftsrat das Projekt nicht begutachtet. Auf die Kostenrechnung dürfte er nun ein besonderes Augenmerk richten.

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