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Gesundheit: Fingerabdruck des Urknalls

Als das All entstand: Mit Hilfe eines Satelliten ist es Physikern gelungen, zum Beginn der Zeit zurückzureisen

Von Rainer Kayser, dpa

Manchmal kommen selbst Naturwissenschaftler ins Schwärmen. „Es ist kaum zu glauben, dass wir überhaupt etwas über die erste Billionstelsekunde des Universums erfahren können“, staunt der amerikanische Astrophysiker Charles Bennett. Bennet ist Chefwissenschaftler der Mission WMAP. Und dieser Satellit hat gerade neue Beweise dafür geliefert, dass sich der Kosmos in eben dieser ersten Billionstelsekunde seiner Existenz um das 10 hoch 60-fache ausgedehnt hat, das ist eine Zehn mit 60 Nullen. Damit bestätigt WMAP das „inflationäre Szenario“ des Urknalls.

Die „Wilkinson Microwave Anisotropie Probe“ WMAP ist ein im Jahr 2001 gestarteter Spezialsatellit der Nasa zur Untersuchung der kosmischen Hintergrundstrahlung, einer Art Echo des Urknalls. „Niemals zuvor konnten wir das frühe Universum mit einer solchen Präzision untersuchen“, sagt Bennett. Entstanden ist diese Strahlung zu einer Zeit, als der Kosmos gerade einmal 400 000 Jahre alt war. Zu diesem Zeitpunkt sank die Temperatur im All unter 3000 Grad. Aus dem heißen, undurchsichtigen Plasma des Urknalls wurde plötzlich durchsichtiges Gas, in dem sich elektromagnetische Strahlung frei ausbreiten konnte.

Seither ist die Hintergrundstrahlung durch die Expansion des Weltraums stetig weiter abgekühlt. Heute liegt ihre Temperatur nur noch 2,7 Grad über dem absoluten Nullpunkt.

Die zufällige Entdeckung der Hintergrundstrahlung durch Arno Penzias und Robert Wilson – die beiden Ingenieure suchten im Auftrag des amerikanischen Fernmeldeunternehmens Bell nach der Ursache eines störenden Rauschens bei Antennen – war in den 1960er Jahren der endgültige Beweis dafür, dass der Kosmos aus einem heißen, expandierenden Feuerball entstanden ist. Penzias und Wilson erhielten 1978 den Physik-Nobelpreis.

Die permanent aus allen Richtungen zu uns kommende Strahlung ist ein Fingerabdruck des Urknalls. Aus ihrem Muster, nämlich minimalen Temperaturschwankungen, können die Astrophysiker ablesen, wie genau der Urknall verlaufen ist, aus welchen Bestandteilen unser Kosmos besteht und wann die ersten Sterne entstanden sind.

Die Messgeräte von WMAP sind so empfindlich, dass der Satellit fernab der Erde stationiert werden musste, um nicht von irdischen Mikrowellensendern gestört zu werden. WMAP befindet sich deshalb nicht in einer Umlaufbahn um die Erde, sondern an einem 1,5 Millionen Kilometer entfernten, der Sonne genau gegenüberliegenden Punkt. Dort, am „Lagrange-Punkt L2“, wirken Flieh- und Anziehungskräfte gerade so zusammen, dass WMAP ohne Antrieb gemeinsam mit der Erde um die Sonne kreist.

Vor drei Jahren veröffentlichte die Nasa die ersten Ergebnisse der WMAP-Mission. Damals hatte der Satellit die bislang genaueste Karte der Temperaturschwankungen in der Hintergrundstrahlung geliefert. Die Daten bestätigten das Standardmodell der Kosmologen, nach dem unser Universum 13,7 Milliarden Jahre alt ist und überwiegend aus Dunkler Materie und Dunkler Energie besteht. Die gewöhnliche Materie, aus der Sterne und Planeten aufgebaut sind, trägt nur mit vier Prozent zur Gesamtbilanz des Kosmos bei.

Die Schwerkraft der in den Galaxien und Galaxienhaufen sichtbaren Materie reicht nämlich bei weitem nicht aus, um diese zusammenzuhalten. Offenbar gibt es zusätzlich zur sichtbaren, leuchtenden Materie eine unsichtbare Materie, die sich nur durch ihre Anziehungskraft verrät. Die Forscher vermuten, dass diese Dunkle Materie aus bislang unbekannten Elementarteilchen besteht.

Ende der 1990er Jahre zeigte dann die Beobachtung ferner Sternexplosionen (Supernovae), dass die Expansion des Kosmos nicht, wie bis dahin vermutet, durch die Schwerkraft langsam abnimmt, sondern sich im Gegenteil sogar beschleunigt. Worum es sich bei der Dunklen Energie handelt, die diese zunehmende Expansion antreibt, ist sogar noch mysteriöser als bei der Dunklen Materie.

Zwei weitere Jahre Messzeit des WMAP-Satelliten lieferten den Forschern nun noch genauere Ergebnisse und bestätigten, dass unser Kosmos zu 22 Prozent aus Dunkler Materie und zu 74 Prozent aus Dunkler Energie besteht. Der Stoff, aus dem Sterne, Planeten und wir Menschen bestehen, ist also nur ein unwesentlicher Anteil des Universums.

„Diese Vorstellung ist völlig verrückt“, gibt der amerikanische Kosmologe Sean Carroll zu, „sie steht in keinerlei Bezug zu irgendeiner irdischen Erfahrung. Aber immer, wenn wir neue Beobachtungen im Weltall machen, bestätigen sie dieses Bild vom Universum." Zudem gelang nun mit WMAP erstmals ein genaues Messen der Polarisation der Hintergrundstrahlung – also der Richtung, in der die Strahlung schwingt. „Es handelt sich um das schwächste kosmische Signal, das wir je gemessen haben“, sagt Bennett.

Die gefundene Verteilung der Polarisation der Hintergrundstrahlung stimmt mit den Vorhersagen des „inflationären Szenarios“ für die ersten Sekundenbruchteile nach dem Urknall überein. Danach hat sich der Kosmos in der ersten Billionstel Sekunde gewaltig aufgebläht. Nur so ist auch zu erklären, warum Materie und Energie so gleichmäßig verteilt sind.

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