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Gesundheit: Frauen vor

Blockierte Karrieren: Jetzt fordern Experten eine Quote für Wissenschaftlerinnen

Ein Viertel der Professuren soll an Frauen vergeben werden! Gleichstellung muss ein zentrales Anliegen an den Universitäten werden! Wenn der Chef der größten deutschen Forschungsförderungsorganisation solche Forderungen erhebt, hat das Gewicht. Tatsächlich hält Ernst-Ludwig Winnacker, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), eine Frauenquote an Hochschulen und außeruniversitären Instituten für geboten.

„Es gibt in Deutschland keine Kultur der Gleichstellung“, sagte Winnacker jetzt in Berlin. Während in anderen Industriestaaten 30 Prozent der C4-Professuren weiblich seien, sind es hierzulande nur 9,2 Prozent (siehe Kasten). Dass Deutschland „40 Prozent seines intellektuellen Potenzials nicht ausschöpft“, gefährde den Aufstieg in die internationale Wissenschaftselite, sagte Winnacker.

Als Vorbild für eine Quotenregelung nannte der DFG-Präsident die Universität Genf, wo seit einem Jahr ein Frauen-Förderprogramm gilt, nach dem bei Berufungen mindestens in jedem vierten Fall eine Frau eingestellt werden muss. Winnackers Forderung kommt nicht von ungefähr: Auswärtige Gutachter im Exzellenzwettbewerb hätten moniert „dass der Aspekt der Gleichstellung in der Mehrzahl der Antragsskizzen völlig unzureichend behandelt worden sei“, schrieb Winnacker schon im Februar an alle Universitäten, die sich im Exzellenzwettbewerb beworben haben. Weiter heißt es, die Gutachter hätten den Eindruck, „dass dieses Thema vorrangig mit Lippenbekenntnissen als mit konkreten Maßnahmen und Zielvorgaben behandelt würde“.

Winnacker appellierte an die Unis, diese massive Kritik ernst zu nehmen und „konkrete Zielvorgaben zu formulieren“. Seiner Forderung nach einer Frauenquote in der Wissenschaft schloss sich auch Matthias Kleiner an, der Winnacker im Januar 2007 als DFG-Präsident ablöst.

Wie reagiert die Wissenschaft? Gespalten, ergab jetzt eine Umfrage des „Handelsblatts“. Die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, schlägt „Sanktionen“ vor, mit denen DFG und Universitäten arbeiten sollten: Sie könnten ihre Mittelzuweisung an Ziele wie eine verstärkte Förderung von Wissenschaftlerinnen knüpfen. Die Präsidenten der Helmholtz- und der Leibniz-Gemeinschaft sprechen sich konkret für Frauenquoten aus. Die Chefs der Max-Planck- und der Fraunhofer-Gesellschaft sind gegen Quoten, wollen aber den Frauenanteil in ihren Forscherteams erhöhen.

Zielvereinbarungen zwischen Hochschulleitung und Fachbereichen gibt es seit 1999 an der Freien Universität Berlin, die mehrfach für ihre Frauenförderprogramme ausgezeichnet wurde (siehe Kasten). Die Gleichstellung sei als ein wichtiges Anliegen in den Zielvereinbarungen enthalten, sagt die FU-Frauenbeauftragte Mechthild Koreuber. So hätten sich alle Fachbereiche verpflichtet, die Geschlechterforschung in die neuen Bachelor-Studiengänge einzubeziehen. Fachbereiche, die den Frauenanteil bei den Professuren erhöhen, profitieren an der FU durch die leistungsorientierte Mittelvergabe. Der Erfolg sei messbar: Seit 2004 liege der Frauenanteil bei Neuberufungen im Schnitt bei 30 Prozent, 1999 waren es neun Prozent.

Eigentlich dürfte es in Berlin und in den meisten anderen Bundesländern gar kein Problem mit der Berufung von Frauen auf Professuren geben: Gleichstellungsgesetze schreiben vor, dass weibliche Bewerberinnen in Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, bevorzugt eingestellt werden sollen, wenn sie die gleichen Qualifikationen mitbringen wie männliche Bewerber. Aber was heißt „gleich qualifiziert“? Da würden Netzwerke wirksam, zu denen Frauen keinen Zugang hätten, sagt Koreuber, und die urteilten auch nach „außerwissenschaftlichen Kriterien“. Eine Studie des Berliner Wissenschaftszentrums beschrieb eine „gläserne Decke“, gegen die Frauen in der Wissenschaft stoßen: „Informelle Strukturen“ und eine „männliche Arbeitskultur“ verhindern, dass mehr Frauen auf Führungspositionen gelangen.

Dass Frauenquoten das richtige Instrument sind, um „männerbündische Strukturen“ auszuhebeln, bezweifelt Susanne Baer, Vizepräsidentin der Humboldt-Universität und Direktorin des Gender-Kompetenz-Zentrums der HU. Es müsse vielmehr darum gehen, differenzierte Förderungsmodelle für Frauen und Maßnahmen gegen die Diskriminierung und gegen „Verzerrungseffekte“ in Berufungsverhandlungen zu entwickeln. So sollten auch an den Kommissionen auswärtige Gutachter beteiligt werden. Wichtig sei vor allem eine Förderung auf den Ebenen unterhalb der ordentlichen Professur. Baer verweist auf den 39-prozentigen Frauenanteil an den Juniorprofessuren der HU.

Eine Frauenquote wäre eine „brachiale“ Maßnahme, sagt Baer. Zwar könnten dadurch Teilerfolge erzielt werden, aber die Provokation einer Quote produziere „Widerstand und Umgehungsmechanismen“. Winnacker habe jedoch eine Diskussion angeregt, die die Hochschulen zwinge, sich ernsthafter als bisher mit der Gleichstellung zu beschäftigen.

Das will auch der Wissenschaftsrat erreichen. Im November veranstaltet das einflussreiche Beratungsgremium eine Gleichstellungs-Tagung in Köln. Dort sollen Vertreter des Wissenschaftsrats, der außeruniversitären Einrichtungen, der Förderorganisationen und der Hochschulrektorenkonferenz „ein Communique zur Gleichstellung unterschreiben, in dem sie sich auf Ziele verpflichten, die zu messbaren Ergebnissen führen“, sagt der Vorsitzende des Wissenschaftsrats Peter Strohschneider.

Empfehlungen zur Chancengleichheit hatte der Wissenschaftsrat bereits 1998 abgegeben. Damals wurde „nachhaltige Integration von Wissenschaftlerinnen in das bestehende Wissenschaftssystem“ gefordert. Der Erfolg dieser Empfehlung sei nicht zufriedenstellend, sagt Strohschneider. Damals betrug der Frauenanteil bei C4-Professuren 4,5 Prozent; seitdem stieg er jährlich um 0,5 bis ein Prozent. Insofern kann Strohschneider die „enorme Frustration, was Frauenförderung angeht“ verstehen, die DFG-Präsident Winnacker eine Frauen-Quote fordern ließ. Er persönlich erlebe freilich immer wieder Kolleginnen, die eine Quote entschieden ablehnen – „als Diskriminierung“, so Strohschneider.

Gleichstellung, Gender mainstreaming – das sind Stichworte, die an vielen Hochschulen auch heute noch Widerwillen erregen. So beklagte Christoph Markschies, Präsident der Humboldt-Universität, kürzlich unter dem Gelächter von Berliner Kaufleuten, es gebe mehr Vorschriften über die Rechte der Frauenbeauftragten als über den Akademischen Senat, die Professoren und Studenten zusammen. „Es werden aber immer weniger, die glauben, dass wir lila Latzhosen anhaben“, sagt die FU-Frauenbeauftragte Koreuber und freut sich über „recht hohe Akzeptanz“. Winnackers Vorstoß sei da ein weiteres Hoffnungszeichen.

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