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Gesundheit: Fremdkörper in der Politik

Von George Turner, Wissenschaftssenator a.D.

Immer wieder wird darüber geklagt, dass die Parteien niemanden von außen in politische Ämter ließen und so genannte Quereinsteiger es deshalb besonders schwer hätten. Tatsächlich wird auf Wissenschaftler in aller Regel nur zurückgegriffen, wenn innerhalb der eigenen Reihen niemand mehr für eine zu besetzende Position aufzufinden ist. Aktuelle Beispiele im Bund und in Berlin belegen dies.

Da dem Neuen, gleichgültig, ob er parteilos bleibt oder seinen Beitritt erklärt, der oft zitierte Stallgeruch fehlt und er auch keine Hausmacht hat, bleibt er mehr oder weniger Außenseiter. Die Folge ist dann oft, dass er bei nächster Gelegenheit von sich aus aussteigt – oder nicht zum Weitermachen aufgefordert wird. Wer sich darüber wundert, kennt die Strukturen und Entscheidungswege von Parteien nicht. Quereinsteiger müssen wissen, worauf sie sich einlassen. Meistens ist der berufene Experte auch als Lückenbüßer geholt worden. Werden eigene Leute mit hinreichendem Sachverstand verfügbar, wird man auf sie zurückgreifen. Nicht ausgeschlossen ist aber auch, dass jemand für langjährige Kärrnerarbeit in der Partei belohnt werden soll. Der Quereinsteiger als „Platzhalter“ hat dann seine Funktion erfüllt.

Der Grund für immer wieder zu beobachtende wechselseitige Enttäuschungen dürfte in den unterschiedlichen Arbeitsweisen von Politikern und Wissenschaftlern liegen: Die einen müssen Kompromisse suchen, um ein halbwegs brauchbares Ergebnis zu erreichen, die anderen verfolgen – Ausnahmen bestätigen die Regel – das Ideal der vorurteilsfreien, nur an Sachargumenten orientierten Arbeit, das nur ein Ja oder Nein zulässt.

Wenn sich jemand für ein politisches Amt zur Verfügung stellt, übernimmt er nicht nur eine Verpflichtung gegenüber denjenigen, die ihm die Aufgabe angetragen haben, sondern ist auch dem „System“ der Parteilogik unterworfen. Der oft beklagten Situation, dass Parteien sich abschotten, dass Ämter in Kungelrunden vergeben werden, dass überwiegend regionaler Proporz und die Bedienung von Vertretern bestimmter Flügel erfolge, ist nur zu begegnen, wenn ausgewiesene Fachleute politische Aufgaben übernehmen. Verweigern sich Experten, oder geben sie bei ersten Widerständen auf, darf es nicht überraschen, wenn die Chancen ständig geringer werden, Fachleute von außen in politische Ämter zu holen.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail schreiben: g.turner@tagesspiegel.de

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