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Gesundheit: FU-Medizin: Klinisch tot

Es ist kalt draußen, Fetzen von Eis auf der Straße noch bis vorm Eingang - na ja, wenigstens drinnen kann man sich auf erhitzte Gemüter gefasst machen.Doch auf den ersten Blick sieht auch hier, in der Eingangshalle des Berliner Uniklinikums Benjamin Franklin, alles nach Weihnachtsstimmung aus: Direkt nach der großen Drehtür ein Tannenbaum mit Lichterkette, an der Decke im Flur silberne und blaumetallische Sterne, Adventskränze.

Es ist kalt draußen, Fetzen von Eis auf der Straße noch bis vorm Eingang - na ja, wenigstens drinnen kann man sich auf erhitzte Gemüter gefasst machen.

Doch auf den ersten Blick sieht auch hier, in der Eingangshalle des Berliner Uniklinikums Benjamin Franklin, alles nach Weihnachtsstimmung aus: Direkt nach der großen Drehtür ein Tannenbaum mit Lichterkette, an der Decke im Flur silberne und blaumetallische Sterne, Adventskränze. Lächelnde Schwestern in weißen Kitteln huschen vorbei, und gleich neben der Treppe, wo es zum Dekanat geht, hängen Stellenausschreibungen in einer schmalen Wandvitrine: studentische Hilfskraft gesucht, ein Professor für Pathologie, einen für Endokrinologie.

Im ersten Stock des Klinikums nimmt die Weihnachtsstimmung ein abruptes Ende. Dort nämlich befindet sich das Büro des Dekans Martin Paul.

Die schlechte Laune überfiel den Dekan am gestrigen Morgen um exakt 7 Uhr 30. Paul hatte sich gerade einen Kaffee gebraut, als er den Tagesspiegel aufschlug und darin lesen musste, dass die rot-rote Koalition von Berlin sein Uniklinikum in ein städtisches Krankenhaus verwandeln will. Später am Tag dann die Gewissheit: Das Klinikum Benjamin Franklin verliert seinen Unistatus.

Im Klartext: Dutzende, wenn nicht Hunderte von Menschen verlieren ihre Arbeit, ganze Forschungszweige verschwinden - die Biotechnologie in Berlin erhält einen empfindlichen Dämpfer.

Dekan Paul also sagte alle Termine für den Tag ab, rief seine Kollegen zur Krisensitzung zusammen - und hatte für den Rest des Tages mit Telefonanrufen und versammelter Presse vor seinem Büro zu tun. "Wir werden den Kampf aufnehmen", sagt Paul. Eine "reine Willkürentscheidung" sei das, "opportunistisch geprägt von der SPD - mit allen Mitteln werden wir uns dagegen wehren".

Nicht viel besser ist die Stimmung im fünften Stock, wo die Mediziner Michael Fromm und Michael Wiederholt ihre Labors haben. Labors, die zu großen Teilen von Mitteln der EU, des Bundes, von Stiftungen und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert werden. "Diese Mittel für die Forschung werden wegfallen", sagt Fromm. "Ein städtisches Krankenhaus hat keine Forschung."

"Wie es auch kommt - der Rufmord ist gelaufen", schimpft auch Wiederholt. "In ein bis zwei Jahren bin ich wissenschaftlich tot" - ein städtisches Krankenhaus hat einfach nicht das Renommee einer Uniklinik.

Physiologe Fromm zeigt sein Laboratorium. Rechts sitzt ein Doktorand, der mit Pipetten hantiert. "Wir untersuchen Strukturen, die Zellen zusammenhalten", erklärt einer von Fromms wissenschaftlichen Mitarbeitern, Salah Amasheh (siehe Foto ganz oben).

Amasheh ist Post-Doc, gerade hat er einen Wissenschaftspreis bekommen, sein Gehalt bekommt er von der DFG. Somit ist er einer derjenigen, die sich, wenn die Verwandlung denn kommt, nach einer neuen Geldquelle wird umsehen müssen - das heißt vielleicht: nach einer anderen Uni.

"Wer wird noch von Drittmitteln finanziert?" fragt Fromm in den Raum. Drei junge Frauen in weißen Kitteln - zwei technische Assistentinnen, eine Doktorandin - heben die Hand: Sie müssten gehen. Fromm zeigt eine Liste seiner Mitarbeiter - zwei Drittel hängen von Drittmitteln ab. Für sie gibt es kein Geld und keine Arbeit mehr, wenn das Uniklinikum in ein städtisches Krankenhaus verwandelt wird.

500 Arbeitsplätze, schätzt Dekan Paul, stehen zur Disposition. "Wir haben Kooperationen mit der Charité", sagt der Dekan. "Auch diese Projekte würden wegfallen." Der Stammsitz des anderen Uniklinikums von Berlin, die Charité, liegt im Ostteil der Stadt, das Benjamin-Franklin hingegen im westlichen Steglitz. "Wie oft hat die Regierung gesagt, sie wolle eine Versöhnung von Ost und West", sagt Paul. "Diese Entscheidung wird genau das Umgekehrte zur Folge haben: die Spaltung der Stadt."

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