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Gesundheit: Ganz schön energisch

Was die neue Präsidentin der Kultusminister anpacken will

Unter den dunkel gekleideten Herren, die das deutsche Bildungswesen repräsentieren, wirkt Doris Ahnen wie ein Fremdkörper: Klein, blond und für eine Spitzenpolitikerin ungewöhnlich jung steht die neue Präsidentin der Kultusministerkonferenz beim Empfang zur Amtsübergabe neben dem Getränkeausschank. „Zum Wohl. Die Pfalz“ heißt es auf einem Schild. Das passt nicht nur zu dem Wein, den die 39Jährige nach Berlin mitgebracht hat, sondern auch zur Bildung.

Im neuen Jahr, in dem Rheinland-Pfalz turnusgemäß die deutschen Kultusminister anführt, verspricht Ahnen zu tun, was die deutsche Öffentlichkeit von ihr erwartet: nämlich beherzt die anstehenden großen Bildungsreformen anzupacken, besonders in der Schule. Den Zug ins Rollen gebracht haben die Kultusminister nach dem Pisa-Schock schon unter Ahnens christdemokratischen Vorgängerinnen Annette Schavan und Karin Wolff. So haben sich die Länder überraschend schnell auf einen ersten nationalen Rechenschaftsbericht zur Bildung und auf gemeinsame Standards im Unterricht geeinigt, die von einem unabhängigen Institut überwacht werden sollen. Die Schulen sollen mehr Freiheiten bekommen. Die Lehrerausbildung wird verbessert.

„Spitzenleistung statt Etiketten“

Die Fahrtrichtung ist also vorgegeben, Ahnen wird den Zug energisch weiterschieben. Als Sozialdemokratin setzt sie die Akzente aber anders: „Die soziale Herkunft darf nicht über den Erfolg im Bildungssystem entscheiden“, sagt sie, deren Mutter vier Töchter mit einem Job im Schuhladen durchbrachte. Das Bildungswesen müsse durchlässiger werden. Von Studiengebühren hält Ahnen nichts – und von Elite-Universitäten wenig. Gute Fachbereiche und Institute würde Ahnen dagegen gerne fördern, um international wettbewerbsfähig zu werden. Der richtige Weg zur Spitze führt für Ahnen aber über eine „gute Breite“. Berlins Humboldt-Universität, die sich Wirtschaftsminister Clement gut als zukünftige Elite-Uni vorstellen kann, ist für Ahnen „ohne Frage eine hervorragende Uni“. Aber: „Elite-Uni wird man nicht durch ein Etikett, sondern durch Spitzenleistungen.“

Studiengebühren sind in der KMK umstritten. Sechs unionsgeführte Länder klagen gegen das Verbot im Hochschulrahmengesetz des Bundes. Dagegen ist nicht zu befürchten, dass Ahnen sich mit den Kultusministern über das Thema Elitehochschulen streiten wird. Viele lehnen wie Ahnen gezielt geförderte einzelne Eliteunis ab. Die deutsche Hochschullandschaft brauche keine „Eliteinseln“, sondern ein flächendeckendes Qualitätsnetz – in der alleinigen Zuständigkeit der Länder, sagt etwa Bayerns Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU). Und Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) will „ein wettbewerbliches Hochschulsystem, das die Entwicklung von Spitzenhochschulen erlaubt“ – statt staatlich geplanter Eliteunis. Ahnen spricht anders, meint aber etwas Ähnliches.

In der Bildungspolitik ist Ahnens Name bisher mit dem Thema Ganztagsschulen verbunden. Seit sie im Mai 2001 Ministerin für Schule, Jugend und Frauen in Rheinland-Pfalz wurde, verfolgt sie beharrlich das Ziel, in dem kleinen Bundesland ein flächendeckendes Angebot zu schaffen. Bis zu 60 Millionen Euro stellt die sozialliberale Regierung dafür zur Verfügung.

In ihrer schnellen Karriere ist Ahnen kaum aus Mainz herausgekommen: Sie studierte Politikwissenschaft, Öffentliches Recht und Pädagogik an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz, engagierte sich im Asta der Uni und bei den Jusos, deren stellvertretende Bundesvorsitzende sie von 1988 bis 1990 war. Ihr Mentor war der damalige Präsident der Mainzer Uni, Jürgen Zöllner, der sie, als er 1991 Wissenschaftsminister wurde, in sein Büro holte und 1996 zur jüngsten deutschen Staatssekretärin berief – sie war damals 31 Jahre alt.

Auch in ihren Jahren als Staatssekretärin war Schulreform ihr Thema: Sie engagierte sich für die „volle Halbtagsschule“ mit festen Betreuungszeiten in den Grundschulen, Fremdsprachenunterricht ab der 3. Klasse und die Möglichkeit jeder Schule, die Stundenpläne nach eigenem pädagogischen Ermessen zu gestalten.

Jugendliches Image

Mag Ahnen auch eine dynamische Politikerin sein: Als Präsidentin der Kultusministerkonferenz hat sie nur beschränkte Einflussmöglichkeiten. Die 16 Länder fassen ihre Beschlüsse bislang einstimmig. Daran könnte nur die Arbeitsgruppe der KMK etwas ändern, die bis zum Sommer Reformvorschläge machen will. Ahnens Aufgabe als KMK-Präsidentin ist vor allem eine repräsentative. Die KMK könnte von dem jugendlichen und natürlichen Image Ahnens profitieren, die in ihrer Freizeit Inline Skates fährt.

So freut sich denn auch Berlins Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS) über Ahnens „erfrischend klare Sprache“, Bremens Schulsenator Willi Lemke (SPD) hält sie für eine „Powerfrau mit hoher Sachkompetenz“, und Brandenburgs Bildungsminister Steffen Reiche sieht sie „zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle“, um die eingeleiteten Reformen umzusetzen. Flierl hofft auch, dass die Stimmung zwischen den Kultusministern und der Bundesbildungsministerin Bulmahn besser wird, die miteinander um Kompetenzen ringen. Doch Ahnen begreift sich nicht als Gehilfin der Bundesministerin: „Ich bin überzeugte Föderalistin“, sagt sie. Im Föderalismus sieht Ahnen einen guten Antrieb zum freundlichen Wettbewerb der Bundesländer. Ahnen hat auch nichts dagegen, wenn der Bund in Bildungsfragen hier und da mitredet.

Dass es Edelgard Bulmahn mit ihrer Parteikollegin deshalb leichter als mit deren konservativen Vorgängerinnen hat, ist trotzdem nicht anzunehmen. Hinter den Kulissen heißt es, Doris Ahnens Biss habe in der Vergangenheit durchaus auch Bulmahn zu spüren bekommen. akü/D.N./-ry

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