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Gesundheit: Ganztags besser werden

Nach Pisa und Iglu: Bund und Länder geben Startschuss für Milliarden-Programm an den Schulen

Nach langem Streit haben Bund und Länder gemeinsam den Startschuss für den Ausbau mehrerer tausend Ganztagsschulen in Deutschland gegeben. Dafür unterzeichneten Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) und ihre Amtskollegen aus Hessen, Rheinland-Pfalz sowie Sachsen-Anhalt am Montag in Berlin eine Vereinbarung über vier Milliarden Euro, die der Bund bis zum Jahr 2007 an die Länder zahlt. „Die Einführung von mehr Ganztagsschulen ist eines der wichtigsten Reformprojekte der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode“, betonte Bulmahn. Daher bleibe es trotz der schwierigen Haushaltslage bei den geplanten vier Milliarden Euro.

„Ganztagsschulen sind kein Allheilmittel, aber ein wichtiger Schritt, um Schwächen im Schulsystem zu beheben, die die internationalen Schuluntersuchungen überdeutlich gezeigt haben“, meinte Bulmahn. Sie will das Programm für Bildungsreformen nutzen und ist darin mit ihrer Amtskollegin Doris Ahnen (SPD) aus Rheinland-Pfalz einig. Schwache wie besonders begabte Schüler sollen in der zusätzlichen Zeit eigene Förderangebote bekommen, Arbeitsgemeinschaften interessante Themen anbieten. „Es ist nötig, sich vom 45-Minuten-Unterrichtstakt zu lösen, neue Lernmethoden zu schaffen und die Zusammenarbeit mit den Eltern zu stärken“, so die Ministerinnen.

Bildungsforscher haben immer wieder darauf hingewiesen, dass die deutschen Schüler deutlich weniger Unterrichtsstunden erhalten als Schüler in anderen Industriestaaten. Dort ist der Ganztagsunterricht üblich. Mit seiner Halbtagsschule steht die Bundesrepublik fast allein. Die Vereinbarung ist nach Bulmahns Worten aber nur ein erster Schritt zu einer großen Bildungsreform. Nationale Bildungsstandards und regelmäßige Bildungsberichterstattung sollen folgen.

Länder entscheiden über Konzepte

Die starke Koppelung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg an deutschen Schulen müsse durchbrochen werden, eine „neue Kultur des Bildungsoptimismus entstehen“, forderte Bulmahn. Dazu gehöre vor allem der Optimismus, dass jedes Kind zunächst eigentlich alles lernen kann – wenn man es nur richtig fördert. „Wir trauen unseren Kindern in der Regel nicht genug zu und schieben sie im Zweifel sogar auf eine andere Schulform ab.“ Das sei eine Ursache für die schlechten Ergebnisse bei Vergleichstests.

Mit der aktuellen Unterschrift geht ein langes Tauziehen zu Ende. Besonders die Union hatte darauf gepocht, dass Schulpolitik Ländersache ist. Der Bund solle sich nicht einmischen. Auch ihren Widerstand gegen das Projekt Ganztagsschule hat die Union inzwischen weitgehend aufgegeben. „Mit Ganztagsangeboten wird eine bessere Verknüpfung von Familie und Beruf ermöglicht“, sagte Hessens Schulministerin Karin Wolff (CDU) zur Begründung. Die Eltern seien aber aus ihrer Verantwortung nicht entlassen. Der Druck der Wirtschaft ist bei diesem Meinungswechsel wohl nicht ohne Wirkung geblieben. Allerdings war der Bund den Ländern bei den Verhandlungen ebenfalls weit entgegengekommen. So werden die pädagogischen Konzepte jetzt nicht mehr vom Bund begutachtet, wie eigentlich gewünscht. Die Länder berichten stattdessen anschließend, wie sie die Bundesmittel verwendet haben. Die Zahl von 10000 Ganztagsschulen ist aus dem Text gestrichen worden.

Auch der Ausbau bestehender Schulen wird, anders als zunächst geplant, gefördert. Sachsen-Anhalts Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz zeigte sich darüber erleichtert. Wegen der schwindenden Schülerzahlen stehe er vor der Aufgabe, in den nächsten Jahren jede zweite Sekundarschule (nach der Grundschule) zu schließen. „Daher hat die Qualitätsverbesserung der bestehenden Angebote Vorrang“, erläuterte Olbertz die Situation stellvertretend auch für die anderen ostdeutschen Bundesländer.

Nun kann jedes Bundesland eigene Schwerpunkte setzen. Für Olbertz ist das beispielsweise die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe. Solche Kooperationen können gefördert werden, wenn sie einem gemeinsamen Konzept folgen. Für jede Region kann es außerdem die passenden Schwerpunkte geben. Für die Eltern bedeutet das allerdings auch weniger Transparenz. Bundesweite Standards für eine gute Ganztagsschule wird es nicht geben.

Die Eltern nehmen die Angebote jedenfalls begeistert auf, berichtete Doris Ahnen, die in Rheinland-Pfalz bundesweit mit dem Ausbau der Ganztagsschulen vorangegangen war – lange vor dem Programm des Bundes. Dort beginnen in diesem Jahr die ersten 80 Ganztagsschulen. Bis zum Ende der Legislaturperiode sollen es 300 sein und damit immerhin jede fünfte Schule in Rheinland-Pfalz. In einer Umfrage hatten die Eltern den neuen Angeboten exzellente Noten gegeben.

Schulen haben schon Anträge gestellt

Jedenfalls befürchtet niemand, dass das Fördergeld von den Schulen nicht abgerufen wird. Ohne jede Ausschreibung und klare Rahmenbedingungen liegen den Schulministerien bereits zahlreiche Anträge vor. Allein in Sachsen-Anhalt 20, berichtete Olbertz. Da das Programm laut Vereinbarungstext bereits seit 1. Januar 2003 läuft, können die Länder jetzt umgehend bewilligen. Im Bundeshaushalt sind in diesem Jahr schon 300 Millionen Euro für Ganztagsschulen vorgesehen, in den nächsten Jahren je eine Millarde.

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