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Gesundheit: Genosse Trend zieht die Mietwohnung vor

Den Studentenwohnheimen laufen die Bewohner weg / Probleme im Studentendorf SchlachtenseeVON INGO BACHDie Kommune ist tot - und eine andere urstudentisch soziale Einrichtung ist zumindest gesundheitlich angeschlagen: das Studentenwohnheim.Laut einer 1996 veröffentlichten Sozialerhebung des Studentenwerkes ist bei den Studenten der Hauptstadt ein starker Trend zur Mietwohnung zu beobachten.

Den Studentenwohnheimen laufen die Bewohner weg / Probleme im Studentendorf SchlachtenseeVON INGO BACHDie Kommune ist tot - und eine andere urstudentisch soziale Einrichtung ist zumindest gesundheitlich angeschlagen: das Studentenwohnheim.Laut einer 1996 veröffentlichten Sozialerhebung des Studentenwerkes ist bei den Studenten der Hauptstadt ein starker Trend zur Mietwohnung zu beobachten.Nur knapp ein Zehntel aller Berliner Studenten lebt derzeit in Wohnheimen. Zwar liegt die durchschnittliche Auslastung der Heime nach Angaben von Klaus Kittel, Leiter der Abteilung Wohnwesen im Studentenwerk, seit Jahren konstant bei 94 Prozent.Trotzdem hat sich die Situation grundlegend geändert - es gibt keine Wartelisten mehr.Noch 1994 konnte es bis zu zwei Jahren dauern, bis man den gewünschten Wohnheimplatz bekam."Jetzt bringen wir fast jeden sofort in dem von ihm gewünschten Wohnheim unter", sagt Kittel.Und es gebe bereits Vermietungsprobleme in den Wohnheimen, die den heutigen Bedürfnissen nicht entsprechen.So zum Beispiel in der Storkower Straße, einem Plattenbau aus DDR-Zeiten, wo sich eine ganze Etage eine Küche und einen Duschraum teilen muß.Dort stünden über zehn Prozent der Wohneinheiten leer, der bauliche Zustand sei sehr schlecht."Ein Abriß ist unvermeidlich", sagt Kittel."Wir werden das Wohnheim zum 1.Januar 1998 räumen." Seit Mitte der neunziger Jahre hat das Studentenwerk drei Wohnheime geschlossen.Weitere "Bestandsbegradigungen" - sprich Wohnheimschließungen - seien unvermeidlich, sagt Kittel, schon allein wegen des Rückganges der Studentenzahlen um 10 000 seit 1996.So werde man sich bis spätestens Ende 1998 vom Wohnheim Keithstraße in Tiergarten trennen.Mindestens zwei weitere Heime im Ostteil Berlins werden folgen. Ganz oben auf der Problemliste des Studentenwerkes steht auch das traditionsreiche Studentendorf Wasgenstraße in Schlachtensee.In den 50er Jahren war der Grundstein gelegt worden für diese Anlage mit einzelnen Wohngebäuden um eine zentralen Dorfplatz herum, um die Campus-Idee auch für die Studentenwohnheime umzusetzen.Doch dieser kommunenartige Zusammenhalt ist durch zunehmenden Leerstand gefährdet.Zehn Prozent der 600 Wohneinheiten stehen mangels Nachfrage leer, und 180 Zimmer sind geräumt, weil sie gerade instandgesetzt werden. Angesichts des Leerstandes in Schlachtensee, den die studentische Selbstverwaltung im Gegensatz zu Klaus Kittel auf ein Viertel der Gruppenwohnheime und sogar auf über die Hälfte bei den Einzelzimmerhäusern schätzt, befürchten die dortigen Studenten eine Verödung ihres Dorfes."Dabei haben wir hier so viel geschaffen: den Theatersaal, ein Waschmaschinencenter oder den großzügigen Fitnessraum", sagt der Vorstandsvorsitzende der studentischen Selbstverwaltung, Jens-Uwe Köhler. "Das Wohnheim ist kein Problemkind, es wird durch die Mietpreispolitik zu einem gemacht", schrieben die Studenten kürzlich an das Studentenwerk.Bis zu 2000 Mark Warmmiete müßten für eine 117 Quadratmeter große Fünfer-WG gezahlt werden, das sind 17 Mark pro Quadratmeter.Deswegen zögen viele Studenten schnell wieder aus, sobald sie etwas anderes gefunden haben.So verkomme das Studentendorf zum Durchgangslager, klagt Köhler.Das wirke sich auch zunehmend auf das soziale Leben im Wohnheim aus.Als er hier 1991 einzog, sei das soziale Leben vielfältig gewesen."In jedem Haus war am Wochenende Party angesagt, alle brachten sich ein, auch wenn es um bauliche Verbesserungen ging." Doch jetzt interessiere sich kaum noch einer für die studentische Selbstverwaltung. Für Klaus Kittel ist Schlachtensee ein "Faß ohne Boden"."Bis zu zwei Millionen Mark fließen jährlich dorthin", klagt er.Doch dieses Geld reiche bei weitem nicht aus, um die "bauphysikalischen Todsünden auszuräumen." So würden die Fenster regelmäßig durchfrosten - ein Grund für die "immens hohen Heizungskosten".Mietsenkungen, wie von der studentischen Selbstverwaltung gefordert, seien unmöglich, betont Kittel."Wir müssen kostendeckend arbeiten." Dazu wird der Gesamtbestand herangezogen, das heißt die Wohnheime mit dem besseren Standard spielen mit ihren höheren Mieten die Kosten für defizitäre Anlagen wieder rein.In Schlachtensee werden mit den Mieten in den Gruppenwohnheimen auch die Defizite der Einzelzimmerhäuser ausgeglichen. Die einzige Lösung sei Abriß und Neubau, meint Kittel.Aber seit 1991 steht das Studentendorf unter Denkmalschutz.Kittel schließt zwar nicht aus, Schlachtensee zumindest teilweise zu schließen."Aber bei diesem Bauzustand und den Denkmalschutzauflagen kenne ich niemanden, der diese Anlage kaufen würde." Bei den sanierten Wohnheimen gebe es keine Probleme mit der Miethöhe, die bis zu 501 Mark pro Wohneinheit beträgt."Die Studenten sind bereit, für einen entsprechenden Standard mehr zu zahlen", glaubt Kittel.Wenn Studierende allerdings keine Ansprüche an den Komfort stellten, könnten sie auch preiswerte Wohnungen auf dem freien Markt finden."Für die 230 Mark für ein neun Quadratmeter großes Zimmer in Schlachtensee bekommt man schon eine eigene Wohnung mit Ofenheizung in Prenzlauer Berg."

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