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Gesundheit: Geschichte der deutschen Teilung: Stalin war überrascht über so viel Großzügigkeit

Schon im Herbst 1943 standen die Grenzen der beiden deutschen Staaten fest - gezogen und befördert durch die britische Regierung. Auf diesen kurzen Nenner bringt Lothar Kettenacker vom Deutschen Historischen Institut in London die Politik des Foreign Office Anfang der 40er Jahre.

Schon im Herbst 1943 standen die Grenzen der beiden deutschen Staaten fest - gezogen und befördert durch die britische Regierung. Auf diesen kurzen Nenner bringt Lothar Kettenacker vom Deutschen Historischen Institut in London die Politik des Foreign Office Anfang der 40er Jahre. Auf der Tagung "Britain and the GDR", die vor kurzem im Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam stattfand, verwies Kettenacker aber auch darauf, dass diese Elternschaft eine ungewollte war.

Die britische Diplomatie focht in den 40er Jahren einerseits für die Erhaltung eines ungeteilten Deutschlands, denn man befürchtete, anderenfalls einem neuen Nationalismus den Boden zu bereiten. Gleichzeitig entwickelte sie die Idee von Besatzungszonen - ein nur scheinbarer Widerspruch, war die vollständige Okkupation Deutschlands doch ein Kriegsziel der Alliierten. Um zu verhindern, dass sich die Verbündeten um die Kriegsbeute in die Haare gerieten, mussten die Einflussbereiche frühzeitig abgegrenzt werden. Über all dem sollte eine zentrale alliierte Verwaltungsbehörde die Zonen verklammern. Die britische Regierung beschloss deshalb schon am 5. Oktober 1943 einen Zonenplan und legte ihn am 15. Januar 1944 den Alliierten vor.

Stalin wird überrascht gewesen sein, dass seine Verbündeten bereit waren, ihm das halbe Deutschland bis zur Elbe zu überlassen. Und so stimmte die Sowjetunion eilig dem Plan zu. Erst als die westlichen Alliierten im Mai 1945 weit östlich über die Elbe vorgestoßen waren - die Amerikaner saßen in Thüringen und die Briten in Mecklenburg - dämmerte den Beamten im Londoner Außenministerium, dass sie offenbar sehr großzügig gewesen waren.

Einfach an den Frontlinien stehenzubleiben und die Zonengrenzen nachzuverhandeln, war keine Option. Denn nach wie vor wollten die Westmächte in Berlin eine alliierte Zentralverwaltung für Deutschland installieren. Und die Reichshauptstadt befand sich in russischer Hand - also zogen sich Briten und Amerikaner auf die beschlossenen Linien zurück, um im Tausch dafür in Berlin Hoheitsgebiete zu erhalten. Die US-Regierung formulierte Bedenken gegen die Zonenregelung und wurde erst durch die Einigkeit Großbritanniens und der Sowjetunion mit ins Boot geholt. Dadurch trugen die Briten nach Kettenackers Ansicht die Hauptverantwortung dafür, dass den Russen eine ungemein günstige Ausgangsposition für den bald ausbrechenden Kalten Krieg zufiel. "Von Anfang an hatte Moskau die Option, die nationale Trumpfkarte in Deutschland auszuspielen" - und somit Deutschland ganz in die Hand zu bekommen - "oder die eigene Zone in ein kommunistisches Bollwerk zu verwandeln und die Teilung Deutschlands zu erzwingen."

Das Gegengewicht der Zentralbehörde (Alliierter Kontrollrat), auf das die britische Regierung setzte, war durch Stalin längst neutralisiert worden. Er hatte durchgesetzt, dass alle Entscheidungen des Kontrollrates einstimmig gefasst werden mussten - und somit die Sowjetunion alle Beschlüsse blockieren konnte. Durch das ständige sowjetische "Njet" war der Alliierte Kontrollrat quasi funktionsunfähig. Kettenacker: "Die Teilung Deutschlands war die logische Folge."

Es ist daher nicht verwunderlich, dass mit dem Ausbruch des Kalten Krieges die britische Regierung bestrebt war, den Fauxpas ihrer Nachkriegsplanung wieder gutzumachen. Die britische Politik konzentrierte sich in der ersten Hälfte der 50er Jahre darauf, die Bundesrepublik in das westliche Sicherheitssystem zu integrieren. Den schwarzen Peter der deutschen Teilung versuchte man Moskau zuzuspielen. "Die deutsche Frage sollte konfliktträchtig aber kontrolliert in die Ost-West-Konfrontation eingebaut werden", sagte die Bremer Politikwissenschaftlerin Yvonne Kipp - der Nachteil also in einen Vorteil umgemünzt werden.

Doch diese Trumpfkarte drohte den Westmächten 1952/53 zu entgleiten, wurde der Ruf nach der Wiedervereinigung in Deutschland doch immer stärker. Der Volksaufstand in der DDR vom 17. Juni 1953 war für London vor allem ein Ausbruch dieses Dranges nach staatlicher Einheit. "Die gleichzeitigen sehr emotionalen Reaktionen der Westdeutschen ließen im Foreign Office alle Ängste vor einem unkontrollierbaren deutschen Nationalbewusstsein erneut erwachen", so Kipp. Zu sehr wusste man in London inzwischen die Vorteile der deutschen Teilung zu schätzen: die Sicherung der britischen Mitspracherechte bei allen Verhandlungen über die deutsche Frage und die Aufsplitterung des politischen und ökonomischen Machtpotenzials in Mitteleuropa. Die britische Regierung brachte daher größtes Verständnis für die gewaltsame Niederschlagung der Unruhen auf.

Diese Furcht, den Deutschen die Initiative zu überlassen, lebte in der britischen Politik bis 1989/90 fort. Die Premierministerin Margret Thatcher sorgte sich um das Gleichgewicht in Europa, wenn ein machtvolles Deutschland wieder in der Mitte Europas das Sagen haben würde. Erst die Zwei-plus Vier-Gespräche konnten diese Sorgen mildern - doch noch immer ist diese Skepsis im deutsch-britischen Verhältnis spürbar.

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