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Gesundheit: Gespaltene Charité

Uniklinik soll Forschung und Versorgung trennen

Von einer Privatisierung der Charité ist bei den derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Linkspartei/PDS zwar nicht mehr die Rede. Dafür aber sorgt die Idee einer Strukturveränderung des Universitätsklinikums für helle Aufregung: einige SPD-Abgeordnete haben das Kooperationsmodell – also die Aufspaltung der Charité in den Bereich Forschung und Lehre auf der einen und den Bereich der Krankenversorgung auf der anderen Seite ins Spiel gebracht. Nur so sei die nötige Trennung der Haushalte beider Bereiche möglich, sagt Bert Flemming, wissenschaftspolitischer Sprecher der Berliner SPD-Fraktion. Denn derzeit subventioniere die kassenfinanzierte Krankenversorgung die Forschung und Lehre. „Würden die Haushalte getrennt, könnten die Kosten für die Patientenversorgung sinken und die Krankenkassen damit erheblich entlastet werden.“ Dazu gehöre beispielsweise auch, dass der Bereich Forschung und Lehre intern dafür bezahlen müsse, wenn im Bereich der Krankenversorgung klinische Experimente durchgeführt werden.

Dabei berufen sich die Befürworter des Modells auch auf Meinungsverschiedenheiten im Charité-Vorstand, der zum Teil selbst das Kooperationsmodell bevorzuge, unter anderem weil die getrennte Kostenrechnung nicht funktioniere. Der Vorstand lehne die Idee gemeinsam ab, sagt dagegen Charité-Vorstandschef Detlev Ganten. Denn dabei gehe es auch um die Ruhe, die die Charité endlich brauche. „Es kann nicht sein, dass wir immer wieder mit handstreichartigen Vorgaben von der Politik getrieben werden“, sagte Ganten dem Tagesspiegel. Seit 15 Jahren müsse das Klinikum eine erzwungene Strukturveränderung nach der anderen über sich ergehen lassen, die es an den Rand der Belastbarkeit getrieben hätten. „Erst seit Ende 2005 haben wir ein Universitätsmedizingesetz.“ Es sei ein „äußerst unverständlicher Schachzug der Politik“, dass die Charité nach gerade mal elf Monaten schon wieder mit einer Strukturdebatte unter Druck gesetzt werde. In keinem Wirtschaftsunternehmen würde ein verantwortliches Gremium ständig einen solchen Druck auf das eigene Unternehmen erzeugen, wie es mit der Charité geschehe.

Tatsächlich ist das jetzt ins Spiel gebrachte Kooperationsmodell nicht neu. Bereits 2003 wurde darüber debattiert – mit dem Ergebnis, dass das Ende 2005 beschlossene Berliner Universitätsmedizingesetz das so genannte Integrationsmodell festschrieb, also die Integration beider Bereich unter einem Dach. „Und nun plötzlich bringen Abgeordnete das wieder aufs Tapet und damit erneut Unruhe in das Klinikum“, kritisiert Ganten. Er persönlich bevorzuge das Integrationsmodell, weil es wichtige Synergien zwischen beiden Bereichen ermögliche.

Schwierigkeiten bei der Trennungsrechnung räumt auch Ganten ein: „Aber das ist ein Problem für alle Universitätskliniken Deutschlands, unabhängig davon, ob sie nach dem Integrationsmodell, dem Kooperationsmodell oder wie auch immer organisiert sind. Denn es ist schwierig, etwa die Tätigkeit eines Arztes dem einen oder dem anderen Bereich zuzuordnen.“ Die Charité habe wohl unter allen Universitätskliniken Deutschlands damit die meisten Erfahrungen. „Wir haben schon jetzt komplett getrennte Teilwirtschaftspläne für beide Bereiche.“ Dabei sei das Budget für den Bereich Forschung und Lehre besser planbar. Dafür stehen 220 Millionen Euro an staatlichen Zuschüssen und rund 100 Millionen Euro Drittmittel zur Verfügung, die das Klinikum im Laufe eines Jahres ausgeben kann. Für die Krankenversorgung sei die Finanzplanung ungleich komplizierter. „Da muss das jeweilige Budget langwierig mit den Krankenkassen ausgehandelt werden. Und selbst für bestehende Budgets gibt es im nachhinein noch zahlreiche Streitpunkte mit den Kassen.“ Das Ziel bleibe, auch das Personal klar einem Bereich zuzuordnen. „Mancher Arzt arbeitet dann vielleicht zu 20 Prozent für die Krankenversorgung und zu 80 Prozent für Forschung und Lehre.“

Auch der zuständige Wissenschaftssenator Thomas Flierl (Linkspartei/PDS) hat sich auf die Seite des Vorstandes gestellt. „Das gemeinsam von beiden Koalitionspartnern beschlossene Unimed-Gesetz gilt“, ließ er gestern ausrichten.

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