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Gesundheit: Gesundes Forschungsfieber

Vogelgrippe und Antike: Neue Schwerpunkte an der Humboldt-Universität

Bund und Länder haben sich zerstritten und den Elitewettbewerb auf Eis gelegt. Dennoch will es die Humboldt-Universität wissen. Schritt für Schritt stellt sie sich so auf, dass sie mit den besten deutschen Universitäten konkurrieren kann und sich damit einen Platz unter den Eliteuniversitäten sichert. Fast ein Jahr hat sich die Hochschule in Mitte mit den Sparauflagen des Berliner Senats herumgeschlagen und einen neuen Strukturplan vorgelegt. Jetzt, zum Ende des Jahres will die HU zeigen, dass der Blick wieder in die Zukunft gerichtet wird: mit den neuen Forschungszentren, die der Humboldt-Universität neuen Schwung geben sollen.

Zwölf Forschungszentren sind geplant – die ersten beiden hat der Akademische Senat in seiner letzten Sitzung vor den Weihnachtsferien beschlossen. Danach soll es Zug um Zug weitergehen. Bis zum Frühjahr werde die Konzeption für fünf Forschungszentren stehen, kündigt der Vizepräsident für die Forschung, Jürgen Prömel, an.

Man kann die Forschungszentren banal als Maschinen zur Einwerbung von Drittmitteln bezeichnen. Das wäre jedoch zu kurz gegriffen. Jede Universität, die in Deutschland und Europa in der Spitze vertreten sein will, kann nur dadurch aus dem Gros ihrer Konkurrenten herausragen, dass sie in möglichst vielen Bereichen eine kritische Masse herausragender Wissenschaftler besitzt. Diese Wissenschaftler dürfen nicht nur vor sich hin forschen, sondern müssen zu Teams zusammengeführt werden. Erst dadurch wird einer Universität überhaupt die Chance eröffnet, bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft einen jener begehrten Sonderforschungsbereiche zu beantragen. Für Sonderforschungsbereiche, die mit Millionenbeträgen gefördert werden, müssen große, die Grenzen einer Fakultät sprengende Themen gefunden werden.

Ein typisches Beispiel für eine Bündelung zur kritischen Masse bietet das neue Forschungszentrum für Infektion und Immunität, das die Humboldt-Universität jetzt aufbauen wird. Das Thema ist bereits eine Herausforderung, knüpft es doch an die gefürchteten alten und neuen Krankheiten an, die weltweit durch Bakterien oder Viren entstehen: Tuberkulose, Salmonellose und die neuen Gefahren durch die Vogelgrippe und die Lungenkrankheit SARS. Der interkontinentale Reiseverkehr zwischen Entwicklungsländern und hoch industrialisierten Staaten fördert die Ausbreitung solcher Infektionen in rasender Geschwindigkeit. Viele Bakterien sind inzwischen resistent gegen herkömmliche Medikamente. Neuerdings wissen die Forscher, dass auch gefürchtete Erkrankungen wie Herzinfarkte, Magengeschwüre und Multiple Sklerose auf Infektionen zurückgehen können.

Entscheidende Hilfe zur Erforschung von Viren und Bakterien bieten inzwischen die moderne Zell- und Molekularmedizin sowie die Immunbiologie. Das gemeinsam von HU und Freier Universität getragene Berliner Universitätsklinikum Charité und die Zusammenarbeit mit dem Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin bieten ideale Voraussetzungen, um dieses umfassende Gebiet zu einem Forschungszentrum zu entwickeln. Die Charité profitiert auch von dem in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie und dem Rheumazentrum bei ihrem neuen Forschungsschwerpunkt.

Wie der Sprecher des neuen Zentrums, der Professor für Biologie Richard Lucius, erklärt, hätten sich ausschließlich Forscher in dem neuen Zentrum zusammengefunden, die sich bereits einen Namen erworben haben und bereit seien, an großen Themen künftig gemeinsam zu arbeiten. Nicht die Institutionen sind für die Kooperation maßgeblich, sondern die Wissenschaftler. Dennoch ist die Liste der eingebundenen Bereiche beeindruckend: Außer den schon genannten Instituten sind die Veterinärmedizin der Freien Universität, das Robert-Koch-Institut, das Institut für Zoo- und Wildtierforschung beteiligt. Insgesamt haben sich 26 Leiter von Universitäts- und Forschungsinstituten in dem Zentrum zu einem Netzwerk zusammengeschlossen.

Bereits jetzt arbeiten etliche Mitglieder des Zentrums an mehreren Sonderforschungsbereichen und Graduiertenkollegs. Das ist eine wesentliche Voraussetzung für einen künftigen Erfolg.

Der Wissenschaftsrat hat jüngst am Beispiel der Medizin den Grundsatz verkündet, dass es für das Renommee einer Universität nicht darauf ankommt, einen Bauchladen von Forschungsschwerpunkten vor sich herzutragen. Seriös könnten nur solche Schwerpunkte sein, die bereits durch Sonderforschungsbereiche und Graduiertenkollegs unterlegt sind.

Das gilt auch für das geplante Antikezentrum der HU. Auch dieser Forschungsschwerpunkt baut auf zwei Sonderforschungsbereichen auf. Alle den Mittelmeerraum umfassenden Gebiete sollen unter dem Epochen- und Kulturbegriff der Antike erfasst werden. Dabei steht die sich wandelnde Bedeutung der Antike im Verlauf der Geschichte von der Renaissance bis ins 19. und 20. Jahrhundert im Vordergrund. Da die Erforschung von Grundlagentexten aus der Antike bis heute nicht abgeschlossen ist, hat das Forschungszentrum in dieser Arbeit seinen zweiten Schwerpunkt. Dabei ist nicht nur an christlich-koptische Urtexte gedacht, sondern auch an bisher vernachlässigte Bereiche wie das antike Wissen in Technik und Medizin. Der Aneignung antiker Wissensbestände über den Umweg der arabisch-spanischen Kultur wird besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

Bei diesem umfassenden Thema bietet sich die Zusammenarbeit mit den Berliner Museen ebenso an wie mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Die Akademie beschäftigt sich schon seit über hundert Jahren mit Editionen aus der Antike. Da die Humboldt-Uni über große Sammlungen und Ausgrabungsfunde aus Nubien verfügt, verfolgt das Antikezentrum außerdem den Plan, eine Dauerausstellung der Bestände zu organisieren oder eine Ausstellung zur Transformation der Antike im Martin-Gropius-Bau vorzubereiten.

Beide Forschungszentren zeugen von dem ungebrochenen Ehrgeiz der Humboldt-Universität, in Europa in der Liga der Spitzenuniversitäten mitzuspielen. Und das unabhängig von der Frage, ob der Elitewettbewerb in Deutschland am Föderalismusstreit scheitert oder nicht.

Uwe Schlicht

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