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Gesundheit: Wie man im Alter geistig gesund bleibt

Lebenslange Hirnstimulation macht widerstandsfähig gegen degenerative Prozesse im Kopf - auch Zeitunglesen hält geistig fit.

„Wer rastet, der rostet.“ Der Volksmund spricht die Wahrheit, das ist jetzt wissenschaftlich erhärtet. Und es gilt nicht nur für den Körper, sondern auch für den Geist; ein wichtiges Ergebnis der Alternsforschung, die herauszufinden sucht, wie man auch beim Älterwerden relativ gesund bleiben und so lange wie möglich selbständig leben kann.

Im Berliner Haus des Bundesministeriums für Bildung und Forschung erfuhr die Öffentlichkeit zwei Tage lang einiges über den Stand der Erkenntnisse zum Thema Altern. Vieles von dem, was Vertreter der vom Ministerium geförderten Forschungsprojekte bekannt gaben, war durchaus erfreulich, wie etwa dies: Der Abbau der Hirnfunktionen, der schon mit etwa 20 Jahren beginnen kann, ist nicht unausweichlich, und selbst in vorgerücktem Alter endet die kognitive Entwicklung nicht notwendig.

Dass man geistig fit bleibt, ist nicht nur Veranlagung oder Glückssache, sondern beeinflussbar, sagte der Berliner Entwicklungspsychologe Ulman Lindenberger vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Lindenberger verwies auf neuro- und verhaltenswissenschaftliche Befunde, wonach das Gehirn lebenslang formbar ist.

Die biologische Alterung lässt sich durch eine förderliche kulturelle und soziale Umgebung und vor allem durch eigenes Verhalten verzögern. Wer schon in jüngeren Jahren geistig aktiv ist und es lebenslang bleibt, der schiebt den Hirnabbau und die Hilfsbedürftigkeit im Alter hinaus.

Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für den positiven Einfluss lebenslanger kognitiver Aktivität brachte der Münchener Demenzforscher Alexander Kurz: Eine Studie ergab, dass Nonnen, die mit einfachen Arbeiten beschäftigt waren, ein zehnfach höheres Risiko für geistigen Verfall (Demenz) hatten als geistig tätige (Lehrerinnen, Oberin), obgleich alle unter sonst gleichen Bedingungen lebten. Dagegen steigerte gezieltes Gedächtnistraining im Alter zwar die Leistungen der Probanden, aber ausschließlich im trainierten Bereich (zum Beispiel Wortreihen merken).

Es bleibt also offen, ob solche Übungen etwas für die Alltagsbewältigung bei beginnender Demenz bringen können. Auch gibt es noch keine Medikamente, die in diesem Frühstadium das Fortschreiten von Gedächtnisstörungen bis zur Demenz aufhalten können, sagte Kurz.

Bis vor kurzem betrachtete man die geistigen Leistungen isoliert und fragte nicht nach anderen Einflüssen. Wie Lindenberger hervorhob, ergaben neue Forschungen, dass geistiges Altern sich durch positive emotionale, soziale und auch körperliche Faktoren aufhalten lässt. Wer regelmäßig in Bewegung ist (es muss kein Leistungssport sein), bleibt auch geistig länger beweglich, wie Trainingsstudien zeigten. Andererseits muss ein bewegungsbehinderter alter Fußgänger seine (vielleicht auch schon beeinträchtigten) Geisteskräfte stärker als ein Junger einsetzen, um beispielsweise eine Autostraße zu überqueren. „Der Geist hilft unsrer Schwachheit auf“, zitierte Lindenberger eine Bachkantate.

Wie es den geistig Aktiven gelingt, trotz nachgewiesener degenerativer Veränderungen dem alternden Gehirn teilweise noch Höchstleistungen abzuringen, wird gerade erforscht. Offenbar haben sie eine „kognitive Reserve“, sagte Kurz: Sie können durch lebenslange Stimulation ihres Gehirns dessen als krankhaft geltende Altersveränderungen so gut kompensieren, dass sie keine Zeichen einer Hirnleistungsschwäche haben.

Wie gesund oder krank werden wir künftig im Alter sein? Eine Prognose wagte Clemens Tesch-Römer vom Deutschen Zentrum für Altersfragen in Berlin, das in einer alle sechs Jahre wiederholten repräsentativen Befragung von Menschen in der zweiten Lebenshälfte (Alterssurvey) umfassende Daten sammelt. Danach sind später Geborene, wenn sie ins Alter früherer Jahrgänge kommen, gesünder als diese. Und auch die alten Befragten bezeichnen ihre Gesundheit im Durchschnitt als recht gut.

Schon die Berliner Altersstudie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung hatte ergeben, dass die ständig steigende Lebenserwartung nicht nur mehr Krankheit mit sich bringt. Im Laufe von nur 30 Jahren haben wir vielmehr fünf gesunde Jahre hinzugewonnen. Tesch-Römer bezweifelt aber, dass das immer so weitergeht. Doch der Alterssurvey ergab auch: Wer aber das eigene Älterwerden nicht nur als Verlust erlebt, sondern es auch als Weiterentwicklung sieht, der lebt gesünder, bleibt besser fit und lebt länger. Rosemarie Stein

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