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Gesundheit: Giftgas aus der Kupferfabrik - in Karabasch ist es normal, mit 45 zu sterben

Die russische Stadt Karabasch ist mit einem äußerst zweifelhaften Prädikat behaftet, seit die UNO sie zu einer der verschmutztesten Städte der Welt erklärt hat. Ursache ist die Umweltbelastung durch die giftigen Gase, die die örtliche große Kupfergießerei Karabaschmed ausstößt.

Die russische Stadt Karabasch ist mit einem äußerst zweifelhaften Prädikat behaftet, seit die UNO sie zu einer der verschmutztesten Städte der Welt erklärt hat. Ursache ist die Umweltbelastung durch die giftigen Gase, die die örtliche große Kupfergießerei Karabaschmed ausstößt. Die Rauchschwaden haben nicht nur einen beträchtlichen Teil der Pflanzenwelt vernichtet; auch die 17 000 Einwohner der Stadt im Ural leiden sehr stark unter den Emissionen.

"Hier ist es normal, im Alter von 45 Jahren zu sterben, bei all dem, was man hier einatmet," sagt der Arzt Wladimir Makarewitsch, der in der 130 Kilometer von Tscheljabinsk entfernten Kleinstadt Karabasch praktiziert. 1998 lag die Sterberate bei 17,9 Toten auf tausend Einwohner, im Vergleich zu 14 Toten auf tausend im Durchschnitt des Landes. Dagegen lag die Geburtenrate mit 6,9 auf tausend Einwohner deutlich unter dem russischen Durchschnitt von neun pro tausend, berichtet er.

Seit Jahrzehnten ist das Erdreich in und um Karabasch durch hohe Konzentrationen der zum Teil hochgradig giftigen Metalle Blei, Arsen, Nickel, Kobalt, Kadmium, Kupfer und Zink verseucht, die die erlaubte Obergrenze teilweise um das Zwei- bis 150-Fache übersteigen. Fabrikdirektor Oleg Ranski gibt denn auch zu, dass die Schornsteine der Gießerei überdies jeden Tag "Hunderte von Tonnen" Schwefel in die Luft blasen. Doch erklärt der stellvertretende Bürgermeister, Wjatscheslaw Jagodinez, sogleich, dass die Gemeinde kein Geld für die Installation von Abgasfiltern habe.

Hinzu kommt, dass sich seit der Gründung der Fabrik im Jahre 1914 rund 18 Millionen Tonnen Kupferschlacke zu schwarzen Abraum-Bergen angehäuft haben, deren Staub der Wind zu den Gemüsegärten in Karabasch trägt. Die gesundheitlichen Folgen könne niemand abschätzen, so der Vorsitzende des städtischen Umwelt-Komitees, Jewgeni Schram. Im Umfeld der sogenannten "kahlen" Berge wächst daher gar kein Grün mehr, am anderen Ende der Stadt gleicht die von Pyrit (Eisensulfat) verseuchte Erde schier einer Mondlandschaft.

Dabei hatte die Stadtverwaltung 1992 die Fabrik aus "ökologischen Gründen" geschlossen, nachdem die Experten des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) auf die alarmierende Verschmutzung aufmerksam gemacht hatten. Doch 1998 wurde die Gießerei von einem einflussreichen Industriellen aus der Nachbarstadt Kischtym gekauft, der trotz aller Warnungen die Wiedereröffnung des Betriebs erreichte.

Seitdem häuften sich im örtlichen Krankenhaus die Fälle von Lungenentzündung und Bronchitis, sagt die stellvertretende Chefärztin Natalja Scharando. Die Zahl der Blutkrankheiten habe sich seit dem vergangenen Jahr verdoppelt, schätzt die Medizinerin, Hauterkrankungen kämen anderthalb mal häufiger vor. Scharando beobachtete weiterhin einen Anstieg der krebsbedingten Sterbefälle von 25,8 auf 39,1 Tote (von 10 000) zwischen 1997 und 1998. Und damit nicht genug: "Ich bin erst 25, und ich habe schon alle Zähne verloren", klagt der in Karabasch aufgewachsene Alexej Petrowitsch.

Vor drei Jahren erschien eine Regierungskommission, sah sich um und befand die Lage schließlich für verheerend. Seitdem ist Karabasch die einzige Stadt in Russland, die offiziell als "ökologische Katastrophen-Zone" anerkannt ist. Bisher hat diese Qualifikation jedoch nichts an den Lebensbedingungen der Einwohner geändert: "Die Regierung hat finanzielle Unterstützung versprochen, aber es ist noch kein einziger Rubel gezahlt worden", seufzt Jagodinez.

Die Fabrikleitung hat zwar zugesagt, bis zum 1. Januar 2000 Luftfilter einzubauen, doch ein Angestellter von Karabaschmed, der anonym bleiben will, äußert starke Zweifel: "Zur Zeit gibt es kein einziges konkretes Projekt." Der Direktor gibt sich dagegen zuversichtlich. Seine Fabrik verursache genauso viele Umweltschäden wie die restliche Metallindustrie im Ural, räumt er ein. Dennoch bestehe Hoffnung, das Problem in zweieinhalb Jahren gelöst zu haben.

Victoria Loguinova (Afp)

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