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Gesundheit: Glaubenssache

Beruht Homöopathie nur auf Einbildung? Eine neue Analyse weckt Zweifel an der Kraft der Kügelchen

Die Wirksamkeit der Homöopathie beruht vermutlich auf Einbildung. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Sozialmediziners Matthias Egger an der Universität Bern, die nun im Fachblatt „Lancet“ veröffentlicht wurde.

Egger und sein Team hatten die Effekte der Homöopathie auf Patienten nicht selbst untersucht. Stattdessen durchforsteten sie in ihrer umfassenden Analyse wissenschaftliche Datenbanken nach Studien, in denen homöopathische Mittel mit Placebos, wirkstofffreien Scheinmedikamenten, verglichen wurden. Sie wählten 110 solcher Untersuchungen aus und stellten sie 110 Studien gegenüber, in denen konventionelle Medikamente getestet wurden. Von Atemwegsinfektionen bis zu Nervenleiden war ein breites Spektrum von Krankheiten vertreten.

„Unsere Analyse zeigt, dass es durchaus gute wissenschaftliche Studien zur Homöopathie gibt“, sagte Egger dem Tagesspiegel. „Sie sind keinesfalls schlechter als Untersuchungen zur konventionellen Medizin.“

Egger beobachtete sowohl für die homöopathische als auch für die konventionelle Medizin eine systematische Verzerrung („Bias“) bei der Veröffentlichung der Ergebnisse: Je kleiner eine Studie, umso positiver fällt sie aus. „Das liegt daran, dass kleine Studien oft nicht veröffentlicht werden, wenn sie negativ sind.“ Durch dieses Verschweigen unerwünschter Resultate wird das Bild also rosiger gefärbt, als es in Wirklichkeit ist. Zudem sind kleine Untersuchungen mit wenigen Patienten wissenschaftlich ohnehin wenig aussagekräftig.

Bei solchen kleinen, „verzerrten“ Untersuchungen schneiden Homöopathie und konventionelle Medizin also erwartungsgemäß überwiegend gut ab. Das ändert sich, je größer und hochwertiger eine Untersuchung ist. Je mehr Patienten an einer Studie teilnehmen, umso schwächer fällt die Wirksamkeit einer Medizin aus – das gilt für alternative wie für herkömmliche Heilverfahren.

Dabei zeigt sich jedoch ein wesentlicher Unterschied: Während der Effekt der homöopathischen Medizin gegen null tendiert – das bedeutet, dass diese so wirksam wie ein Scheinmedikament ist –, haben schulmedizinische Therapien noch immer einen günstigen Effekt, der den eines Placebos übertrifft. Allerdings kann auch die Wirkung eines Placebos erheblich sein. „Unsere Analyse bedeutet nicht, dass Homöopathie keine Wirkung hat“, sagt Egger. „Sie deutet lediglich darauf hin, dass es nicht die homöopathischen Kügelchen sind, die wirken, sondern der Arzt selbst. Der Homöopath ist das Heilmittel, weil er sich Zeit für seinen Patienten nimmt und zuhört.“

„Die Studie ist vernünftig gemacht“, kommentiert Klaus Linde vom Zentrum für naturheilkundliche Forschung des Münchner Klinikums rechts der Isar. „Allerdings finde ich die Schlussfolgerungen zu weitgehend. Wenn die Homöopathie ein Placebo ist – was durchaus sein kann –, dann ist sie ein sehr gutes Placebo.“

Linde hatte vor acht Jahren selbst eine Analyse der wissenschaftlichen Untersuchungen zur Homöopathie vorgenommen, deren Ergebnis damals positiver ausfiel. Allerdings waren zu jener Zeit die Ergebnisse einiger größerer Studien noch nicht bekannt, deren Resultate weniger günstig für die Homöopathie ausfielen. „Dieser Trend hat sich bestätigt“, sagt Linde.

Während der Mediziner Linde der Ansicht ist, dass trotz der neuen Ergebnisse das letzte Wort nicht gesprochen ist, lässt das Fachblatt „Lancet“ kein gutes Haar an dem Heilverfahren: „Je mehr die Belege für die Homöopathie schwinden, umso beliebter scheint sie zu werden“, kommentiert das Blatt unter der Überschrift „Das Ende der Homöopathie“. „Aber die Ärzte sollten ehrlich zu ihren Patienten sein und ihnen eingestehen, dass die Homöopathie keinen Nutzen hat.“

Das sehen Homöopathen naturgemäß anders. „Der Placebovorwurf ist absurd“, kontert der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte. Der Zentralverein stützt sich auf einen noch unveröffentlichten Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO, in dem es heißt: „Die Mehrzahl der wissenschaftlichen Studien in den letzten 40 Jahren haben gezeigt, dass die Homöopathie gegenüber Placebo überlegen ist und der konventionellen Medizin in der Behandlung von Tieren und Menschen gleichgestellt werden kann.“

Auch dieser Bericht der WHO wird jedoch von einem Journalisten des „Lancet“ als „Homöopathie-Propaganda“ kritisiert. Das Blatt zitiert den Alternativmedizin-Experten Edzard Ernst von der Universität Exeter, der der WHO Einseitigkeit vorwirft: „Der Entwurf zu dem Bericht basiert auf positiven Daten, während die negativen Studien ,vergessen‘ wurden.“

Seit es Homöopathie gibt, wird um ihren Wert gestritten – und ein Ende des Streits ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Geht es doch nicht nur um Wissenschaft und Medizin, sondern auch um Geld. So hat die Schweizer Regierung mittlerweile die Kostenübernahme für die Homöopathie und vier weitere Alternativverfahren durch die Krankenversicherung gestoppt. Der Grund: mangelnde Wirksamkeit und Kosteneffizienz. In Deutschland ist man auf dem umgekehrten Weg. Seit Juni wird die Homöopathie von immer mehr gesetzlichen Krankenkassen in vollem Umfang erstattet.

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