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Generelle Impfempfelung: Pharmaunternehmen drängen auf eine Entscheidung.

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Grippeimpfung: Ja oder Nein?: Wenn Viren fliegen

Herbstzeit ist Grippezeit. Soll man Kinder generell impfen? Noch gibt es dazu keine Empfehlung der Impfkommission. Am besten ist es, die eigene Situation in der Familie mit dem Hausarzt abzuklären.

Hatschi! Jetzt geht es wieder los: das Niesen im Nacken während man U-Bahn fährt, das Husten der Kollegen, die im Büro sagen, sie seien nicht wirklich krank, und die fiebrigen Kindergesichter in Berlins Kitas und Schulen. Manche Familien überlegen sich jetzt, wie sie sich und ihre Angehörigen möglichst gut und gesund durch die Saison bringen. Was kann man nochmal tun, um die eigenen Abwehrkräfte zu stärken? Wie war das nochmal mit regelmäßigem Hände-Waschen? Und auch die Frage, ob jemand in der Familie eine Grippeimpfung braucht, gehört da dazu. Denn anders als eine Verkühlung oder ein grippaler Infekt kann die richtige Grippe, auch Influenza genannt, anfällige Personen schwer treffen, einen Krankenhaus-Aufenthalt mit sich bringen und im schlimmsten Fall sogar tödlich verlaufen.

Das Risiko ist in der Familie aber ungleich verteilt: als besonders gefährdet gelten Personen über 60 Jahren. Hier empfiehlt die Ständige Impfkommission des staatlichen Robert-Koch-Instituts (RKI) allen, unabhängig von der gesundheitlichen Verfassung, sich jedes Jahr im Oktober oder jetzt im November impfen zu lassen. Jedes Jahr, weil die Viren sich jedes Jahr ändern und deswegen auch der Impfstoff jedes Jahr angepasst wird. Und jetzt im Herbst, damit man schon bei den ersten auftretenden Erkrankungen und während der erwarteten Hochphase rund um die Jahreswende geschützt ist. Der Körper braucht nach der Impfung zehn bis vierzehn Tage, um den Impfschutz aufzubauen. Aber auch Familienmitgliedern unter 60 Jahren wird eine Impfung empfohlen, wenn sie durch Atemwegserkrankungen, Herz- oder Kreislaufprobleme, Diabetes oder andere chronischen Krankheiten vorbelastet sind. Das gilt auch für Frauen, bei denen die Schwangerschaft in die Grippe-Saison fällt. Während einer Schwangerschaft ist die Immunabwehr geschwächt. Laut Robert-Koch-Institut lässt sich nur ein Bruchteil der genannten Risikogruppen impfen. Unter Schwangeren waren es in der Saison 2012/2013 23,2 Prozent.

Kinder haben ein bis zu 30 Prozent höheres Infektionsrisiko

Am aller häufigsten trifft die Influenza Kinder und Jugendliche. Sie haben Schätzungen zufolge ein 20 bis 30 Prozent höheres Risiko zu erkranken als gesunde Erwachsene. In Berlin wurden 2013 laut Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) 3.313 Fälle von Influenza gemeldet. Über 43 Prozent der 2013 Erkrankten waren unter 19 Jahre. Das Immunsystem von Kleinkindern befindet sich erst im Aufbau und lernt erst mit jeder Erkrankung auf die unterschiedlichen Erreger zu reagieren, erklärt Cornelius Remschmidt vom Fachbereich Impfprävention am Robert-Koch-Institut in Berlin. Bei an sich gesunden Kindern verläuft die Influenza in Regel milde: ein Drittel der Infizierten hat gar keine Symptome, ein Drittel bekommt eine milde Erkältung mit Husten, Schnupfen und einem Tag Fieber. Ein Drittel habe schlagartig schwere Muskelschmerzen, trockenen Reizhusten, der fast bellend klingt, und Fieber von 39 Grad und höher. Säuglinge und Kleinkinder bis vier Jahre kommen nach den über 60-Jährigen auch am häufigsten wegen einer Influenza ins Krankenhaus. 2013/2014 waren es 58 Prozent unter den erkrankten Senioren und 25 Prozent unter den erkrankten 0- bis 4-Jährigen. Scheinbar harmlose Symptome wie Probleme bei der Nasenatmung werden bei kleinen Kindern schneller bedrohlich als bei Erwachsenen. Deswegen wird auch geraten, frühzeitig einen Arzt aufzusuchen.

Für an sich gesunde Kinder empfiehlt die Ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts nicht explizit eine Grippe-Impfung. Sie rät aber auch nicht davon ab. Die Entscheidung sollte mit dem Kinder- und Hausarzt getroffen werden, entsprechend des Risikos des jeweiligen Kindes. Für Kinder mit chronischen Krankheiten wie Bronchitis, Stoffwechselstörungen oder auch neurologische Behinderungen gilt dasselbe wie für vorbelastete Erwachsene: eine Impfung wird empfohlen. Auch Kinder mit Asthma sollten sich impfen lassen, allerdings nicht mit dem Nasenspray, den es seit letztem Jahr für Kinder ab zwei Jahren gibt, sondern mit der Spritze, mit der ab einem Alter von sechs Monaten geimpft werden kann.

Kinder und Jugendliche gegen Influenza zu impfen, kann auch andere schützen

Generelle Impfempfelung: Pharmaunternehmen drängen auf eine Entscheidung.
Generelle Impfempfelung: Pharmaunternehmen drängen auf eine Entscheidung.

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Der Grippe-Impfstoff wirkt im Vergleich zu anderen Impfstoffen allerdings weniger gut. Bei Kindern und Jugendlichen in 60 bis 70 Prozent der Fälle. Die Masernimpfung schützt im Vergleich dazu zu 95 Prozent und mehr. Das heißt, man kann auch trotz Grippeimpfung Grippe bekommen. In der Regel verläuft die Krankheit dann aber nicht so stark, so Remschmidt vom RKI. Zu möglichen Nebenwirkungen der Spritze zählen lokale Rötungen und Schwellungen und Unwohlsein, das nach ein bis zwei Tagen abklingen sollte. Der Nasenspray für Kinder kann zu verstopfter oder laufender Nase führen. Auch Fieber ist eine mögliche Reaktion auf den Impfstoff, tritt laut RKI aber selten auf und ist teilweise auch schwer abzugrenzen von Fieber aufgrund anderer im Winter kursierender Viren. Insgesamt schwankt das Ausmaß der Grippewelle laut LaGeSo von Jahr zu Jahr stark: 2009, als es eine deutschlandweite Pandemie gab, wurden in Berlin 9.458 Influenza-Fälle gemeldet. Im Jahr 2012 waren es 397 gemeldete Fälle.

Kindern und Jugendliche gegen Influenza zu impfen, kann aber auch andere schützen. Die Grippe verbreitet sich wie andere Viren besonders stark in Kitas und Schulen, die Kinder stecken dann ihrer Familien an. Studien und Modellrechnungen zeigen, dass durch hohe Impfquote bei Kindern und Jugendlichen auch gefährdete Erwachsene geschützt wären. Wegen dieser „indirekter Impfeffekte“ werden in Großbritannien seit 2014 2- bis 16-Jährigen an Schulen geimpft. Auch in den USA und in Finnland wird empfohlen schon Kinder zu impfen. Nun drängen verschiedene Interessensgruppen, darunter auch die Pharma-Unternehmen auf eine Entscheidung in Deutschland, ob die Impfempfehlung auf Kinder und Jugendliche ausgeweitet werden soll. Wichtige Punkte für die Diskussion sind dabei unter anderem die Wirksamkeit des Impfstoffes und die Schwere der Krankheitsverläufe. Aber auch ökonomische Faktoren spielen eine Rolle: wie viel kostet der Impfstoff, wie viel an Behandlungskosten könnte man sich sparen? Für die Entscheidung der STIKO gibt es noch kein Datum.

Für die einzelne Familie bleibt zu überlegen, ob in der Nähe des Kindes eine gefährdete Person lebt: wohnt man mit der anfälligen Großmutter zusammen? Besucht man regelmäßig einen Verwandten, der gerade Chemotherapie macht? Dann ist eine Impfung empfohlen, um die Angehörigen zu schützen. Generell rät Cornelius Remschmidt Eltern, „sich nicht treiben zu lassen vom Umfeld“, etwa weil sich gerade alle anderen Eltern aus der Kita oder der Klasse für oder gegen die Impfung aussprechen. Am Besten ist die eigene Situation mit dem Haus- oder Kinderarzt abzuklären. Und auch wenn schon jemand krank ist, kann man noch helfen, weiteren Ansteckungen vorzubeugen: dazu gehört es zwei Meter Abstand zu halten von niesenden oder hustenden Personen - und bei schwerem Fieber zuhause zu bleiben.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung informiert unter www.impfen-info.de/grippe über Impfempfehlungen, die Ausbreitung der Grippe und verschiedene Impfstoffe.

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