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Gesundheit: Hanf und Hasch: Zwischen Hysterie und Leichtfertigkeit - Wenn das Kiffen zum Problem wird

Immer mehr Jugendliche bekommen ihren Cannabis-Konsum nicht mehr ohne fremde Hilfe in den Griff. "Wir wollen nicht eine erneute Anti-Haschisch-Hysterie schüren", sagt Andreas Gantner, Leiter des Therapieladens in Schöneberg, "aber wir sehen immer mehr jugendliche Kiffer, die massive psychische Probleme bekommen.

Immer mehr Jugendliche bekommen ihren Cannabis-Konsum nicht mehr ohne fremde Hilfe in den Griff. "Wir wollen nicht eine erneute Anti-Haschisch-Hysterie schüren", sagt Andreas Gantner, Leiter des Therapieladens in Schöneberg, "aber wir sehen immer mehr jugendliche Kiffer, die massive psychische Probleme bekommen." Zwar verursache Cannabis keine körperliche Abhängigkeit; viele Jugendliche würden aber nach jahrelangem exzessiven Konsum der völligen Lethargie anheim fallen oder durch das Kiffen verstärkte psychische Probleme kommen. Gerade ältere Jugendliche, so Gantner, bäten immer häufiger von sich aus um therapeutische Hilfe, weil sie spürten, dass es so nicht weiter gehe.

Die Einschätzung Gantners deckt sich mit den Ergebnissen einer Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums: Danach tritt bei zwei Prozent derjenigen, die ausschließlich Haschisch konsumieren, eine messbare psychische Abhängigkeit auf; unter denen, die auch noch andere Drogen nehmen, erhöht sich der Wert auf acht bis zehn Prozent. Auch wenn die Zahlen nicht besonders hoch seien, so Gantner, müssten diese ins Verhältnis zu mehreren Millionen Kiffern in Deutschland gesetzt werden. In West-Berlin hatte nach Angaben der Senatsjugendverwaltung 1999 jeder fünfte 18 bis 24jährige Erfahrungen mit Cannabis, im Ostteil jeder achte. Gantner: "Da bleiben schon einige übrig, um die man sich kümmern muss."

Dazu kommt, dass sich laut der BMG-Studie unter Federführung des Berliner FU-Professors Dieter Kleiber fast ein Viertel der Dauerkonsumenten selbst als abhängig einschätzt. Und sogar 70 Prozent der Befragten erklären, schon einmal "Probleme" gehabt zu haben; berichtet wird vor allem von der abnehmenden Fähigeit, "persönliche Vorhaben zu realisieren", aber auch von Filmrissen, psychischen Störungen und Ärger in der Familie. Christine Köhler-Azara, Leiterin des Berliner Büros für Suchtprophylaxe, konstatiert, dass regelmäßiger Haschisch-Konsum auch von vielen Eltern zu sehr auf die leichte Schulter genommen werde. Das, so Köhler-Azara, habe auch etwas "mit dem immer liberaler werdenden Klima gegenüber dieser Droge zu tun". Das Büro für Suchtprophylaxe vermutet, dass auch die Zahl der Konsumenten steigt. Man bekomme in letzter Zeit "unheimlich viele Anfragen aus Schulen oder Elternkreisen". Besonders gefährdet für riskanten Cannabis-Konsum seien Schüler ab der 8. Klasse.

Auch Andreas Gantner fordert, exzessiven Haschisch-Konsum weiterhin ernst zu nehmen. "Kaum haben wir das Klischee bekämpft, wer heute kifft, morgen an der Nadel hängt, da lehnen sich viele Eltern zurück und sagen: Wir haben doch auch gekifft! Das ist doch nicht so schlimm!" Seiner Erfahrung nach habe exzessives Kiffen aber oft nicht mit reinem Vergnügen, sondern mit psychischen Problemen und der Bewältigung von Entwicklungskrisen zu tun. Auch zur Verdrängung von Missbrauchserlebnissen würde häufig Haschisch konsumiert.

Auf die Behandlung von Cannabis-Abhängigkeit ist man bisher in Berlin kaum eingestellt. Der Therapieladen ist die einzige Institution, die gezielte psychotherapeutische Betreuung anbietet. Im Vordergrund steht dabei nicht die möglichst baldige Abstinenz, sondern die Frage, warum und in welchen Situationen jemand zu Drogen greift. "Abstinenz muss gewollt werden", sagt Gantner, "und dahin muss man die Leute erst einmal bringen. Meist gibt es nachvollziehbare Gründe dafür, warum jemand dauernd zum Joint greift."

Oft landen Cannabis-abhängige Jugendliche auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Dort sind viele Ärzte mangels Schulung mit dem Problem aber auch überfordert; dazu kommt, dass eine stationäre Betreuung häufig überhaupt nicht ansteht. "In dem Bereich gibt es immer noch viel zu wenige ambulante Angebote", konstatiert auch Ulrike Lehmkuhl, Direktorin der Jugendpsychiatrie an der Charité.

Jeannette Goddar

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