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Gesundheit: Hauptsache extravagant

Die neuen Bachelor-Abschlüsse sind oft viel zu speziell angelegt, kritisieren Experten

Läuft bei der großen Studienreform in Deutschland etwas schief? Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) hat die Bachelor-Studiengänge durchleuchtet – und gibt den Verantwortlichen viele Hausarbeiten auf.

Schon beim ersten Blick über die Bachelorstudiengänge fällt auf, dass viele thematisch sehr eng angelegt sind (www.hochschulkompass.de). „Zu eng“, meinen die CHE-Experten. „Das ist weder im Sinne der Studierenden, noch passt es in die internationale Hochschullandschaft.“ „Dienstleistungsmanagement“ heißt ein solches Sonderangebot aus dem Lehrgebiet der Betriebswirtschaft. Die Studiengänge sollen offenbar extravagant und konkurrenzlos erscheinen. Arboristik (Baumkunde) und Cruise Industry Management (Seetourismus) sind kaum noch zu übertreffende Beispiele dafür.

Demgegenüber gewinnen in England und USA fächerübergreifende Kombi- oder Doppelabschlüsse an Boden. Auch Hans-Uwe Erichsen, der Präsident des Akkreditierungsrates für das fachliche Gütesiegel der Bachelor- und Master-Studiengänge, fordert ein breit angelegtes („polyvalentes“) Bachelorstudium, das für ein weites Berufsspektrum befähigt und nicht zum Fachidiotentum führt.

Das CHE kritisiert auch eine „politische Versteifung“ bei der zeitlichen Konzeption der neuen Studiengänge. Allzu stark lege man sich auf eine Regelstudienzeit von drei Jahren fest – dabei wären durchaus auch vier Jahre möglich. Flexibilität – auch zeitliche Flexibilität – seien im Ausland aber die Erfolgsfaktoren für die gestuften Studiengänge: Die Bewerber sollen aus dem Angebot diejenige Variation wählen können, die ihren Bedürfnissen am besten entspricht.

Auch sonst sehen die deutschen Bachelor-Studiengänge nur auf den ersten Blick so aus wie ihre angelsächsichen Vorbilder. Keineswegs lässt sich das Regelstudium für jeden „Hochschulzugangsberechtigten“ jedoch auf internationale Beispiele gründen. Ein Recht auf einen Studienplatz gibt es dort nicht. In Großbritannien etwa wird nicht jeder Abiturient zugelassen – sondern die Professoren entscheiden, ob sie einen Kandidaten aufnehmen. So kommt ein zweifacher Wettbewerb in Gang: Die Studienbewerber konkurrieren untereinander um die attraktivsten Studienplätze, die Hochschulen konkurrieren um die interessantesten Bewerber, schreiben die Forscher vom Centrum für Hochschulentwicklung. Trotzdem gebe es in allen englischsprachigen Ländern einen breiten Hochschulzugang: Das System ist stark ausdifferenziert – am Ende finde der Großteil der Bewerber eine passende Hochschule.

Während man in Deutschland davon ausgeht, dass das Bachelor-Studium für den Beruf qualifiziert, wird der Bachelor in den USA oft erst durch den anschließenden Besuch einer universitären Professional School berufsfertig, zum Beispiel als Jurist.

An den deutschen Masterstudiengängen kritisiert das CHE, die Unterscheidung in „forschungsorientierte“ und „anwendungsorientierte“ Studiengänge drohe sich „in kontraproduktiver Weise zu verfestigen“. Auch im Ausland gebe es die Unterscheidung zwar – doch längst nicht so deutlich wie in Deutschland, wo „unzweckmäßige Wertigkeitsvorstellungen“ herrschen, zu Deutsch: akademischer Dünkel, zumal der Universitäten. Gerade die Verzahnung von Forschung und Anwendung auf allen Niveaustufen macht das CHE aber als Stärke angelsächsicher Hochschulsysteme aus.

An den angelsächsischen Bachelor-Modellen lobt die CHE-Studie „eine im Vergleich zu Deutschland hohe Durchlässigkeit ,von unten’ auf“. Das heißt: In der beruflichen Bildung erbrachte Vorleistungen können auf das Hochschulstudium angerechnet werden. In Deutschland sind die meisten Ausbildungsgänge noch immer nicht anschlussfähig: Die Leistungen aus der Ausbildung verfallen an den Hochschulen einfach. Das verlängert die Studienzeiten oder schreckt sogar vom Studium ab. Deutschland liege in diesem Punkt mehr als zehn Jahre hinter anderen Ländern zurück, sagen Experten.

Mehr zum Thema:

wwww.che.de

Hermann Horstkotte

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