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HeilSTÄTTEN: Wo die alliierten Panzer donnerten

An einem Sonntag im März 1988 besucht eine Krankenschwesternschülerin von Station 2c den Gottesdienst im Speisesaal des Oskar-Helene-Heims. Die Pastorin begrüßt sie.

Von Heike Gläser

An einem Sonntag im März 1988 besucht eine Krankenschwesternschülerin von Station 2c den Gottesdienst im Speisesaal des Oskar-Helene-Heims. Die Pastorin begrüßt sie. Sie waren zu zweit, kein anderer kam. Tags zuvor war ein Patient auf Station 2c verstorben. Es war die erste Begegnung der jungen Schülerin mit dem Tod. Sie suchte bei der Pastorin Beistand. Doch das vertrauliche Gespräch wurde jäh unterbrochen – durch ohrenbetäubenden Lärm, verursacht von vorbeifahrenden Panzern. Übung für den Ernstfall.

Eine Szene, die heute unvorstellbar ist. Aber im Kalten Krieg kam so was vor. Das Oskar-Helene-Heim in der Clayallee lag im amerikanischen Sektor, unweit der Grenze. Keiner ahnte damals, dass zwei Jahre später die Mauer fallen würde. Die orthopädische Klinik mit angeschlossener sportmedizinischer Abteilung in Zehlendorf hatte im alten West-Berlin einen vorzüglichen Ruf. Auch nach der Wende existierte das „OHH“, wie es gerne genannt wurde, weiter – bis zur Schließung 2000. Zehn Jahre Leerstand, OP-Trakt und Notaufnahme dienten als Filmkulisse für „Tatort“ und „Polizeiruf 110“. Ob Schauspieler wie Andrea Sawatzki wissen, dass die Klinik eine hundertjährige bewegte Geschichte hinter sich hat?

Um 1900 wollten die Industriellengattin Helene Pintsch und der Arzt Konrad Biesalski behinderte Kinder und Jugendliche so behandeln, dass sie wirtschaftlich selbstständig werden konnten. Daraus entstand die erste Rehabilitationsklinik. Mit ihrem Gatten Oskar Pintsch gründete die sozial engagierte Helene 1905 das „Oskar-Helene-Heim für Heilung und Erziehung gebrechlicher Kinder“. Damals sprach man noch von „Krüppelheimen“. 1945 waren 50 Prozent der Gebäude zerstört, es begann der Wiederaufbau. Mitte der 50er Jahre wurde das OHH orthopädische Universitätsklinik der FU Berlin, in den 60er Jahren kam der Neubau einer Kinderstation dazu, in den 80er Jahren ein neues OP-Gebäude.

Als die angehende Krankenschwester 1988 im OHH ihre Ausbildung absolvierte, lagen auf der Station 2c nur männliche Patienten in Vier- oder Sechs-Bett- Zimmern. Das Gros bestand aus Senioren mit Oberschenkelhalsbrüchen. Manchmal waren auch Jüngere dabei mit Bänderriss oder lädiertem Meniskus nach Sportunfall. Und es gab einen geistig verwirrten älteren Herrn, einer der wenigen, der ein Einzelzimmer bewohnte. Der alte Mann hatte einen komplizierten Bruch am linken Unterarm und am Handgelenk, den er sich selbst mit einem Beil zugefügt hatte. Wie es genau dazu kam, konnte nie genau geklärt werden. Doch diese Geschichten sind längst Geschichte.

Nun wird auf dem ehemaligen Gelände des Oskar-Helene-Heims ein neuer Wohn- und Gesundheitsstandort entstehen, Investitionsvolumen: 130 Millionen Euro. Das Gesundheitszentrum soll eine medizinische Vollversorgung samt Fitness- und Wellnessangeboten umfassen. Außerdem sind eine Privatklinik und ein Hotel in Planung. Heike Gläser

OSKAR-HELENE-HEIM

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