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Gesundheit: Heiße Inseln auf kalter Platte

Die Hawaii-Vulkane reihen sich wie eine Perlenkette aneinander – ihr Gestein kommt tief aus dem Erdinnern

Wie Perlen auf einer Kette zieht sich mitten im Pazifik eine Gruppe von Vulkanen von der Insel Hawaii mit einem leichten nördlichen Trend nach Westen. Je weiter diese Vulkane im Westen liegen, umso niedriger sind ihre Gipfel. Da Wind und Wetter mit der Zeit ganze Berge abtragen, müssen die niedrigen Berge im Westen also älter sein als die im Osten.

Die Erklärung für die langgezogene Kette der Vulkane sitzt tief unten im Erdmantel. Dort liegt ein „Hot Spot“ – so nennen Geophysiker jene Zonen in vielen 100 Kilometern Tiefe, die 100 oder 200 Grad heißer als ihre Umgebung sind. Bislang dachten Wissenschaftler, die Hot Spots seien fest im Erdmantel verankert. Aber ein relativ spröder Artikel in der aktuellen Online-Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Science“ könnte nun der Sargnagel für diese einprägsame Theorie sein: Die Hot Spots wandern nämlich offenbar mit relativ hohen Geschwindigkeiten umher, wie eine Gruppe US-amerikanischer, japanischer und kanadischer Wissenschaftler festgestellt hat.

Wandernde Förderschlote

Sicher ist, dass sich die Hawaii-Inseln über einem Hot Spot gebildet haben. Die höheren Temperaturen schmelzen einen kleinen Teil des Gesteins im Hot Spot. Dieses werde dadurch ein wenig beweglicher als das Gestein der Umgebung, erklärt Onno Oncken vom Geoforschungszentrum in Potsdam die weiteren Vorgänge. Das heiße Material ist leichter als seine Umgebung und steigt daher langsam nach oben. Irgendwann erreicht es dann als inzwischen aufgeschmolzenes Magma die Erdoberfläche und ein Vulkan bricht aus. In der Waagerechten aber bewegt sich der Hot Spot nicht, lautet die gängige Theorie der Geophysiker.

Die pazifische Erdplatte gleitet daher langsam über den Hot Spot in Hawaii hinweg, wenn sie sich nach Westen bewegt. Befindet man sich oben auf der Platte und gleitet mit ihr, scheint sich der Hot Spot also langsam nach Osten zu bewegen. Und mit der Zeit bildet sich aus dem nach oben steigenden Magma eine ganze Kette von Vulkanen, deren jüngster ganz im Osten liegt. Tatsächlich brechen die Vulkane am östlichen Ende der Hawaii-Inselkette häufig aus, während die Aktivität im Westen längst erloschen ist.

Kurz hinter der imaginären Datumsgrenze am 180. Längengrad knickt die Kette der Hawaii-Vulkane fast rechtwinklig nach Norden ab. Als Emperor Seamounts zieht sie sich bis zur Kamtschatka-Halbinsel im äußersten Osten Sibiriens hinauf. Kein einziger Gipfel ragt mehr über den Meeresspiegel. Da die Unterwasser-Berge nach Norden hin immer niedriger werden, scheint folgende Erklärung nahe liegend:

Vor sehr langer Zeit wanderte die Platte nach Norden und der Hot Spot brannte wie ein fest im Erdmantel verankerter Bunsenbrenner die ältesten und heute niedrigsten Vulkane ganz im Norden durch die Erdplatte. Dann aber änderte die Platte ihre Richtung, driftete nach Westen und der Hot Spot schuf die Vulkankette der Hawaii-Inseln mit den jüngsten Eruptionen ganz im Osten.

Solche abrupten Richtungsänderungen einer Erdplatte sind nicht ungewöhnlich. Die afrikanische Platte ist zum Beispiel viele Jahrmillionen lang in Richtung Osten gewandert, um dann vor einigen Jahrmillionen plötzlich nach Norden umzuschwenken. Bei der Kollision mit Europa gab es prompt erhebliche „Blechschäden“: In der Knautschzone wurde die europäische Platte nach oben gedrückt, die Alpen entstanden.

Schwimmende Erdplatten

Allerdings schwimmen die Erdplatten ähnlich wie die Eisschollen in einem Treibeisfeld dicht beieinander, beschreibt Onno Oncken die Situation auf der Erdoberfläche. Sobald daher eine Platte ihre Richtung ändert, kollidiert sie mit einer Reihe weiterer Platten und verändert deren Bewegung.

Wenn aber die pazifische Platte vor rund 47 Millionen Jahren abrupt nach Westen abgebogen sein soll, findet sich dafür keine hinreichende Erklärung. Es sei denn, die Hot Spots sind nicht so fest verankert, wie bisher gedacht. Die Wissenschaftler um John Tarduno von der Rochester University im US-Bundesstaat New York gingen der Sache im wahrsten Sinn des Wortes auf den Grund: Von Bord des Forschungsschiffes „Joides Resolution“ nahmen die Wissenschaftler sorgfältig Bodenproben aus drei unter dem Meeresspiegel liegenden Vulkangipfeln der Emperor Seamounts-Kette.

Als sie das Alter dieser Gesteine mit Hilfe von Isotopen-Analysen bestimmten, konnten sie die herkömmliche Theorie weitgehend bestätigen: Nicht weit von der Knickstelle erreicht der längst erloschene Unterwasservulkan Koko fast den Meeresspiegel. Er war vor 49 Millionen Jahren aktiv. Weiter im Norden werden die Emperor Seamountains älter: Ungefähr in der Mitte liegt der Nintoku mit rund 56 Millionen Jahren, während der Detroit ganz im Norden 75 bis 81 Millionen Jahre auf dem Buckel hat.

Eine Riesenüberraschung aber erlebten die Wissenschaftler, als sie die Magnetisierung in ihren Bodenproben bestimmten. Beim Erstarren der Lava frieren winzige magnetische Partikel die Richtung der Feldlinien des Erdmagnetfeldes ein. Diese Feldlinien dringen in unterschiedlichen Winkeln in die Erdoberfläche ein: Je näher man sich an den Polen befindet, um so größer ist dieser Winkel, während die Feldlinien am Äquator praktisch parallel zur Erdoberfläche laufen.

Bestimmt man also den Winkel dieser Feldlinien in der erstarrten Lava, kann man leicht ausrechnen, auf welchem Breitengrad das Gestein erstarrt ist. Wäre der Hot Spot an der gleichen Stelle geblieben, während die Platte sich über ihn hinwegbewegte, sollten die Gesteinsproben immer den gleichen Breitengrad anzeigen, auf dem das jeweilige Gestein entstand. Genau das ist aber nicht der Fall. Nach den neuen Daten scheint sich der Hot Spot selbst mit einer Geschwindigkeit von mehr als vier Zentimetern im Jahr nach Süden bewegt zu haben.

Damit aber gerät das gesamte Koordinatensystem der Geophysiker ins Wanken. Bisher nahm man meist die Hot-Spots als Fixpunkte und bestimmte die relative Bewegung von Erdplatten oder des magnetischen Nordpols relativ zu diesen „Bunsenbrennern“ im Erdmantel. Wenn sich die Hot Spots aber selbst bewegen, taugen sie natürlich nicht mehr als Fixpunkte. Die Geophysiker müssen ihr Koordinatensystem nun neu eichen.

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