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Gesundheit: Heißer Tipp

Sage mir, wie du schreibst, und ich sage dir, wer du bist: Tippverhalten und Handschrift verraten uns

Versteckspielen war schon immer spannend – auch für Erwachsene. Früher gingen sie auf Maskenbälle, um sich unerkannt zu amüsieren. Heute gehen sie ins Internet. Dort bieten „Chats“ (englisch für Plauderei) die perfekte Anonymität. Jeder kann schreiben, was er will, denn die anderen sehen nichts weiter als die Texte, die er in den Computer tippt. Kein Gesicht, keine Stimme, kein Geruch, keine Handschrift, kein Gegenüber: Das ist die perfekte Tarnung, oder?

Nicht ganz. „Wir können Personen an ihrem Tippverhalten erkennen“, sagt Dieter Bartmann, Wirtschaftsinformatiker an der Uni Regensburg. Er war an der Entwicklung von „Psylock“ beteiligt. Das ist ein Verfahren, das Menschen an der Art und Weise identifiziert, wie sie eine Tastatur bedienen. „Tests haben gezeigt, dass die Methode genauso gut funktioniert wie die Fingerabdruck-Erkennung“, sagt Bartmann.

Aber was soll charakteristisch daran sein, wie jemand Buchstaben eintippt? Bartmann nennt Merkmale, wie sich Menschen beim Tastaturschreiben unterscheiden. Personen etwa, die sich das Tippen selbst beigebracht haben, würden die Shift-Taste meist mit der schwachen Hand anschlagen, die Buchstabentasten hingegen mit der starken Hand.

Auch der Schreibfluss sei individuell: Je schlechter das Kurzzeitgedächtnis des Nutzers, umso kürzer sind die Buchstabenfolgen, die er sich merkt, und desto öfter muss er beim Schreiben innehalten. Sehr wichtig seien die Pausen zwischen den einzelnen Anschlägen. „Personen, die schnell schreiben“, so Bartmann, „schlagen den nächsten Buchstaben oft schon an, während sie noch den vorigen drücken.“ Bei langsamen Schreibern, die mit dem „Zwei-Finger-Suchsystem“ tippten, käme so etwas praktisch nicht vor.

Eine ausgefeilte Statistik wertet all diese Merkmale aus und erstellt daraus ein persönliches Profil. „Die Mathematik dahinter ist sehr anspruchsvoll, wir haben 14 Jahre daran geforscht“, sagt Bartmann. Besonders problematisch sei gewesen, dass jeder Mensch zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich gut tippt. So mache man unter Stress deutlich mehr Fehler. „Viele dieser Fehler sind aber wiederum charakteristisch, treten also – abhängig von der Person – immer bei bestimmten Buchstabenfolgen auf. Auch das fließt in die Auswertung ein“, erklärt der Informatiker. Auch die Methode, Tippfehler zu berichtigen, sei charakteristisch. Je mehr eine Person eingibt, umso mehr Daten kann „Psylock“ auswerten. Das macht die statistischen Aussagen über das Tippverhalten verlässlicher, wodurch die Schrift im Lauf der Zeit immer sicherer identifiziert werden kann. Um ein Profil von sich anlegen zu lassen, muss jeder Nutzer zunächst einen bestimmten Text mehrmals hintereinander eingeben. Anschließend verfügt das System über genügend Daten zur sicheren Identifizierung.

Wo könnte es künftig interessant sein, Menschen an ihrem Tippverhalten zu identifizieren? „Zum Beispiel im Internet, um den Zugriff auf bestimmte Seiten nur ausgewählten Personen zu gestatten“, sagt Bartmann. Bisher wird so etwas durch Passwörter geregelt – kein besonders sicherer Schutz. Denn Passwörter können, sofern bekannt, von jedem genutzt werden. Untersuchungen haben gezeigt: Etwa jedes vierte Passwort in der Arbeitswelt kennen (unzulässigerweise) jeweils mehrere Kollegen. Entsprechend hoch liegt das Risiko des Missbrauchs.

„Ein weiteres Problem besteht darin, dass viele Leute ihre Passwörter vergessen, was zu beträchtlichen Kosten und Arbeitsausfällen führt“, so Bartmann. Das macht das System für Hochschulen interessant. Denn etwa fünfzig Prozent der Studenten, so zeigte sich, vergessen während des Studiums ihre Uni-Passwörter. Sie müssen dann neue beantragen und bürden den Rechenzentren damit viel Arbeit auf. „Um die Situation zu entschärfen, bieten wir unseren Studenten schon jetzt die Möglichkeit, sich selbst ein neues Passwort zu geben. Dabei identifizieren sie sich über ihr Tippverhalten, so dass ein Missbrauch weitgehend ausgeschlossen ist“, sagt Bartmann.

Könnte das Tastaturschreiben auch für die Polizei interessant sein, um Verdächtige damit zu identifizieren? „Eher nicht“, meint der Experte, „denn der Verdächtige kann absichtlich schlecht tippen, sich also verstellen.“ Dies mache es schwer, ihn zu identifizieren.

Ein anderes biometrisches Merkmal, die Unterschrift, spielt dagegen beim Aufklären von Verbrechen eine große Rolle „Ihre wesentlichen Merkmale bleiben meist während des ganzen Lebens erhalten“, sagt Arne Brandes, Geschäftsführer der Ratinger Firma „Signotec“, die sich auf elektronische Unterschriften spezialisiert hat.

Dabei ist nicht nur das Schriftbild einer Signatur interessant, sondern auch der Schreibvorgang an sich. „Ein wichtiges biometrisches Merkmal ist die Geschwindigkeit“, erklärt Brandes. „Wie lange dauert es, bis die Unterschrift geleistet ist?“ Aufschlussreich sei auch, wann und wie der Schreiber den Stift beschleunigt. Wann wird er gebremst und wann wird er schneller? Ein weiteres Merkmal sei, wie stark der Schreiber den Stift aufdrücke und zwar abhängig davon, welchen Strich er gerade mache.

Brandes’ Firma entwickelt Computerprogramme, die solche Eigentümlichkeiten erkennen. Die Testperson schreibt dabei auf einer speziellen Unterlage, die mehrere Dinge registriert: etwa die Geschwindigkeit des Stifts in x- und y-Richtung, aber auch, wann der Druck des Stifts zu- oder abnimmt. Daraus ermittelt das Programm die biometrischen Merkmale der Unterschrift, von denen es insgesamt mehrere Dutzend gibt. So ist auch interessant, wie viele Gipfel oder Schleifen jemand in seiner Signatur macht oder wie oft er beim Schreiben absetzt.

„Wenn wir die Unterschrift biometrisch erfasst haben, können wir sie mit Schriftproben auf Papier vergleichen“, sagt Brandes. Dazu müsse das Gutachten eines Schriftexperten eingeholt werden. Ein solcher Vergleich zeigt beispielsweise, von wem die Unterschrift unter einem Vertrag wirklich stammt. „Besonders Banken interessieren sich für dieses Verfahren“, sagt Brandes, „aber auch Reparaturfirmen, deren Kunden manchmal bestreiten, bestimmte Auftragsscheine unterzeichnet zu haben.“ Bei heiklen Aufträgen ließen diese Firmen ihre Kunden auf elektronischen „Pads“ unterschreiben, die die Bewegungen des Stifts registrieren und abspeichern. Dies vereinfacht einen biometrischen Vergleich, sollte er sich später als notwendig erweisen.

Und wie sicher ist die Unterschriftenerkennung? Das hängt davon ab, wie sorgfältig die entsprechende Person zeichnet. „Bei komplexen Unterschriften kann man den Urheber extrem sicher identifizieren“, so Brandes. Wenn aber Ärzte ein Rezept abzeichnen, machen sie oft nur einen Strich auf dem Papier. „Da kann man so gut wie nichts herauslesen“, sagt Brandes, „eine solche ‚Unterschrift’ enthält praktisch keine Information.“

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