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Gesundheit: „Hinter bestimmten Unis stehen Politiker“

Nicht nur die Qualität, sondern Bund und Länder entscheiden darüber, wer Elite-Hochschule wird, sagt der Experte Daniel J. Guhr

Herr Guhr, die Wissenschaft blickt der Vorentscheidung im Exzellenz-Wettbewerb mit Spannung entgegen. Warum wird der Exzellenzinitiative trotz ihres – im Vergleich zu amerikanischen Bedingungen – bescheidenen Budgets eine so große Wirkung zugeschrieben?

Das hat drei Gründe. In Deutschland machen ein paar Millionen Euro einen großen Unterschied, denn viele Hochschulen verfügen nur über einen Jahresetat von 100 bis 200 Millionen Euro. Zwar wird effektiv nicht mehr Geld im System sein, denn die 1,9 Milliarden Euro werden dem Hochschulsystem anderswo abgezogen. Doch die Universitäten können damit ganz gezielt die Forschung fördern – es gilt einmal nicht das Gießkannenprinzip. Und drittens kann sich eine siegreiche Uni anders darstellen: vor den Studierenden und Nachwuchsforschern, der Landesregierung, den Stiftungen und der Wirtschaft.

Was sind die Folgen des Wettbewerbs für die deutsche Hochschullandschaft?

Die Konsequenzen sind weitreichend. Deutschland nimmt von der jahrzehntelang gehegten Illusion Abschied, dass alle 117 Universitäten Forschungsuniversitäten sind. Hier hat Deutschland lange Zeit Mittel falsch verteilt, indem es versucht hat, die Schwachen auf Kosten der Leistungsfähigen hochzuziehen. Als Ergebnis spielt nur eine Hand voll deutscher Universitäten ernsthaft unter den Top 100 mit – das ist deutlich zu wenig. Andere werden sich damit abfinden müssen keine Forschungsuniversitäten mehr sein zu können.

Was wird aus diesen Universitäten?

Sie werden in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren gezwungen sein, ihren Platz neu zu bestimmen. Das trifft vor allem die kleinen Universitäten in der Provinz wie Hildesheim oder Halle. Sie werden im Wettbewerb um Forscher unterliegen und sich auf Nischen oder die Ausbildung für den lokalen Bedarf konzentrieren müssen. Die Unterschiede zwischen Fachhochschulen und kleinen, nicht-forschenden Universitäten werden verwischen. Das Ergebnis ist, dass gute Fachhochschulen durch die Deformierung dieser Universitäten gestärkt werden.

Bislang hatten auch kleine Unis ein passables Niveau. Das geht jetzt verloren?

Ja. Die Politiker werden nur noch auf die Gewinner setzen. Auf allen Ebenen werden die Mittel konzentriert: durch den Bund, die Länder und in den Universitäten selber. Wie in Australien oder Großbritannien werden Hochschulen finanziell unattraktive Fächer zum Teil unabhängig von deren wissenschaftlichen Leistungen schließen. Auch gute kleine Hochschulen wie Konstanz oder Eichstätt werden es schwer haben. Womöglich gelingt es ihnen aber auch, Nischen der Exzellenz zu bewahren.

Werden Unis, die im Wettbewerb scheitern, da nicht in Depressionen verfallen?

Ja, besonders, weil sich viel zu viele beworben haben. Wenn es wirklich so viele exzellente Hochschulen gäbe, stünde Deutschland besser da. Man hätte die Anforderungs- und Auswahlkriterien vorher deutlich kommunizieren müssen. Es ist auch ein Fehler, dass kein politischer Konsens darüber erzielt wurde, wie viele Hochschulen tatsächlich in die dritte Förderlinie kommen. Jetzt machen sich 27 Hochschulen die Mühe der Bewerbung. Hochschulen wie Bochum, Leipzig oder Bremen haben im internationalen Elite-Wettbewerb jedoch keine Chance – und darum geht es in diesen Wettbewerb.

Die Unis sagen: Selbst wenn wir nicht gewinnen, haben wir viel über uns gelernt und uns neu aufgestellt.

Hochschulen wie Mannheim, Karlsruhe, und Darmstadt haben bereits erfolgreich Reformen eingeleitet. Dies sollte sich auch in guten Anträgen ausdrücken. Bei vielen anderen Hochschulen fehlt eine solche erfolgreiche Universitätskultur noch. Aus einem gescheiterten Antrag kann daher auch wenig gelernt werden.

Heidelberg scheint sich bereits als Sieger zu sehen?

Die öffentliche Anmeldung von Gewinnansprüchen ist wenig geschickt. Wer den Gutachtern signalisiert, dass er ihr Urteil für wertlos hält, gefährdet nachhaltig den Erfolg seiner Bewerbung.

Teilen Sie die Sorge, bei der Auswahl der fünf bis zehn besten Hochschulen könnten politische Faktoren eine Rolle spielen?

Das ist keine Sorge, sondern eine Realität – Hochschulpolitik in Deutschland wird deutlich regionalpolitischer werden. Hessen und Bayern zum Beispiel haben gemeinsame Interessen. Sie werden sich nicht nur gegenseitig stützen, sondern auch zu den anderen Ländern sagen: Seit Jahren zahlen wir euch Milliarden im Länderfinanzausgleich, also müssen Darmstadt oder die Münchner Unis jetzt gewinnen. Die LMU München und die TU München sind gesetzt, was übrigens schade für die Uni Würzburg ist, die ein gutes Profil hat. Und die neuen Länder werden einander vermutlich wegen ihrer gemeinsamen Geschichte unterstützen.

Sie sagen voraus, dass beide Münchner Unis siegen (siehe auch unten stehende Grafik). Doch im „Bewilligungsausschuss“, der die Entscheidungen schließlich trifft, hat die Wissenschaft 39 Stimmen, die Politik nur 32.

Die Wissenschaftler werden sich nicht anders als sonst verhalten, schließlich steht ihre Reputation auf dem Spiel. Die Politik wird sich jedoch hinter bestimmte Hochschulen stellen. Auch ist ja nicht bekannt, nach welchem Prinzip abgestimmt wird. Das hat aber Einfluss auf das Ergebnis. Es macht einen messbaren Unterschied, ob jeder Gutachter drei Stimmen zu vergeben hat. Oder ob jeder ein komplettes Ranking aller Anträge macht. Oder ob jeder Punkte vergibt: der besten Uni fünf, der zweiten drei und so weiter.

Ist das rot-rot regierte Berlin isoliert?

Für viele Ministerpräsidenten ist Berlin allein schon aus finanziellen Gründen ein Reizthema. Eine rot-rote Landesregierung, die keinerlei Interesse an konstruktiver Bildungspolitik zeigt, ist in diesem Wettbewerb ein deutlicher Nachteil für alle drei Berliner Universitäten.

Darf die Hauptstadt nicht auf die Unterstützung des Bundes hoffen?

Der Bund wird in der Tat einige Hochschulen unterstützen, die Humboldt-Universität kann hier hoffen. Das hat weniger mit Merkels Mann zu tun, der dort Professor ist, sondern mit dem klangvollen internationalen Namen der Humboldt-Universität und dem wissenschaftlichen Erfolg, gerade in der Nachwuchsförderung.

Bundesbildungsministerin Schavan, die in der Schlussabstimmung die 16 Stimmen des Bundes führt, könnte noch einen Koffer in Baden-Württemberg haben.

Baden-Württemberg hat gleich sieben Hochschulen im Rennen. Da wird auch Unterstützung vom Bund nur bedingt weiterhelfen.

Warum sollte sich der Bund, wenn er sich für die Hauptstadt stark machen will, nur für die Humboldt-Universität einsetzen? Die Freie Universität, nach Leistungskriterien des Senats stärkste Hochschule in Berlin, bewirbt sich ebenso wie auch die TU.

Die TU Berlin hat starke Bereiche, doch im Wettbewerb um die dritte Förderlinie ist sie chancenlos. FU und HU gehören allerdings fraglos zu den besten zehn Unis in Deutschland. Und die FU ist eine sehr interessante Hochschule. Sie hat eine erfolgreiche internationale Ausrichtung, sie ist die einzige in Deutschland, bei der Fundraising in den USA dank ihres Büros in New York funktioniert. Und sie ist weit voraus mit ihrer Verwaltungssoftware von SAP und ihren E-Learning-Programmen. Doch Berlin wird mit großer Wahrscheinlichkeit nur eine Universität in die Königsliga bringen, und dies dürfte die HU sein. Der Bund wird sich nicht hinter die FU stellen, der Senat erst recht nicht.

Das wäre schön für die HU, aber ungerecht der FU gegenüber.

Das wird die FU sehr treffen. Denn schon ist zu hören, dass die FU, wenn sie nicht in der dritten Linie gewinnt, am Anfang ihres Endes steht. Ihr wird fortan noch mehr Geld abgezogen werden, was einen Spiralprozess nach unten in Gang bringen wird. Das ist hochdramatisch. Berlin kann sehr wohl drei gute Universitäten gebrauchen. Boston, London oder Paris bieten auch mehreren Universitäten ein gutes Zuhause. Berlin müsste sich eigentlich als Innovationsregion aufstellen. Davon ist politisch aber wenig zu sehen.

Wenn die FU zu den besten zehn gehört, könnte sie doch in der zweiten Runde durchs Ziel gehen?

In der zweiten Runde wird es für sie aus politischen Erwägungen nur noch schwerer. Denn dann geht das Geschrei los: Warum haben zu wenig kleine Unis gewonnen, was ist mit Nordrhein-Westfalen, und so weiter? Dies ist bedauerlich, denn das hat sie nicht verdient.

Welche weiteren Faktoren werden bei der Entscheidung über die Elite-Unis eine Rolle spielen?

Eine Frage wird sein, wie viele Technische Unis gewinnen dürfen. Wenn man deren Alumni-Arbeit, ihr Fundraising oder ihre Verwaltungsreformen evaluiert, sind viele weiter als die Volluniversitäten. Doch wenn in diesem Jahr vier der erwarteten fünf Sieger TUs wären, würde man den Anspruch der Humboldt’schen Universitätsidee völlig aufgeben. Das ist politisch nicht zu verkaufen. Außerdem wird es „sentimental favorites“ geben wie Heidelberg oder die TU Dresden.

Wenn international sichtbare Leuchttürme aufgebaut werden sollen, müssten kleine Unis schlechte Karten haben.

Klein zu sein hilft sicherlich nicht. Denn man muss ja schon in der ersten und der zweiten Säule gewinnen, um sich überhaupt für die dritte Säule zu qualifizieren. Andererseits sind die kleinen Hochschulen wie Konstanz, Mannheim oder Darmstadt leichter navigierbar. Bevor sich eine Massenuniversität neu orientiert hat, sind oft Jahre vergangen.

Die zweite Runde des Wettbewerbs wird ausgeschrieben, lange bevor die Hochschulen erfahren, wie sie in der ersten Runde abgeschnitten haben. Woher wissen die Unis, ob sie sich erneut bewerben müssen?

Es gibt offene Fragen, zum Beispiel, ob auch diejenigen, die im Januar weitergekommen sind, für die zweite Runde einen verbesserten Antrag einreichen sollten. Würden sie damit den ersten Antrag diskreditieren? Oder gar die Kommission, wenn die sich für den ersten Antrag entscheidet? Ich gehe daher davon aus, dass vorsichtshalber alle ihre Anträge noch einmal durchlaufen lassen werden. Der Wettbewerb hat noch andere handwerkliche Fehler.

Zum Beispiel?

Es ist nicht klar, was passiert, wenn eine Hochschule in der dritten Linie gewinnt, aber Cluster oder Graduate Schools, auf die sie ihre Bewerbung zugeschnitten hat, scheitern. Die Gutachter entscheiden dann, ob der Antrag für die dritte Säule trotzdem erfolgreich sein wird. Das wird den Vorwurf einbringen, dass politisch geschoben wird. Offen ist auch die Frage, ob diejenigen, die beim ersten Mal einen Gewinn in der dritten Säule knapp verpasst haben, nun automatisch für die zweite Runde vorgemerkt sind. Sollte dies der Fall sein, diskriminiert dies neue Bewerber sehr stark. Der Wettbewerb ist mit heißer Nadel gestrickt.

Das Gespräch führte Anja Kühne.

DANIEL J. GUHR , ist Geschäftsführer der Illuminate Consulting Group, einer Wissenschaftsberatung mit Sitz in San Diego/Kalifornien und Berlin. Sie berät Unis auch im Elite-Wettbewerb.

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