zum Hauptinhalt

Gesundheit: Hochschulmedizin in Berlin: Sparschwein Hochschulmedizin? - Die Aufgabe eines Klinikums hätte verhängnisvolle Folgen / Von Martin Paul

Berlin habe die "teuersten Medizinstudenten der Republik" und "es können 150 Millionen aus dem Landeszuschuss für die Hochschulmedizin gespart werden". Äußerungen aus der Politik wie diese haben in den letzten Wochen auch zur Forderung nach Schließung von Klinik-Standorten geführt.

Berlin habe die "teuersten Medizinstudenten der Republik" und "es können 150 Millionen aus dem Landeszuschuss für die Hochschulmedizin gespart werden". Äußerungen aus der Politik wie diese haben in den letzten Wochen auch zur Forderung nach Schließung von Klinik-Standorten geführt. Ist also die Hochschulmedizin das Sparschwein, das geschlachtet werden muss, um die Zinsen der Berliner Verschuldung zu tilgen? Nicht aus Selbsterhaltungstrieb, sondern aus Sorge um die Zukunft des Wissenschaftsstandorts Berlin bieten wir der Politik an, an einer sinnvollen Gestaltung der Hochschullandschaft weiter mitzuarbeiten.

Aber was ist eigentlich die Grundlage der nun abermals vorgetragenen Sparforderung? Die Kultusministerkonferenz hat empfohlen, eine Generalformel für die Berechnung der Landeszuschüsse für Forschung und Lehre in der Medizin zu entwickeln. Ein Referentenentwurf geht davon aus, dass 350 000 Mark pro Studienanfänger als Grundausstattung an die humanmedizinischen Fakultäten fließen müssen. Rechnet man dies auf Berliner Verhältnisse hoch, käme man in der Tat auf 150 Millionen Differenz zum jetzigen Staatszuschuss.

Aber das ist nur die halbe und somit eine falsche Rechnung! Die Kultusministerkonferenz setzt nämlich ausdrücklich fest, dass zusätzlich zur Grundausstattung eine Ergänzungsausstattung zufließen muss, in die zum Beispiel Kofinanzierung von Drittmitteln und Besonderheiten in Forschung und Lehre eingehen. Hierzu zählen auch die Pensionslasten für Beamte, die in Berlin von den Hochschulen geleistet werden müssen, in fast allen anderen Bundesländern aber vom Land getragen werden. Berücksichtigt man diese Berliner Spezialitäten, so wird man rasch feststellen, dass hier keineswegs die teuersten Medizinstudenten der Republik ausgebildet werden. Im Gegenteil: Für das Universitätsklinikum Benjamin Franklin (UKBF) würde sogar ein Mehrbedarf von 30 Millionen Mark herauskommen. Nach der genannten Formel nimmt die Berliner Hochschulmedizin im Vergleich mit allen anderen bundesdeutschen Fakultäten bei den Kosten lediglich einen Platz im unteren Mittelfeld ein. Bei den Leistungen hingegen liegt Berlin vorn! In der Forschung haben die Universitätsklinika Benjamin Franklin und Charité bundesweit eine auch durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft anerkannte Vorreiterfunktion!

Aber: Könnte man überhaupt die 150 Millionen beim Staatszuschusss einfach sparen? Das würde die Aufgabe eines Standortes bedeuten. Mit welchen Folgen? Man ist derzeit auf dem besten Wege, die Hochschulmedizin zu "schlachten" (damit endet aber auch die Analogie zum Sparschwein). Sparen wird man dadurch auch langfristig wenig. Die Studierenden haben für jeden Standort (FU und HU) einen Anspruch auf Ausbildung, das heißt Studiengänge müssen mindestens sechs bis acht Jahre weitergeführt werden. Zusätzliche Jahre werden durch Klageverfahren bis hin zum Bundesverfassungsgericht draufgehen.

Von gestern ist auch die Behauptung, bundesweit würden zu viele Medizinstudenten ausgebildet. Neueste Rechnungen ergeben hier für die Zukunft einen deutlich höheren Bedarf an Ärzten, bedingt durch neue Arbeitsplätze in der biomedizinischen Industrie, neue Arbeitszeitgesetze und eine Ruhestandswelle bei den niedergelassenen Ärzten. Norwegen zum Beispiel hat den Fehler schon vorgemacht. Vor zehn Jahren hat man aufgrund falscher Prognosen einer drohenden "Ärzteschwemme" die Medizinstudienplätze drastisch reduziert; heute wird händeringend nach Ärzten gesucht.

Ebenso falsch ist das Argument, dass die Zusammenführung von Standorten der Universitätsklinika Geld sparen würde. Das "überlebende" Uniklinikum würde aufgrund von einklagbaren Berufungszusagen und dem Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen eine Überhangliste von mehreren tausend Mitarbeitern erben, die es auf Jahrzehnte lähmen wird.

Bundesweit gibt es derzeit eine Welle von Pensionierungen bei den Professoren. Jene Länder, die am meisten in die Medizin investieren, werden sich bei Neuberufungen die Rosinen herauspicken! Berlin würde Schlusslicht der Nation, die Leistungsexplosion der hiesigen Hochschulmedizin aus den letzten zehn Jahren würde zerstört.

Der Wettbewerb, aber auch die Kooperation zwischen den Standorten muss erhalten bleiben. Ein Monsterklinikum, in das alle bisherigen Einrichtungen eingehen, wäre zweifellos die schlechteste Lösung. Wenn Geld umzuverteilen ist, sollte dies auf Leistungsparametern beruhen. Die Universitätsklinika stellen sich dieser Herausforderung schon seit Jahren. Sparmaßnahmen vom grünen Tisch aufgrund falscher und populistischer Rechenexempel werden keine Mark sparen, dafür aber das Berliner Aushängeschild Hochschulmedizin und die forschungsbasierte Zukunft der Stadt langfristig zerstören.

Der Autor ist Dekan des Fachbereichs Humanmedizin

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false