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Gesundheit: „Hochschulpakt auf sicheren Füßen“

Bundesforschungsministerin Annette Schavan begrüßt den Kompromiss im Föderalismusstreit

Frau Schavan, es ist die Rede von einem Kompromiss im Föderalismusstreit um die Unis. Wie sieht der Kompromiss aus?

Die Föderalismusreform soll Modernisierung befördern. Um das Wissenschaftssystem weiterzuentwickeln, sind einerseits klare Zuständigkeiten wichtig, andererseits Wege für strategische Kooperationen von Bund und Ländern. In den letzten Monaten ist aus vielen Gesprächen, die ich mit Wissenschaftsministern und Ministerpräsidenten geführt habe, deutlich geworden, dass diese Möglichkeiten zu gemeinsamen strategischen Zielen unbestritten sind. Nun ist die Frage, wie das im Kontext von Artikel 104 der Verfassung oder von 91b geregelt wird, sei es über den Verfassungstext oder Begründungen zu diesem Text. Das wird sich in den nächsten Tagen zeigen.

Entscheidend für die Hochschulen ist, dass Bund und Länder in der Lehre gemeinsame Programme auflegen können.

Die Zukunft des Wissenschaftssystems wird die Unterscheidung zwischen Forschung und Lehre nicht mehr kennen. Forschung und Lehre bilden eine Einheit in der Hochschule. Es geht aber nicht darum, Geldtöpfe aufzustellen, so, als sei der Bund die Sparkasse der Länder, sondern um gemeinsame Strategien, die sich an bestimmten Zielen orientieren. Dazu gehört es, trotz ansteigender Studierendenzahlen gute Studienbedingungen zu schaffen, den Anteil am BIP für die Forschung auf drei Prozent zu erhöhen und die Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu verbessern.

Peter Frankenberg, Wissenschaftsminister in Baden-Württemberg, wünscht sich nur eine „leichte Öffnung“ in der Verfassung für die Mitwirkung des Bundes: Nur Geld für forschungsbasierte Lehre etwa in Graduiertenschulen soll möglich sein.

Herr Frankenberg und ich sind uns völlig einig, dass im Vordergrund die Entwicklung des Wissenschaftssystems steht und nicht die Übernahme regulärer Aufgaben der Länder durch den Bund. Der Bund könnte aber zum Beispiel in nächster Zeit ein Programm auflegen, mit dem er junge Wissenschaftler motiviert, nach Deutschland zurückzukehren.

Reicht das, um die große Studentenwelle aufzufangen, die auf Deutschland zurollt?

Die Welle äußert sich ja je nach Region sehr unterschiedlich. Für die neuen Länder ist zum Beispiel die Frage, was sie bekommen, wenn sie ihre Kapazitäten für die Studierenden trotz des regionalen Geburtenrückgangs nicht abbauen. Dann ist die Frage, wo neue Studienplätze geschaffen werden. Hier will der Bund die Forschungsmittel für die Fachhochschulen verdreifachen, damit diese zu regionalen Innovationszentren werden können, die eng mit der Wirtschaft kooperieren. Der dritte Punkt betrifft vorübergehende Investitionen in Professuren. Und schließlich die Frage, ob wir die Gelegenheit nutzen wollen, neue Berufsgruppen an den Unis wie den Lecturer einzurichten.

Bislang planten Sie einen Hochschulpakt 2020, in dem Sie die Hochschulen in der Forschung entlasten wollten, damit diese Spielräume für die Lehre gewinnen. Werden Sie das Konzept nun ändern?

Das Konzept besteht aus einem Katalog aus mit den Ländern erarbeiteten Vorschlägen. Der Kompromiss wird dazu führen, dass manches, was im Konzept steht, rechtlich auf sicheren Füßen steht.

Berlins Wissenschaftssenator Thomas Flierl hat die finanzielle Ausstattung des Hochschulpakts – eingeplant bis 2009 sind 960 Millionen Euro vom Bund – als „völlig indiskutabel“ kritisiert. Außerdem werde das Geld doppelt und dreifach verplant, statt einer Schwerpunktbildung gebe es einen „ausufernden Instrumentenkasten“.

Das irritiert mich sehr, weil ja Herr Flierl Mitglied der Bund-Länder-Runde ist, die diesen Instrumentenkasten entwickelt hat. Wenn die Vorstellung da ist, der Bund möge sich auf ein Instrument konzentrieren, kann darüber geredet werden. Aber die Vorschläge müssen nicht nur an Berlin ausgerichtet sein, sondern an den Erwartungen von 16 Ländern.

Der Hochschulbau soll nach der Föderalismusreform allein auf die Länder übergehen. Dagegen gibt es viel Widerstand.

Die Länder ringen gerade untereinander um die Aufteilung der Mittel. Es geht um die Bemessungsgrundlage, die jetzt anhand der vergangenen sechs Jahre festgelegt wird. Es wäre natürlich ein anderer Modernisierungsschritt möglich. Das Geld für den Hochschulbau würde dann nicht auf die Länder nach einer alten Bemessungsgrundlage aufgeteilt, sondern in einen Fonds gegeben, der beim Wissenschaftsrat angesiedelt ist. Die Hochschulen könnten sich im Wettbewerb darum bewerben.

Den Plänen zufolge soll der Bund den Ländern die Mittel für den Hochschulbau zuweisen, ohne dass wie bislang die Gegenfinanzierung durch die Länder gesichert ist. Nach 2013 dürfen die Länder die Mittel auch für völlig andere Zwecke verwenden.

Es besteht Einigkeit unter den 16 Wissenschaftsministern, dass das nicht zu einer Halbierung der Mittel führen darf. Auch im Rahmen des Hochschulpakts wird darüber gesprochen, dass die Gesamtsumme von den Ländern gegenfinanziert wird. Faktisch entsteht eine Zweckbindung schon dadurch, dass es noch ganz viele laufende Projekte gibt.

Die Kosten für die Studentenwelle werden auf 2,2 Milliarden Euro jährlich anwachsen. Doch offenbar hat kein Bundesland berechnet, wie teuer das für den jeweiligen Landeshaushalt wird. Befürchten Sie, dass die Länder das Problem aussitzen können?

Nein, jeder Ministerpräsident weiß, dass die Hochschulen des eigenen Landes seine Zukunftswerkstätten sind. Die Länder suchen differenzierte Antworten. Der baden-württembergische Wissenschaftsminister ist bereits in einem intensiven Gespräch mit der Wirtschaft, um Brücken zu schlagen.

Als Bundesbildungsministerin werden Sie nach der Föderalismusreform nur noch für berufsbildende Schulen zuständig sein. Sie haben das immer begrüßt. Warum können Sie dann trotzdem nicht widerstehen, sich zu Schuluniformen oder zu Problemen an der Berliner Rütli-Hauptschule zu äußern?

Ich bin stellvertretende Vorsitzende der CDU Deutschlands und damit kann ich mich zu jedem Thema äußern, zu dem ich befragt werde. Und in der Schulpolitik ändert sich ja durch die Föderalismusreform überhaupt nichts. Die Schulen bleiben in der Trägerschaft der Länder. Auch die alte Formulierung des Grundgesetzes hat Sonderprogramme wie das Ganztagsschulprogramm nicht zugelassen, das war eine pragmatische Lösung, auf die sich alle geeinigt haben. Jetzt haben wir aber erstmals eine gemeinsame Bildungsberichterstattung mit gemeinsamen Empfehlungen und ein deutlich erhöhtes Budget für die Bildungsforschung. Damit können wir gemeinsame Perspektiven entwickeln. Deshalb wird auch dieses Ministerium an Bildungsdebatten selbstverständlich teilnehmen.

Wäre es angesichts des Versagens der Schule bei der Bildung der Migranten nicht unbedingt nötig, dass Bund und Länder hier große Programme auflegen?

Bisherige Bund-Länder-Programme waren nahezu ausschließlich Modellversuche und haben zu wenig bewirkt. Deshalb wird es künftig darum gehen, über die Forschung Impulse zu geben. Ein Beispiel: unser Projekt für Migranten. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt, in welchen Regionen die Integrationspolitik im Kontext von Schule besonders gelungen ist. Diese zehn Regionen sollen jetzt näher darauf untersucht werden, welche Faktoren zu besserer Integration geführt haben. Dann können wir konkrete Strategien für erfolgreiche Entwicklung benennen – und damit den Ländern auch Hinweise an die Hand geben.

Das Gespräch führten Anja Kühne und Amory Burchard.

Annette Schavan (51) ist Bundesministerin für Bildung und Forschung. Gleichzeitig ist die ehemalige baden-württembergische Kultusministerin stellvertretende Vorsitzende der CDU.

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