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Gesundheit: Hochschulpolitik: Universitäten sind teuer

Amerika lässt sich die Bildung der Elite viel kosten. Eine der führenden amerikanischen Privatuniversitäten, Stanford in Kalifornien, verfügt über ein jährliches Budget von 2,2 Milliarden Dollar, verhängt seit 30 Jahren einen strikten Numerus clausus, nimmt nur 1600 Studienbewerber jährlich auf und bleibt bei einer Zahl von nur 14 000 Studenten.

Amerika lässt sich die Bildung der Elite viel kosten. Eine der führenden amerikanischen Privatuniversitäten, Stanford in Kalifornien, verfügt über ein jährliches Budget von 2,2 Milliarden Dollar, verhängt seit 30 Jahren einen strikten Numerus clausus, nimmt nur 1600 Studienbewerber jährlich auf und bleibt bei einer Zahl von nur 14 000 Studenten. Dazu verlangt Stanford noch 34 000 Dollar Studiengebühren. Keine Massenuniversität in Deutschland kann solch einen Etat vorweisen, obwohl sie mindestens die doppelte Zahl von Studenten auszubilden hat. In Berlin teilen sich vier Universitäten und die Fachhochschulen einen Staatszuschuss von 2,2 Milliarden Mark.

Stanford wird von einem Präsidenten geleitet, der sich keinem akademischen Gremium zur Wahl stellen muss, daher keine Wahlkapitulationen einzugehen hat. Der Präsident kann so lange frei schalten und walten, wie es dem Board of trustees, einem Aufsichtsrat, gefällt. Gerhard Casper wurde 1992 "at the pleasure of the board of trustees" berufen - mit anderen Worten: Er konnte als Präsident jederzeit entlassen werden. Der Board ernennt den Präsidenten, während seiner Amtszeit darf sich dieser einen Kreis von Vizepräsidenten ohne jede politische Vorgaben aussuchen. Der Präsident ernennt die Dekane. Damit wird es möglich, dass die Ziele der Unileitung über die Dekane auch nach unten in den Fakultäten und Departments umgesetzt werden. Noch gibt es diese Rigidität in Deutschland nicht. "Die Universität hat nichts mit Demokratie zu tun." Casper spitzt diese Aussage noch weiter zu: "Nicht im Traume würden wir Studenten das Recht zur Abstimmung in den Gremien geben." Wer in Berlin in der Wissenschaft etwas zu sagen hat, war zu Caspers Vortrag in das Wissenschaftskolleg gekommen.

Dennoch kümmert sich die Stanford Universität intensiv um die Studenten - Gerhard Casper hielt während seiner Amtszeit regelmäßig Sprechstunden ab und stellte sich dem Studentenparlament. Die Fürsorge um die Studneten dient zugleich der Heranbildung einer künftigen Elite. Zum Beleg zitiert Casper die Väter der modernen Universitätsidee: Schleiermacher, Wilhelm von Humboldt oder den Begründer der Universität Dublin, Kardinal John Henry Newman. Deren Gedanken kreisen um die eine Frage: Wie kann die Jugend für die Wissenschaft gewonnen werden?

Newman formulierte um 1852, dass Bildung nur die Vorbereitung für das Wissen ist und dass der Wissenserwerb zu einer Gewohnheit werden müsse. Humboldt spricht in seiner Denkschrift von 1810 davon, Wissenschaft sei ständig neu zu suchen und etwas nie ganz Aufzufindendes. Es geht Humboldt um die zweckfreie Suche nach Wahrheit. Schleiermacher schrieb schon 1808, die Universität habe es mit der Einleitung eines Prozesses zu tun - des wissenschaftlichen Denkens.

Wie können heute die Studienanfänger der Wissenschaft begegnen? Casper hat während seiner Amtszeit von 1992 bis 2000 als Präsident in Stanford dafür gesorgt, dass die Betreuung der Anfängerstudenten in den Mittelpunkt gerückt wurde. Jeder Student soll schon in den ersten Semestern in einem Seminar mit höchstens 16 Teilnehmern einem herausragenden Professor begegnen. Die Besten werden in die Lehrveranstaltungen für die Undergraduates geschickt. Das ließ sich nur mit starker finanzieller Unterstützung organisieren. Deswegen spricht Casper auch davon, dass Universitäten sehr teuer sind. Denn der entscheidende Schlüssel liegt in einem vernünftigen Betreuungsverhältnis zwischen Professoren und Studenten.

In kleinen Gruppen müssen die Studenten sehr früh an die Forschung herangeführt werden. Das ist die Alternative zur Massenuniversität in Deutschland. "Die deutschen Politiker glaubten immer, die Universitäten seien auf billige Weise zu haben und öffneten die Schleusen, ohne die Kapazitäten zu erhöhen."

Was sollen die Deutschen tun? Casper spart nicht mit scharfer Kritik an den Zuständen hier zu Lande, aber er lässt es auch nicht an Hoffnung fehlen: "Es hat keinen Zeitpunkt in den fast vierzig Jahren gegeben, seitdem ich Deutschland verlassen habe, in dem ich so hoffnungsvoll bin wie heute. Die Situation war noch nie so offen, wie es im Augenblick zu sein scheint." Warum? Weil es neue Lösungen geben wird, zum Beispiel die Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge oder eine Besoldungs- und Dienstrechtsreform, die sich nicht ausschließlich mehr an einem gesetzlich fixierten Gehaltsgefüge orientiert, sondern mit Leistungszulagen arbeiten wird und sich damit ein wenig den amerikanischen Bedingungen annähert, wo die Gehälter der Professoren stets neu ausgehandelt werden.

Zwischenprüfungen nicht genutzt

Casper beklagt, dass in Deutschland die Zwischenprüfungen nicht genutzt worden seien, um die für ein Universitätsstudium Ungeeigneten herauszuprüfen. Daher konnte das Massenproblem an den Unis nicht gelöst werden. Im bisherigen Studiensystem würden die Studenten in Deutschland "weder genug gefördert noch ausreichend gefordert". Casper erwartet jetzt vom Bachelor einen Beitrag zur Lösung. Wenn die Bachelorstudiengänge durch ständige Prüfungen von Semester zu Semester begleitet werden, könnte den nicht besonders begabten Studenten geholfen werden, das Studienziel zu erreichen. Andere, die vielleicht "gut, aber nicht sehr gut" sind, müsse man durch das Erststudium zu sehr guten Leistungen anspornen. Voraussetzung für eine Änderung sei jedoch, dass die Hochschulen sich ihre Studenten selbst aussuchen könnten und nicht zugewiesen bekämen, weil sich nur so der Wettbewerb in Gang setzen lasse.

"Die Universitäten sind teuer, wenn man da spart,trifft man eine Entscheidung, kein herausragender Wissenschaftsstandort zu sein," rief Capser aus, und den Zuhörern blieb die Interpretation überlassen, ob er damit auf die deutschen oder insbesondere die Berliner Verhältnisse anspielte. Den Politikern, die sich so viel vom Technologie- und Wissenstransfer versprechen, gab er den Rat, sie sollten die amerikanischen Erfahrungen berücksichtigen. "Die beste Methode des Technologietransfers in den USA ist die erfolgreiche Ausbildung der Studenten. Sie übt größeren Einfluss auf die Wirtschaft aus als Patente von Hochschullehrern." Voraussetzung ist jedoch, dass die Hochschulen für mehrere Jahre über eine finanzielle Planungssicherheit verfügen.

Uwe Schlicht

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