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Gesundheit: Hochschulreform: Europa reformiert die Hochschulen

Im Juni 1999 formulierten 29 Wissenschaftsminister aus den Ländern Europas gemeinsame Grundsätze für eine Hochschulreform. An die Stelle der ewig langen Studienzeiten in Studiengängen, die mit nur einem Abschlussexamen enden, sollten zweistufige Studiengänge treten.

Im Juni 1999 formulierten 29 Wissenschaftsminister aus den Ländern Europas gemeinsame Grundsätze für eine Hochschulreform. An die Stelle der ewig langen Studienzeiten in Studiengängen, die mit nur einem Abschlussexamen enden, sollten zweistufige Studiengänge treten. Seitdem soll Bachelor und Master zu einem europäischen Muster werden.

Die Minister aus 29 Ländern Europas waren sich einig, dass kein strenges Schema allen Ländern übergestülpt werden darf. Einen verbindlichen Zeitrhythmus von drei Jahren für den Bachelor, zwei weiteren Jahren für den Master und drei zusätzlichen Jahren bis zum Doktor wollte man nicht vorschreiben, sondern Spielräume lassen für Verkürzungen oder geringfügige Verlängerungen. Dennoch: dass ein Masterstudium nicht länger als fünf Jahre dauern soll, ist akzeptiert, und dass die Doktorandenausbildung nicht fünf und mehr Jahre in Anspruch nehmen darf, sondern radikal zu verkürzen ist, gilt ebenfalls als common sense.

Es gilt das Grundproblem aller modernen Industrieländer zu lösen, wie eine Massenausbildung mit einer Eliteförderung zu vereinbaren ist. Da kommt eine Einteilung des Studiums in Bachelor und Master gerade recht. Vorausgesetzt, dass die Massen nach dem Bachelor die Hochschule verlassen und nur die Besten direkt zum Masterstudium zugelassen werden. Das berichtete der Präsident der Vereinigung der Hochschulrektoren in der EU, Machado dos Santos aus Portugal, in einem Überblick über die Entwicklung in der EU.

In der deutschen Hauptstadt wird in dieser Woche auf zwei Konferenzen Bilanz gezogen, was der Bologna-Prozess gebracht hat. Denn im nächsten Jahr soll in Prag erneut eine Konferenz der europäischen Wissenschaftsminister folgen. Nicht nur die Folgekonferenz in Prag steht bevor, sondern in Berlin soll ein neues Hochschulgesetz formuliert werden. Deshalb haben die Parteien des Abgeordnetenhauses beschlossen, sich über die internationale Entwicklung auf den neuesten Stand zu bringen. In der TU fand dazu die erste Anhörung statt.

In Deutschland wurde zumindest erreicht, dass der Wissenschaftsrat den Hochschulen eine radikale Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master empfohlen hat. Alle deutschen Kultusminister haben vereinbart, in ihren Ländern die Bachelor- und Masterstudiengänge durchzusetzen. Dennoch gibt es nicht nur in Deutschland nach wie vor Missverständnisse. Noch immer wissen viel zu wenige Professoren, dass Bachelor und Master eine europäische Verabredung sind und der Bachelor nicht nur ein Notbehelf für Studienabbrecher sein soll. Und noch immer wettern die Traditionshüter, die Fakultätentage, dass der Bachelor die bewährten deutschen Diplomstudiengänge verschlingen könnte.

Klaus Landfried, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, beklagte denn auch, dass es in Deutschland noch viel zu viele Bedenkenträger selbst in den Reihen der Rektoren gibt. Angesichts einer jahrzehntelangen Vernachlässigung der Bildungspolitik besteht inzwischen nicht nur eine große Finanzierungslücke, sondern auch die Betreuungsverhältnisse sind miserabel: Während in amerikanischen und englischen Spitzenuniversitäten die Betreuungsrelation bei 10 bis 20 Studenten pro Wissenschaftler liegt, beträgt sie in Deutschland vielfach 40 zu eins.

Die radikalsten Reformer sind die Finnen. Sie führen inzwischen 70 Prozent der 18-Jährigen zum Studium, obwohl "nur" 50 Prozent auch einen akademischen Abschluss erreichen. Im OECD-Durchschnitt sind 30 bis 40 Prozent eines Jahrgangs für das Hochschulstudium üblich, Deutschland liegt mit 28 Prozent noch darunter. Die Finnen leiteten ihre radikale Umorientierung dadurch ein, dass sie die Wissenschaftspolitik zum Bestandteil der nationalen Entwicklungspolitik gemacht haben. Das war eine Folge der Krise in den traditionellen Industrien und der Erwartung, mit Hilfe der Wissenschaft das Ruder herumzureißen. Das ist gelungen.

Die Holländer hatten sich bis in die 60er Jahre an Deutschland orientiert. Humboldts Forschungsuniversität war das große Vorbild. Dann erkannten sie, dass das Vorbild international wenig galt, und gingen eigene Wege. Schritt für Schritt haben sie die Hochschulen durch Gesetze verändert: Am Anfang standen Globalhaushalte und mehr Autonomie für die Hochschulen. Der Staat zog sich aus der Einzelregulierung zurück. Es folgten Studiengebühren, die heute mit 2560 Mark im Jahr mit die höchsten in Europa sind. Die Studiengänge wurden radikal auf erst vier Jahre und jetzt drei Jahre bis zum ersten Abschluss verkürzt. Seit Jahren verantworten die Hochschulen die Verteilung der Geldmittel nach Leistungen in Forschung und Lehre. Unter diesen Bedingungen können die Hochschulleiter nur noch Manager sein und nicht mehr Honoratioren, die als gewählte Laien für nur zwei Jahre nebenher an der Spitze der Hochschulen stehen. Kein Wunder, dass der ehemalige Präsident der Universität Amsterdam, Professor Harry Brinkman, den Rückstand der deutschen Rektoratsverfassung immer noch mit Verwunderung zur Kenntnis nimmt.

Uwe Schlicht

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