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Gesundheit: Hochschulreform: Hans Joachim Meyer im Interview: "Die Habilitation wird runtergemacht"

Hans Joachim Meyer (65) ist seit 1990 Mitglied der CDU und Staatsminister für Wissenschaft und Kunst in Sachsen. Zuvor war er von April bis Oktober 1990 Minister für Bildung und Wissenschaft der DDR.

Hans Joachim Meyer (65) ist seit 1990 Mitglied der CDU und Staatsminister für Wissenschaft und Kunst in Sachsen. Zuvor war er von April bis Oktober 1990 Minister für Bildung und Wissenschaft der DDR. Im Jahr 1999 wurde Meyer zum Präsidenten der Kultusministerkonferenz gewählt, zu deren Reform er maßgeblich beitrug. und hat in dieser Zeit wesentlich zur Reform der KMK beigetragen.

Ist die große Hochschulreform möglich, ohne die Besoldung und das Dienstrecht für die Wissenschaftler zu ändern?

Nein. Die deutschen Universitäten und Hochschulen verfügen über eine hohe Leistungskraft. Damit dieser ein hoher Leistungswille entspricht und die Leistungskraft voll zum Zuge kommt, sollte der Zuwachs bei den Gehältern nicht mehr nach dem Alter erfolgen, sondern nach den Leistungen in Forschung und Lehre sowie nach den Belastungen durch Prüfungen oder Mitwirkung in den Gremien. Auf diese Weise kann die Eigenverantwortung und damit die Handlungsfähigkeit der Hochschulen erhöht werden. Neben starken Hochschulleitungen sind dafür zwei Bedingungen unerlässlich: eine leistungsorientierte Besoldungs- und Dienstrechtsreform und, wie ich nicht müde werde zu betonen, ein tatsächliches Auswahlrecht der Hochschulen bei den Studienbewerbern.

Begabte Wissenschaftler sind gefragt, sie werden ins Ausland gelockt, vor allem in die USA. Und die Wirtschaft kann sie mit Spitzengehältern locken. Können die deutschen Hochschulen da mithalten, wenn sie künftig als Grundgehalt monatlich 7000 Mark oder 8500 Mark bieten? Reichen da Leistungszulagen bis zu 2000 Mark aus?

Das reicht nicht aus. Leider soll die Dienstrechtsreform kostenneutral sein. Meine große Sorge ist, dass die Finanzminister den Begriff der Kostenneutralität dazu missbrauchen werden, den Hochschulen real weniger Personalkosten zur Verfügung zu stellen als jetzt und sie diesen reduzierten Stand danach auf Dauer festlegen. Zumindest müsste man von einer dynamischen Kostenneutralität sprechen, aber auch das ist angesichts der Wettbewerbssituation mit der Wirtschaft oder den USA auf wichtigen Gebieten unzureichend. Das ist deshalb besonders verhängnisvoll, weil in den nächsten Jahren viele Professoren aus Altersgründen ausscheiden werden und es zu einer großen Zahl von Neuberufungen kommen wird. Nach dem gegenwärtigen Besoldungsrecht fangen neuberufene Professoren nicht mit dem höchsten Gehalt an, sondern dies steigt mit den Jahren gleichsam gesetzmäßig. Nach dem neuen Besoldungsrecht wird das Gehalt aber im Ergebnis von Einzelentscheidungen zunehmen.

Die im Hochschulverband organisierten deutschen Professoren, das sind immerhin etwa 18 000, laufen Sturm gegen die Hochschul- und Besoldungsreform. Hat die Ministerin Bulmahn etwas falsch gemacht?

Ja, aber das ist nicht nur ein Fehler von Ministerin Bulmahn. Schon ihr Vorgänger, mein Parteifreund Jürgen Rüttgers, glaubte sich mit dem Spruch "Humboldts Universität ist tot" profilieren und deutsche Universitäten zur Vergabe englischer Grade animieren zu sollen. Weite Kreise der Politik und der Publizistik und leider auch die Mehrheit des Wissenschaftsrats sind ihm und anderen darin gefolgt. Insofern schien es ein erfolgreicher politischer Gag. Offenbar können sich viele die deutschen Universitäten wie überhaupt die deutsche Gesellschaft nur noch als amerikanischen Verschnitt vorstellen. Was man dabei übersieht oder leichtfertig in Kauf nimmt, ist die Diskreditierung der deutschen Hochschule und ihrer glanzvollen Geschichte. Dabei gehört es zu den politischen Binsenweisheiten, dass man eine bestehende Hochschule nur mit der Mehrheit oder doch zumindest einer großen Zahl ihrer Leistungsträger reformieren kann. Auch dann ist es noch schwierig genug.

Künftig sollen Nachwuchswissenschaftler nicht erst Ende dreißig, sondern mit dreißig Jahren selbstständig werden. Als Juniorprofessoren werden sie mit 6000 Mark ausgestattet und dürfen Drittmittel einwerben? Ist diese Reform notwendig?

Diese Reform ist notwendig. Erstens entspricht die Habilitation vor allem in den Naturwissenschaften nicht mehr den realen Anforderungen auf dem Wege zu einer über die Promotion hinausgehenden wissenschaftlichen Qualifikation. Schon die heutige Qualifikation besteht vielmehr in einer Reihe von Forschungsprojekten, denen als Publikationsform der Zeitschriftenartikel entspricht und nicht mehr ein zweites Buch. Zweitens muss es insbesondere Wissenschaftlerinnen, aber auch Wissenschaftlern, denen ihre Familie wichtig ist, möglich gemacht werden, ihr Leben über größere Abschnitte zu planen, damit sie ihren Kinderwunsch erfüllen können. Dass die zweite Notwendigkeit, auf die meine Kollegin Dagmar Schipanski schon als Vorsitzende des Wissenschaftsrats hinwies, in der öffentlichen Debatte so gut wie keine Rolle spielt, ist bezeichnend für den in der Gesellschaft vorherrschenden Individualismus.

Wie kann man verhindern, dass den künftigen Juniorprofessoren dasselbe Schicksal droht wie den Assistenzprofessoren aus den siebziger Jahren? Die erhielten vielfach selbst nach ihrer Habilitation keine Chance, auf eine Professur berufen zu werden, weil die Zeit der Bildungsexpansion zu Ende war.

Das wird nach meiner Überzeugung bereits dadurch verhindert, dass, im Gegensatz zur früheren Assistenzprofessur, die Übernahme in eine unbefristete Professur bei entsprechenden Leistungen in Lehre und Forschung der Normalfall sein soll. Was die Fakultäten freilich dann brauchen, ist eine langfristige Entwicklungsstrategie in Bezug auf ihren wissenschaftlichen Nachwuchs, damit es kein Überangebot an Juniorprofessoren gibt.

Soll die Habilitation künftig ganz wegfallen oder muss sie als Alternative zur Juniorprofessur erhalten bleiben?

Auf keinen Fall darf die Habilitation wegfallen. Erstens wird die Habilitation vor allem in den so genannten Buchwissenschaften auch in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen. Zweitens muss es um eine Erweiterung der Wege zum Hochschullehreramt gehen und nicht um eine Verengung. Und drittens vermag ich nicht einzusehen, warum eine strukturell starke Juniorprofessur im Wettbewerb mit der Habilitation nicht erfolgreich sein soll. Schließlich empfinde ich, ceterum censeo, die Art und Weise, wie jetzt die Habilitation von Leuten, die sich diesem Leistungsanspruch nie gestellt haben, öffentlich heruntergemacht wird, als einen wirklichen Skandal.

Welche Chancen hat die Dienstrechts- und Besoldungsreform im Bundestag und Bundesrat? Wie wird sich die Union verhalten?

Das frage ich mich inzwischen auch. Die unionsgeführten Länder haben bisher konstruktiv in der Arbeitsgruppe von Bund und Ländern zur Reform des Hochschuldienstrechts mitgearbeitet. Der jetzt von der Bundesregierung öffentlich gemachte Referentenentwurf hält sich in zwei wichtigen Punkten nicht an den mühsam ausgehandelten und von mir bisher auch nur unter Bedenken mitgetragenen Kompromiss in Bezug auf die Einführung der Juniorprofessur. Faktisch läuft dieser Gesetzentwurf auf ein Verbot der Habilitation und auf eine Monopolstellung der Juniorprofessur hinaus. Da ist mit mir nicht zu machen. Wer kann ernsthaft glauben, ein Konsens würde sich als belastbar erweisen, wenn man seinen Partner anschließend über den Tisch zieht. Wenn es bei diesem Gesetzentwurf der Bundesregierung bleibt, werde ich dem sächsischen Kabinett und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion empfehlen, ihm die Zustimmung zu verweigern.

Werden sich künftig die Unterschiede zwischen reichen und armen Bundesländern verschärfen, wenn die reichen Länder bei den Leistungszulagen zum Gehalt großzügiger verfahren können als die armen?

Diese Unterschiede gibt es heute schon, und sie werden sich vergrößern. Nicht zuletzt deshalb bin ich dafür, die Hochschulfinanzierung stärker in Richtung auf gesamtdeutsche Quellen zu entwicklen, die dann allen Hochschulen abhängig von ihrer Leistungsfähigkeit zugänglich sind. In der Forschung denke ich dabei vor allem an die Deutsche Forschungsgemeinschaft, deren Mittel deutlich erhöht werden müssen und deren Programm - ähnlich wie in den USA - auch Elemente der Grundfinanzierung einschließen sollte. Im Studium und Lehre denke ich an Bildungsgutscheine, die Abiturienten von ihren Heimatländern erhalten und die dann an den Hochschulen, an denen die jungen Leute studieren, als Beitrag zu den Studienkosten eingezahlt werden. Die Hochschulen lösen sie danach bei den Herkunftsländern der Studenten ein. Diese beiden Schritte würden den leistungsorientierten Wettbewerb unter den deutschen Hochschulen erheblich steigern und ihnen gegenüber der Politik eine größere Selbstständigkeit geben.

Ist die große Hochschulreform möglich

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