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Gesundheit: Humboldt-Uni erforscht Gehirn und Geist

Biologen und Philosophen an einem Tisch

Wenn der Präsident einer ehrgeizigen Universität heute von den „Schattenseiten“ des deutschen Hochschulsystems spricht, tut er gut daran, gleich eine Lösung zu präsentieren. Den Schatten wirft der Doktorand, der im stillen Kämmerlein an seiner Doktorarbeit schreibt und dabei von einem Professor abhängig ist, der nie Zeit für ihn hat. Die Lösung, die Christoph Markschies, Präsident der Humboldt-Universität (HU), vor kurzem präsentierte, heißt „Humboldt Graduate School“: ein Dach für alle 33 Programme, in denen die HU ihren Promovierenden schon heute einen strukturierten Rahmen für ihre Doktorarbeit bietet.

In der Luisenstraße 56 (Berlin-Mitte) soll ab 2008 auch Raum für weitere Graduiertenschulen sein, um deren Finanzierung sich die HU unter anderem im Exzellenzwettbewerb bewirbt. Ziel eines Promotionsprogramms ist es, Doktoranden aus ihrer Isolation zu befreien und sie zügig zu einem international konkurrenzfähigen Abschluss zu führen. Die übergreifende „Humboldt Graduate School“ soll den einzelnen Programmen die Verwaltungsarbeit abnehmen und einheitliche Qualitätsmaßstäbe durchsetzen.

Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner sieht die Graduiertenschulen als Baustein einer „Ausbildungsoffensive“. Voraussetzung dafür wäre, den Abbau von Studienplätzen zu stoppen. Am besten ginge das durch einen Länderfinanzausgleich, in dem honoriert wird, dass Berlin überproportional viele Studenten ausbildet. Zunächst aber will Zöllner neues Personal bereitstellen: Juniorprofessuren mit Schwerpunkt Lehre, zusätzliche Juniorprofessuren für Nachwuchswissenschaftlerinnen und Seniorprofessuren.

Ein Promotionsprogramm der HU erhält bereits die Exzellenzförderung von Bund und Ländern, eine Million Euro pro Jahr: die „Berlin School of Mind and Brain“. Auch sie wurde jetzt eröffnet – mit guten Vorsätzen der beiden Sprecher. Sie wollten alle beteiligten Disziplinen, darunter Biologie, Psychologie, Medizin, Linguistik und Philosophie, „so eng wie möglich zusammenbringen“, sagte der Philosoph Dominik Perler. Der Neurologe Arno Villringer betonte die Bedeutung neuer Forschungsfelder wie Neuroökonomie und Neurolinguistik. „Aber es gibt niemanden, der für diese Art von Schnittstellenforschung ausgebildet ist.“

Der lockeren Präsentation folgte sichtlich angetan Festredner Julian Nida-Rümelin, Philosophieprofessor in München. „Sie nehmen sich wechselseitig ernst“, lobte der ehemalige Staatskulturminister. Unter Natur- und Geisteswissenschaftlern sei das nicht selbstverständlich, selbst wenn sie sich vornähmen, interdisziplinär zu arbeiten. Unter dem Druck der Ökonomisierung drohten ganze Wissenschaftsbereiche marginalisiert zu werden. Gegenwärtig etabliere sich ein Kolonialismus gegenüber kulturwissenschaftlichen Disziplinen. So stellten Neurowissenschaftler Begriffe wie Verantwortung oder freier Wille infrage, mit denen sich traditionell Philosophen auseinandersetzten. Nida-Rümelin plädierte für ein komplementäres Verhältnis, für den Versuch, die beiden Traditionen wissenschaftlichen Denkens in Beziehung zu bringen.

Dies sei Voraussetzung für eine Universität, „die in der obersten Liga mitspielt“. So eine Universität müsste allerdings „zehnmal so hohe Mittel und ein zehnmal besseres Betreuungsverhältnis zwischen Studierenden und Lehrenden“ haben wie heutige Hochschulen. Nida-Rümelin regte eine Bund-Länder-Stiftung an, die eine solche Hochschule finanzieren könnte. „Alles nur ein Traum“, sagte der Philosoph, „aber wenn er realisiert wird, müsste diese Uni natürlich in Berlin liegen.“ Und wenn es nicht schon eine Universität mit diesem Namen gäbe, „müsste sie Humboldt-Universität heißen“. Applaus, befreites Lachen im Reuter-Saal der HU. Die Schattenseiten des Hochschulalltags sind für einen Moment vergessen.

Weitere Informationen im Internet:

www.mind-and-brain.de

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