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Gesundheit: Humboldt Universität: Geisterbahn für Lehrer

Das Lehramtsstudium gleicht einer gut gemachten Geisterbahn: Die Fahrgäste sehen schon das Licht am Ende des Schreckensparcours, da springt ihnen plötzlich doch noch ein Zombie entgegen. So sehen es zumindest Andrea Wittmeier und einige ihrer Kommilitonen, die sich in den letzten Wochen bei der Verwaltung der Humboldt-Universität und dem Landesprüfungsamt schriftlich beschwert haben.

Das Lehramtsstudium gleicht einer gut gemachten Geisterbahn: Die Fahrgäste sehen schon das Licht am Ende des Schreckensparcours, da springt ihnen plötzlich doch noch ein Zombie entgegen. So sehen es zumindest Andrea Wittmeier und einige ihrer Kommilitonen, die sich in den letzten Wochen bei der Verwaltung der Humboldt-Universität und dem Landesprüfungsamt schriftlich beschwert haben. Anlass ist die geänderte Prüfungsordnung: Neuerdings müssen alle zukünftigen Lehrer in Berlin bei ihrer Zulassung zum Examen einen Schein zum "gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Schülern" vorlegen: "Hier sind alle in heller Aufregung", beschreibt Wittmeier die Lage.

Zwar finden sie und ihre Kommilitonen das Ziel der Regelung gut, etwas für die Integration zu tun. Doch reichten die Übergangsfristen nicht: Mitten im Examensstress sähen sich nun viele Kommilitonen in der Situation, schnell noch den "Integrationsschein" nachmachen zu müssen, obwohl es dazu zuerst kein ausreichendes Kursangebot gegeben habe. Das später an der Humboldt-Universität eingerichtete "Notprogramm" für bereits im Examen stehende Studenten sei nicht ausreichend publik gemacht worden, meinen die Studierenden. Dadurch hätten sich die Studienzeiten weiter verlängert.

Die zukünftigen Lehrer kritisieren an der im Januar 2000 in Kraft getretenen Prüfungsordnung auch, dass die dort vorgesehenen Entlastungen des Studiums durch neue Belastungen ersetzt worden seien: "Man muss in dem Studium zu viele Prüfungen ablegen und Leistungsnachweise erbringen, in der Regelstudienzeit ist das nicht leistbar", beklagt der HU-Student Magnus Heinisch. War es früher möglich, die Prüfungen der einzelnen Fächer getrennt anzumelden, muss dies jetzt im Block geschehen. Der Gesetzgeber erhofft sich davon eine Verkürzung der Studienzeiten, während die Studierenden meinen, die Hemmschwelle sich anzumelden werde dadurch noch höher.

Zusätzliche Nervosität verursacht bei den Studierenden, dass sie an der Humboldt-Uni und im Landesprüfungsamt keine einheitlichen Angaben darüber bekommen haben, bis wann sie sich zur Prüfung angemeldet haben müssen, um von den neuen Regeln nicht betroffen zu sein: Man habe "mindestens fünf verschiedene Versionen" der Regelauslegung vom Landesamt für Lehramtsprüfungen bekommen, bestätigt die Dozentin Grit Wachtel. Der "Integrationsschein" verkommt so nach Wittmeier zu einer "lästigen Pflichtübung in überfüllten Kursen."

Der Leiter des Landesamtes, Michael Eckardt, will "fairerweise nicht ausschließen, dass Sachbearbeiter oder Referenten auch falsche Auskünfte erteilt haben". Doch gebe es dafür keine aktuellen Anhaltspunkte. Von allen möglicherweise angebotenen Interpretationen des Gesetzes ist nach Eckardt allein folgende richtig: Nur für Studierende, die sich für alle Prüfungsteile vor dem 30. September 2001 angemeldet haben, entfällt die Pflicht, die von der neuen Prüfungsordnung eingeführten Scheine wie den "Integrationsschein" zu machen. Auch wenn ein solcher Prüfling nach altem Recht durch eine Teilprüfung durchfällt, für die er sich dann nach dem 30. September erneut melden müsste, werde voraussichtlich gelten, dass er den Integrationsschein nicht braucht, sagt Eckardt.

In der Verwaltung der Humboldt-Universität fühlt man sich von dem Senat im Stich gelassen, von dem man für die zusätzlichen Pflichten auch zusätzliche Mittel erwartet hat: "Ich kann nicht zehn bis zwölf Kurse aus dem Boden stampfen", sagt der Vizepräsident für Studium und Lehre, Heinz-Elmar Tenorth. Die Dekanin der Philosophischen Fakultät IV, Sieglinde Ellger-Rüttgardt, spricht von einem Tribut an die "political correctness": "Das wird auf der politischen Ebene entschieden, ohne dass wir wissen, wie wir es umsetzen sollen." Trotzdem sei kein Student abgewiesen worden. An der FU und der TU ist das Problem mit dem "Integrationsschein" nach Tenorths Ansicht nicht entstanden, weil sie mit ihren gut ausgebauten Pädagogik-Arbeitsbereichen besser dagestanden hätten.

Tenorth, dessen Uni im renommierten Hochschulranking des Centrums für Hochschulentwicklung besonders schlecht bei der Lehrerausbildung abschnitt, wünscht sich zur Verkürzung der Studienzeiten für Lehrer zwei mal im Jahr feste Prüfungsphasen mit Anwesenheitspflicht für die Prüfer. Die Prüfungen sollen studienbegleitend organisiert werden und in der Uni stattfinden. "Die Professoren würden da sofort mitziehen", meint er. Seit Wochen und Monaten warte er jedoch auf verbindliche Antworten aus der Verwaltung.

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