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Gesundheit: „Ich bin Elitist“

Walter Birchmeier, Leiter des Delbrück-Centrums, setzt auf junge Talente

Es riecht noch nach frischer Farbe. Eines der Hauptgebäude des Max-Delbrück- Centrums für Molekulare Medizin (MDC) ist lang gestreckt wie eine Einkaufspassage, hell und hoch, mit Balustradengängen und einem gläsernen Giebeldach. Aber hier wird nichts verkauft, sondern geforscht. Nach den Ursachen von Krankheiten. Walter Birchmeier, der Hausherr, wirft einen Blick in die Halle. „Schön, nicht?“

Birchmeier, 60, ist Biologe und Krebsforscher. Seit kurzem leitet er das Delbrück-Centrum mit seinen 750 Mitarbeitern und einem Jahresbudget von 50 Millionen Euro übergangsweise, nachdem er bereits seit 1998 stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Forschungszentrums im Nordosten Berlins war. Wie lange wird es dauern, bis ein neuer MDC-Chef gefunden ist? „Ein halbes Jahr, vielleicht auch länger“, sagt Birchmeier. Er selbst, ganz Forscher, will bald ganz zurück in sein Labor.

Ein größerer Gegensatz wie der zwischen Birchmeier und seinem Vorgänger Ganten – nun Chef der Berliner Charité – ist kaum denkbar. Ganten hat das MDC und sein Umfeld geprägt, ein rastloser Manager und Strippenzieher, dazu öffentlich präsent wie kaum ein zweiter deutscher Wissenschaftler in politischen Grabenkämpfen um die Biotechnik, als Mitglied des Nationalen Ethikrats und als Bücherschreiber. Dagegen Birchmeier: zurückhaltend, fast scheu, mit zerzaustem Haarschopf und prüfend-kritischem Blick auf die Welt. „Ich bin Theoretiker“, bekennt er.

Birchmeier hatte schon eine internationale Forscherkarriere hinter sich, als er 1993 Gruppenleiter am MDC wurde. Daraus speisen sich Unabhängigkeit und Selbstbewusstsein. Nach vier Jahren am Lehrerseminar im schweizerischen Wettingen und einem Diplom als Kirchenmusiker studierte Birchmeier Biologie an der Züricher Universität. Es folgten Aufenthalte an der Cornell-Universität (New York), am Biozentrum der Universität Basel, an der Universität von Kalifornien und an der ETH Zürich und dann eigene Labors in der Max-Planck-Gesellschaft in Tübingen und an der Essener Uni. Aber seine besten Ergebnisse hat der Wissenschaftler erst in Berlin erzielt. Aus Distanz ist Identifikation geworden.

Das MDC ist eine Erfolgsgeschichte. 2003 ergab eine Analyse der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dass das Forschungszentrum beim Einwerben von Fördermitteln unter allen außeruniversitären Forschungseinrichtungen an dritter Stelle lag – von 168. Aber Birchmeier imponiert eine andere Zahl viel mehr: 2001 kam das junge MDC in einer Auswertung des Institute for Scientific Information in der deutschen Molekularbiologie auf Platz sieben. „Ich bin stolz aufs MDC!“, sagt Birchmeier.

Birchmeier fühlt sich ermuntert durch den US-Soziologen Rogers Hollingsworth. Der stellte fest, dass viele Erfindungen der Biotechnik dort gemacht wurden, wo man bereit war, schnell auf Entwicklungen zu reagieren und dabei auch Risiken einzugehen. Einrichtungen wie die New Yorker Rockefeller-Universität investierten in junge Talente, ließen ihnen Freiheit und erdrückten sie nicht unter einer Hierarchie. In so einem Denken sieht Birchmeier auch für das MDC eine Chance. Kleine Forschergruppen sollen den Erfolg bringen. Dabei muss auch die Qualität stimmen. „Ich bin Elitist“, sagt er. „In der Wissenschaft gibt es nun mal keine Demokratie.“

Und seine Forschung? Da ist Birchmeier in seinem Element. Und sofort fällt ein Begriff: beta-Catenin. Das ist ein wichtiges Signalmolekül in der Entwicklung des Organismus und beim Steuern von Wachstum. Birchmeier hat wesentliche Beiträge zur Erforschung von beta-Catenin geleistet – etwa entdeckt, wie es „mit dem Zellkern spricht“ –, vor allem aber sieht er dessen medizinische Bedeutung. Denn Beta-Catenin spielt bei Krebs eine wichtige Rolle, vielleicht sogar eine ganz zentrale. Wird es also eines Tages ein Medikament geben, das auf den Erkenntnissen Birchmeiers beruht? „Die Suche nach Mitteln, die diese Signalmoleküle hemmen können, ist sehr aufwändig“, sagt Birchmeier. „Daran ist meine erste Firma zugrunde gegangen. Aber wir fangen wieder an. Und irgendwann finden wir etwas.“

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