zum Hauptinhalt

Gesundheit: Ich brauche das: Über niedrigen Blutdruck und den Mambo, der den Puls antreibt

Meine Oma hatte ihn im Blut - den Zucker, und zwar zu viel davon. Deswegen aß sie am Abend vor jedem Arztbesuch eine Dose Sauerkraut, um die Werte zu drücken: "Damit der Doktor nicht schimpft!

Meine Oma hatte ihn im Blut - den Zucker, und zwar zu viel davon. Deswegen aß sie am Abend vor jedem Arztbesuch eine Dose Sauerkraut, um die Werte zu drücken: "Damit der Doktor nicht schimpft!" Auch ich habe es mit dem Blut, und wie meine Oma fürchte ich mich vor jeder Untersuchung. Nicht, weil die Ärztin mit mir schimpft - die attestiert mir seit Jahren beste Gesundheit. Es ist ihre Sprechstundenhilfe, die mein Blut, genauer, meinen auffällig niedrigen Blutdruck, zutiefst verachtet. Nur Patienten mit normalem oder zu hohem Blutdruck können vor ihr bestehen. "120 zu 80, ganz wunderbar, Frau Müller!" ruft sie so laut, dass das ganze Wartezimmer informiert ist. Frau Müller setzt sich dann triumphierend lächelnd zurück unter die Wartenden. Dann bin ich an der Reihe.

Die Schwester weiß natürlich längst, dass ich auf dem Blutdrucksektor eine Totalversagerin bin. Jeder Laie sieht es mir an: Ich bin extrem blass und dünn. Mit leicht angewidertem Blick wickelt sie die Manschette um meinen weißen schlaffen Arm und pumpt sie auf 350 auf, um die Fallhöhe für meine Erniedrigung zu vergrößern. Der Zeiger stürzt und stürzt - ins Bodenlose. Dann flackert das Lämpchen doch einmal kurz auf. "60!" ruft die Schwester erbost ins Wartezimmer, "zu ...?!" Der Zeiger hat die Null erreicht, bevor das Lämpchen nochmal leuchtet. Ich bin eine Nullnummer, ein blutarmer Zombie, scheintot. Die Schwester reißt mir die Manschette vom Arm: "Bei Ihnen is ja nischt!" hallt es durch die Praxis. Voller Scham setze ich mich unter den spöttischen Blicken der Normalen zurück ins Wartezimmer.

Schlagartig verändert hat sich für mich alles, seit mein Kollege mir seine Mambo-Platten borgt. Zehn Gläser Sekt oder zehn Tassen Kaffee haben nicht geschafft, was ein paar Takte Perez Prado bewirken. Die wilden Trompeten und verwegenen "Aanh!"-Schreie des "Mambo King", jenes "Glenn Miller of Mexico", machen, dass mein Blut durch die Adern sprudelt, strömt, schwillt, wogt und wallt, bis meine Gliedmaßen dick und rot sind. Ich weiß genau: Vor dem nächsten Blutdruckmessen werde ich eine Mambo-Cassette in meinen Walkman einlegen - und lasse dann die Manschette platzen!

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false