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Gesundheit: In Gottes Namen

Evolution? Unsinn! Darwin? Bitte von den Lehrplänen streichen! Wie sich die Kreationisten die Welt erklären

Am Anfang war das Wort. Und keine Ursuppe voller Biomoleküle, die nach und nach vermehrungsfähige Zellen bildeten, um sich schließlich zu Quallen und Würmern, Meerschweinchen und Menschen weiterzuentwickeln. Das jedenfalls ist die Überzeugung der Kreationisten. Getreu der Bibel glauben sie an eine von Gott geschaffene Welt, lehnen die Evolutionslehre ab – und möchten diese Ideen auch in den Hirnen junger Menschen verankert wissen.

Soeben scheiterte in Italien nach massiven Protesten der Versuch von Bildungsministerin Letizia Moratti, die Evolutionstheorie vom Lehrplan der Grund- und Mittelschulen zu streichen. Zwar behauptete Moratti, sie wolle Darwin keineswegs aus den Schulen verbannen, sondern nur jüngere Schüler nicht mit theorielastigem Unterricht langweilen. Kritiker vermuten dennoch kreationistische Umtriebe hinter ihrem Vorstoß: Schließlich habe die Regierungspartei Alleanza Nazionale kürzlich anti-darwinistische Aktionen organisiert.

„Die Erde ist flach“

Heftiger noch wird der Streit um die Köpfe der Schüler jenseits des Atlantiks ausgetragen. In einem Vortrag am Berliner Wissenschaftskolleg gab der Evolutionsbiologe James Hunt von der Universität von Missouri letzte Woche einen Überblick über die Anti-Evolutions-Bewegung in den USA. In fast der Hälfte aller Bundesstaaten ist es Kreationisten dort gelungen, Einfluss auf die Lehrpläne zu nehmen. Wie Hunt berichtet, haben Anhänger der Schöpfungslehre die Schulkommissionen mancher Bundesstaaten regelrecht infiltriert.

So strich man in Kansas 1999 nicht nur Evolution, sondern gleich auch Kosmologie und Plattentektonik aus dem Prüfungsstoff. Die Logik dahinter liegt auf der Hand: Die Welt ist so, wie sie immer war und wie Gott sie geschaffen hat; mutierende Lebewesen, der Urknall oder driftende Kontinente haben im Denken religiöser Fundamentalisten keinen Platz. Im Jahr 2001 machte der Bundesstaat die Änderungen zwar rückgängig, doch war dieser Schritt allenfalls ein Etappensieg der Verfechter wissenschaftlichen Denkens. Vor wenigen Wochen etwa führte die Schulkommission von Ohio eine evolutionskritische Unterrichtseinheit ein.

Obwohl sich solche Meldungen in den letzten Jahren häuften, ist der Feldzug gegen Darwin in den USA kein neues Phänomen. 1925 stand der Lehrer John Scopes vor Gericht, weil er die Evolution im Unterricht behandelt hatte. Noch in seinem eigenen Biologiebuch aus den 50er Jahren, erinnert sich James Hunt, sei das „E-Wort“ nicht aufgetaucht. Erst als die Sowjetunion 1957 ihren „Sputnik“-Satelliten startete und Amerika fürchtete, in Wissenschaft und Technik zurückzufallen, wurden die Lehrpläne überarbeitet. Seit Anfang der 60er Jahre stellen US- Schulbücher die Evolutionslehre als das dar, was sie ist: das Fundament der gesamten Biologie.

Damit fanden sich die religiösen Eiferer nicht ab und zogen immer wieder vor Gericht. 1987 entschied schließlich der US Supreme Court, Kreationismus sei religiöses Gedankengut und habe an öffentlichen Schulen nichts zu suchen. Nach dieser Schlappe änderten die Kreationisten ihre Strategie: Nun zielen sie darauf ab, die Evolutionslehre als unbewiesene Hypothese darzustellen, als eine von mehreren möglichen Interpretationen der wissenschaftlichen Fakten.

Bei all ihrer gemeinsamen Abneigung gegen Darwins Lehre sind die Kreationisten keine homogene Bewegung. Unter ihnen finden sich Anhänger unterschiedlicher Ideen, die sich gegenseitig bekämpfen. Am äußersten Ende des Spektrums ist jene Minderheit angesiedelt, die glaubt, die Erde sei flach, dazu die „Geozentriker“, die wie zu Galileis Zeiten überzeugt sind, die Erde befinde sich im Mittelpunkt des Universums. Weit mehr Einfluss jedoch hat die Gruppierung der „Young Earth“-Kreationisten, die sich einen wissenschaftlichen Anstrich gibt und ein Museum in der Nähe von San Diego unterhält. Dort erfahren Interessierte, dass Gott die Erde tatsächlich in sieben Tagen erschaffen habe – und das vor nicht mehr als 6000 bis 10000 Jahren. Für Jahrmillionen alte Gesteinsschichten und Fossilien haben diese Schöpfungstheoretiker eine schlichte Erklärung gefunden: Die Sintflut habe die Sedimente an Ort und Stelle geschwemmt.

Andere Fraktionen erkennen an, dass die Erde nicht ein paar tausend, sondern mehrere Milliarden Jahre alt ist, und erklären die mangelhafte Übereinstimmung mit dem Bibeltext mehr oder minder phantasievoll: Gott habe während der Schöpfung eine längere Pause eingelegt, sagen die einen; andere meinen, die Schöpfungstage hätten eben nicht 24 Stunden, sondern unermesslich lange gewährt.

Der Leichtbau eines Libellenflügels

Schwieriger als unwissenschaftlich zu entlarven sind jene Kreationisten, die sich nicht an eine wörtliche Interpretation der Bibel klammern. Die Verfechter der „Intelligent Design“-Theorie, ID, argumentieren, Tiere und Pflanzen seien so perfekt konstruiert, dass sie ohne einen höheren Plan, einen Schöpfer, nicht hätten entstehen können. Tatsächlich läuft es der Intuition vieler Menschen zuwider, dass Wunder der Natur wie der Leichtbau eines Libellenflügels oder das menschliche Gehirn allein durch Zufall, durch das Spiel von Mutation und Selektion, zu Stande gekommen sind.

Ziel der ID-Bewegung sei es, so ihr Vordenker Phillip Johnson vom kreationistischen Discovery Institute in Seattle, den „Materialismus hinwegzufegen und durch ein theistisches Naturverständnis“ zu ersetzen. Die sich darin äußernde Ablehnung einer materialistischen Wissenschaft aber beruhe auf einem Missverständnis, argumentiert James Hunt: Die Kreationisten verwechselten den Materialismus als wissenschaftliche Herangehensweise mit einem metaphysischen Materialismus, der die Existenz einer spirituellen Dimension leugne. Die Evolutionslehre schließt Gott nicht aus – das ist eine Sicht, mit der sich, gerade in den USA, auch so mancher Wissenschaftler anfreunden kann.

Alexandra Rigos

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